"Historische Herausforderung" Merkel: Euro wird nicht scheitern
07.09.2011, 12:22 UhrBundeskanzlerin Merkel schickt aus dem Bundestag ein Signal an Europa und alle, die gegen die Gemeinschaftswährung spekulieren. Der Euro dürfe und werde nicht scheitern, sagt sie während der Generaldebatte. Und sie verteidigt ihren Krisen-Kurs gegen die schwelenden Vorwürfe, er sei nicht konsequent genug.

Merkel trug bei der Debatte im Bundestag schwarz. Am vergangenen Freitag war ihr Vater gestorben.
(Foto: dapd)
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat vor dem Scheitern der europäischen Gemeinschaftswährung und den daraus resultierenden Folgen gewarnt. "Der Euro darf nicht scheitern und er wird nicht scheitern", sagte Merkel in der Generaldebatte im Deutschen Bundestag. Länder mit einer gemeinsamen Währung führten erfahrungsgemäß keine Kriege gegeneinander. "Deswegen ist der Euro viel viel mehr als nur eine Währung", sagte die Kanzlerin. Der Euro sei der Garant eines einigen Europas. "Scheitert der Euro, scheitert Europa", warnte Merkel.
Europa befinde sich in der gegenwärtigen Schuldenkrise vor Herausforderungen, "die man getrost historisch" nennen könne. Wenn sie auf der einen Seite von einer der schwersten Krisen Europas spreche und auf der anderen Seite "von unserem unbedingten deutschen Interesse an einem starken Europa", dann ergebe sich daraus die zentrale Aufgabe dieser Legislaturperiode. "So wie Deutschland stärker aus der Krise hervorgegangen ist, muss jetzt auch Europa stärker aus der Krise herauskommen als es hineingekommen ist", sagte Merkel. Das Hauptproblem bestehe in der hohen Verschuldung einzelner Länder.
Die Weltwirtschaft sei wie ein fein gesponnenes Netz, das unterstreiche die aktuelle Lage. "Wenn man irgendwo einen Faden kappt, kann das das ganze Netz zum Einsturz bringen." Den Gegnern der Euro-Rettungsschirme rief Merkel zu, dass aktuell keine theoretische Diskussion am Reißbrett geführt werde. Dies zeige auch der Schritt der Schweiz, die sich mit der stärkeren Orientierung am Euro in das globale Gefüge einfüge.
Die Bundesregierung müsse jeden Schritt kontrolliert gehen - ständig neue Ideen, wie gemeinsame Staatsanleihen der Euro-Länder, seien da nicht hilfreich. "Eurobonds sind der Weg in die Schuldenunion." Es sei von zentraler Bedeutung, auch den deutschen Haushalt zu konsolidieren. "Es ist richtig und gut, dass wir die Schuldengrenze einhalten", sagte Merkel mit Blick auf eine angepeilte niedrige Neuverschuldung. 2012 soll sie im Bund unter 30 Milliarden Euro gehalten werden. "Aber wir dürfen uns auch nicht in die Tasche lügen." Mit 83 Prozent Gesamtverschuldung gemessen am Bruttoinlandsprodukt (BIP) sei es noch ein weiter Weg, um die Kriterien des Maastricht-Vertrags zu erreichen. Dieser sieht für die Euro-Staaten eine Verschuldungsgrenze von 60 Prozent des BIP vor.
"Das ist der Weg"
Merkel begrüßte das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zu den Euro-Hilfen und sieht sich in ihrem Kurs gestärkt. Die bisherige Politik sei von Karlsruhe "absolut bestätigt" worden. Das Gericht habe gesagt: Eigenverantwortung und Solidarität in einer transparenten, durchschaubaren Art und Weise, natürlich mit absoluter Mitbestimmung des Parlament. "Das ist genau der Weg, den wir gegangen sind", sagte Merkel, auch wenn dieser kompliziert sei.
Änderungen in den EU-Verträgen dürften kein Tabu mehr sein, betonte Merkel. Es zeige sich in bisher nicht gekannter Deutlichkeit, dass schon die Probleme eines Landes wie Griechenland, dass 2 Prozent der Wirtschaftskraft der Euro-Zone ausmache, die ganze Währung in Gefahr bringen können. Im EU-Vertrag von Lissabon gebe es bisher keinen Mechanismus, wie mit solchen Krisen umzugehen sind. Der eingeschlagene Rettungsweg sei nicht ohne Risiko, sagte Merkel. Jetzt sei ein Mehr an Europa als Antwort notwendig.
"Druck wird groß"

Gabriel vertraut der Kanzlerin nicht - nicht sonderlich überraschend.
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SPD-Chef Sigmar Gabriel rechnet bei der Bundestagsabstimmung zum erweiterten Euro-Rettungsschirm derweil mit einer eigenen schwarz-gelben Mehrheit. "Am Ende wird der Druck innerhalb der Union und der FDP so groß werden, dass Frau Merkel eine eigene Mehrheit bekommt", sagte er. Selbst wenn diese Mehrheit kurz vor der Abstimmung im Bundestag noch wacklig sein sollte, riet Gabriel Merkel davon ab, die Euro-Abstimmung mit der Vertrauensfrage zu verknüpfen: "Wenn sie die Vertrauensfrage stellen würde, könnten wir wegen der Person und ihrer Art der Arbeit nicht zustimmen." Merkels Regierungsarbeit sei in den vergangenen zwei Jahren "nicht besonders vertrauenswürdig" gewesen.
Die SPD wirft der schwarz-gelben Koalition Orientierungslosigkeit bei der Bewältigung der Euro-Krise vor. Die Bundesregierung finde sich in der veränderten Wirklichkeit nicht mehr zurecht, sagte SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier. "Sie irren von Raum zu Raum wie in einem schlechten Science-Fiction-Film, aber Sie finden die Rückkehr zur Realität nicht", sagte der SPD-Politiker an die Adresse von Merkel gerichtet.
Steinmeier hielt der schwarz-gelben Koalition vor, keine gemeinsame Linie in der Europapolitik zu haben. Die Regierung hinterlasse vielmehr "massenhaft Enttäuschung", sagte er. "Die Leute trauen Ihnen doch nichts mehr zu." Um voranzukommen, brauche Europa den Mut und die Ideen der früheren Bundeskanzler Helmut Schmidt und Helmut Kohl. "Dieser Regierung fehlt es an beidem." Steinmeier warf der Regierung zudem vor, die Banken bei der Bewältigung der Krise nicht genügend in die Pflicht zu nehmen. "Was mit dem Hotelprivileg begann, setzt sich mit der Schonung der Gläubiger fort", kritisierte er.
Wenn es Deutschland heute dennoch besser gehe als den meisten europäischen Nachbarn, "dann deshalb, weil wir lange vor anderen unsere Hausaufgaben gemacht haben", sagte der SPD-Politiker. "Sie ernten die Früchte dessen, was Sie nie gesät haben", sagte er mit Blick auf die frühere Regierungspolitik der SPD.
Linken-Fraktionschef Gregor Gysi war der Regierung Versagen bei der Regulierung der internationalen Finanzmärkte vor. "Wir haben es mit einer Diktatur der Finanzmärkte zu tun", sagte Gysi. "Es sind die Finanzmärkte, die den Kapitalismus von innen heraus zerstören", doch die Regierung habe "nicht die Kraft, etwas dagegen zu tun".
Quelle: ntv.de, dpa/DJ/rts/AFP