Politik

Der neue Mann an der Spitze des Stiefels Matteo Renzi will Italien umkrempeln

Matteo Renzi hat viel vor. Er strebt drei große Umstrukturierungen an.

Matteo Renzi hat viel vor. Er strebt drei große Umstrukturierungen an.

(Foto: dpa)

Italien wagt sich politisch auf unbekanntes Terrain. Der neue Ministerpräsident, Matteo Renzi, hat größe Pläne für sein Land. Die Ministerposten sind bereits gleichmäßig auf Männer und Frauen verteilt. Zahlreiche Reformen sollen folgen.

Acht Frauen, acht Männer. Die Regierung von Matteo Renzi, dem 39-jährigen Ex-Bürgermeister von Florenz, ist die erste in der Geschichte Italiens mit der vollen Geschlechterparität. Schon als Bürgermeister von Florenz hatte Renzi diese Regel bei der Stadtregierung am Arno eingeführt, in Rom wussten die Männer also, dass die Posten für sie knapp werden würden. Nun hat auch Italien eine weibliche Verteidigungsministerin namens Roberta Pinotti und eine 33-jährige Reformministerin - Maria Elena Boschi.

Es ist auch die jüngste Regierung in Italiens Geschichte. Das Durchschnittsalter beträgt 47 Jahre. Spötter nennen sie schon die "Baby-Regierung" - den Kindergarten an der Macht. Für die "Gerontocrazia", die Herrschaft der alten Leute, wie die Italiener ihre Politikerkaste auch gern bezeichnen, ist das ein formidabler Rekord. Der Wirbelwind Renzi hatte es versprochen: "Wenige Minister, die Hälfte Frauen, und ab sofort jeden Monat eine Reform Italiens."

Die Versprechen sind hoch

Das neue Kabinett besteht zu gleichen Teilen aus Männern und Frauen - ein echtes Novum in Italien.

Das neue Kabinett besteht zu gleichen Teilen aus Männern und Frauen - ein echtes Novum in Italien.

(Foto: AP)

Der zweite Teil seines Versprechens, das wird schon schwieriger. Es beginnt schon mit der Vertrauensabstimmung im Parlament. Die schlimmsten Gegner hat Matteo Renzi im eigenen Hause. Seine eigene Partei, die Partito Democratico, ist 2007 aus dem Zusammenschluss eines Teils der ehemaligen Christdemokraten mit der gemäßigten Mehrheit der früheren Kommunisten hervor gegangen.

Bis zur Wahl Renzis als Parteisekretär im Dezember, als in einer Urwahl zwei Drittel der 2,9 Millionen Teilnehmer für ihn stimmten, waren es die ehemaligen Kommunisten, die den Ton bei den Demokraten angaben. Mit Renzi ist diese Vorherrschaft beendet, der Parteiapparat aber ist immer noch großteils in den Händen der Ex-Kommunisten. Schon kündigte eine Gruppe um den linksgerichteten PD-Abgeordneten Pippo Civati an, Renzi das Vertrauen nicht auszusprechen. Ein paar wenige Stimmen könnten im Senat ausreichen, die Regierung Renzi im Kindbett zu ersticken, sie gar nicht an die Macht kommen zu lassen.

Jeden Monat eine Reform. Das ist die wahre Herausforderung für die Regierung Renzi. Zweierlei Reformen muss Renzi umsetzen. Da ist zum Einen die Reform des Wahlrechtes. Das Oberste Verfassungsgericht hatte das alte Wahlrecht, noch von Berlusconi 2005 verabschiedet, für nicht verfassungskonform erklärt, weil es die Direktwahl eines Abgeordneten nicht zuließ. Stattdessen gab es eine nationale Liste - im Grunde genommen wie im Faschismus - sowie eine Mehrheitsprämie, die unverhältnismäßig hoch ist.

Renzi plädiert für neues Wahlrecht

Mit Silvio Berlusconi hatte Renzi gleich nach Weihnachten den Kompromiss für ein neues Wahlrecht ausgehandelt, welches kleine Direktwahlkreise mit wenigen Listenkandidaten vorsieht, dazu eine hohe Prozentschwelle, um die Miniparteien fernzuhalten, sowie eine Mehrheitsprämie für Parteien, die mindestens 37 Prozent der Stimmen bekommen. Falls es keine schafft, dann sollten die beiden Erstplazierten in die Stichwahl gehen. Ein Wahlrecht, welches dem Lande noch am Abend der Wahlen einen sicheren Sieger bescheren würde.

