Stasi-Vorwürfe in Ungarn Medgyessy gesteht
19.06.2002, 11:01 UhrSeine politische Vergangenheit holt den sozialistischen Regierungschef Ungarns, Peter Medgyessy, ein. Er gab vor dem Parlament in Budapest zu, als Offizier der Spionageabwehr gearbeitet zu haben.
Zwischen 1977 und 1982 habe er als leitender Beamter im Finanzministerium ungarische Staatsgeheimnisse gegen fremde Nachrichtendienste geschützt. Insbesondere habe er an der Vorbereitung des 1982 erfolgten Beitritts Ungarns zum Internationalen Währungsfonds mitgewirkt. Dieser war zu einem früheren Zeitpunkt schon einmal von der damaligen Sowjetunion sabotiert worden. Das verspätete Eingeständnis erklärte Medgyessy damit, dass er sich erst von Innenministerin Monika Lamperth von der Geheimhaltungspflicht entbinden lassen musste.
Der erst seit drei Wochen amtierende Premier bemühte sich mit seiner Erklärung, eine politische Krise zu vermeiden und reagierte auf Medienberichte und Vorwürfe der Opposition, er habe für den Staat spioniert. Die Krise war durch einen Bericht der konservativen Zeitung "Magyar Nemzet " ausgelöst worden.
Daraufhin entzogen die Freidemokraten (SZDSZ), die als Koalitionspartner der Sozialisten (MSZP) seit Mai mitregieren auf einer Fraktionssitzung Medgyessy das Vertrauen. Konsultationen auf höchster Ebene zwischen beiden Regierungsparteien sollen aber heute fortgesetzt werden.
Medgyessy hat mit Rücktritt gedroht, sollte er nicht das Vertrauen seiner Sozialistischen Partei und der in der Koalition mitregierenden liberalen Freien Demokraten genießen. Die sozialistischen Abgeordneten sprachen Medgyessy am Dienstagabend einstimmig ihr Vertrauen aus. Medgyessy kündigte ein Gesetz an, durch das alle Geheimdienstakten von Politikern veröffentlicht werden sollen.
Die Sozialisten hatten die Parlamentswahlen im April gewonnen und die Regierung der Bürgerlichen Partei (Fidesz) unter dem damaligen Ministerpräsidenten Viktor Orban abgelöst.
Quelle: ntv.de