Dazu käme die Abschaffung des zweiten Parlamentshauses in Italien, des Senates, der zu einem Bundesrat nach deutschem Muster umgebaut werden soll. Eine Reform, die die Kosten der italienischen Politik drastisch reduzieren würde. Die Anzahl der Parlamentarier sollte so von 945 auf 630 sinken. Mit der eigenen Mehrheit kann Renzi das aber nicht umsetzen, für die Verfassungsänderung der Abschaffung des Senates braucht er Berlusconis Stimmen. Die andere Oppositionspartei der Bewegung 5 Sterne hat es abgelehnt, mit Renzi zusammenzuarbeiten.

Die Reform des Wahlrechtes im Laufe dieses Jahres - das scheint möglich. Unendlich viel schwieriger aber ist die eigentliche Reform, die Renzi den Italienern verspricht: Endlich wieder neue Arbeitsplätze in Italien zu schaffen. Im Land ist die Beschäftigungsquote um 15 Prozent niedriger als in Deutschland, neue Arbeitsplätze werden kaum noch geschaffen. Das Kernproblem: Der vollkommen versteinerte Arbeitsmarkt. Wer einen festen Job hat, ist rundum geschützt. Das aber sind nur 7 Millionen Arbeitnehmer. Alle andere 13 Millionen sind es nicht.

Die größte Absurdität des italienischen Steuersystems ist die Lohnsummensteuer IRAP: Die rund 40 Milliarden Euro dieser Steuer finanzieren vor allem das Gesundheitswesen Italiens, welches aber selbst ein Schwarzes Loch der italienischen Staatsfinanzen ist. Die Gesundheitsministerin Beatrice Lorenzin, sie wurde im Amt bestätigt, schätzte unlängst, dass man im Gesundheitswesen problemlos und ohne die Leistungen einzuschränken 20 Milliarden Euro einsparen könnte, wenn man nur Korruption und Misswirtschaft beenden würde. Ein Beispiel für das, was die Ministerin meinte, lieferte die Region Apulien, wo man für einen Liter Desinfektionsmittel, welches man in der Region Venezien für 60 Euro einkauft, in Bari 1600 Euro bezahlt.

Widerstand ist vorprogrammiert

Die Regierung Renzi wird auf allergrößten Widerstand stoßen, wenn sie wirklich die Eiterbeulen der Verschwendung im Staatsapparat anstechen will. Noch ein Beispiel gefällig? In der Provinz von Verona und der von Salerno leben gleichviel Menschen, etwa eine Viertelmillion. In den Krankenhäusern und der Verwaltung von Verona aber sind 2500 Menschen beschäftigt, in Salerno zehnmal so viele. Hier einzusparen, heißt auch, den Kampf mit Gewerkschaften, mit lokalen Parteifürsten aufnehmen und gewinnen.

Nicht weniger Widerstand darf sich die römische Troika der Wirtschaftsminister bei der Reform des Arbeitsmarktes erwarten. Troika deswegen, weil sie inhaltlich alle auf der europäischen Linie liegen. Der neue Wirtschaftsminister, Pier Carlo Padoan, ist ein ehemaliger Direktor der OECD - einer der seit Jahren predigt: Runter mit den Steuern auf die Arbeit. Italien besteuert die Löhne circa 15 Prozent höher als Deutschland bei einer Produktivität (Lohnstückkosten), die um 30 Prozent niedriger liegt.

Stattdessen müsse das Gewicht der Besteuerung auf die unproduktive Seite der Vermögen gelegt werden. Das wäre nun direkt gesagt das reine Gegenteil der von der Regierung Letta unter Druck Berlusconis verfolgten Politik der Freistellung von Vermögenswerten, wie die Abschaffung der Grundsteuern auf Erstwohnsitze, und ginge in Richtung einer allgemeinen Vermögenssteuer, wie sie auch Bundesbankpräsident Weidmann schon empfohlen hat.

Demokraten brauchen Unterstützer

Eine solche Richtungsänderung aber dürfte Renzi Probleme in der Koalition einbringen, denn sein wichtigster Verbündeter ist der ehemalige Vize Berlusconis, Angelino Alfano. Renzi kann sich allerdings bei der Reform des Arbeitsmarktes - mehr Flexibilität der Arbeitsverträge, keine Unkündbarkeit mehr für Neueinstellungen - auf zwei Schwergewichte in seiner Regierung stützen. Da ist zum Einen die ehemalige Präsidentin der italienischen Jungunternehmer von Confindustria, Federica Guidi, und dann ist da der frühere Chef der mächtigen roten Genossenschaftsverbände, Giuliano Poletti, ein ehemaliger Kommunist, dessen Kooperativen aber zusammen mit dem Unternehmerverband für eine Liberalisierung des Arbeitsmarktes kämpfen.

Die Erwartungen in Italien sind groß. "Das ist unsere letzte Chance", sagte Renzi selber. Aber selbstbewusst, wie er ist, fügte er hinzu. "Wir werden es nicht versemmeln. Sonst gehen wir unter: O la va, o la spacca."

Quelle: ntv.de

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