Politik

Gedenken oder Wahlkampf? Merkel besucht KZ - und danach das Bierzelt

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Das KZ Dachau war das Vorbild für den Ausbau des NS-Lagersystems.

(Foto: dpa)

Einen Monat vor der Bundestagswahl besucht Kanzlerin Merkel die KZ-Gedenkstätte Dachau - zwischen zwei Wahlkampfreden. Geschmacklos, wettern die Grünen. Lobenswert, sagt dagegen Charlotte Knobloch.

Der Zeitpunkt von Angela Merkels Besuch in der KZ-Gedenkstätte Dachau sorgt schon vorab für Konfliktstoff. Die Kanzlerin wird am Abend in dem ehemaligen Konzentrationslager erwartet - in einem kurzen Zeitfenster zwischen zwei Wahlkampfauftritten in Erlangen bei Nürnberg und der Stadt Dachau bei München.

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Künast findet die Termine im Zusammenhang unpassend.

(Foto: dpa)

"Wer es ernst mit dem Gedenken an einem solchen Ort des Grauens meint, der macht einen solchen Besuch garantiert nicht im Wahlkampf", sagte die Fraktionschefin der Grünen im Bundestag, Renate Künast. Sie nannte es eine "geschmacklose und unmögliche Kombination", dass Merkel direkt nach ihrem KZ-Besuch eine Wahlkampfrede halten will. Die Kanzlerin dürfe "nicht den Eindruck erwecken, der Besuch in Dachau und das Gespräch mit Überlebenden sei bestimmt durch den eine Viertelstunde später stattfindenden Auftritt im CSU-Bierzelt", sagte Künast. "Wir müssen zur Verantwortung vor unserer Geschichte stehen - auch im Wahlkampf."

Die Vorsitzende der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern, Charlotte Knobloch, verteidigte Merkel dagegen: Es sei "lobenswert, dass die Kanzlerin die Gelegenheit ihres Besuchs in der Region wahrnimmt, um die Gedenkstätte des ehemaligen Konzentrationslagers zu besuchen", sagte sie. "Wir befinden uns im Wahlkampf. Jeder Politiker hat das Recht, sich und seine politischen Ziele und Visionen wo auch immer öffentlich zu präsentieren", sagte Knobloch, die früher auch Vorsitzende des Zentralrats der Juden in Deutschland war.

Der Zentralrat der Juden in Deutschland stärkte Merkel ebenfalls den Rücken. "Mit Frau Merkel besucht immerhin erstmals ein deutscher Kanzler die KZ-Gedenkstätte in Dachau", sagte der Zentralratsvorsitzende Dieter Graumann "Spiegel Online". "Die Kanzlerin setzt damit so auch das Zeichen, dass das Grauen eben nicht nur im Osten, sondern mitten unter uns in Deutschland stattgefunden hat. Es ist daher gut, dass sie dort hingeht."

Er werde auf jeden Fall der letzte Mensch im Land sein, der einen Besuch der Kanzlerin in Dachau kritisiert, sagte Graumann. "Was ihren anschließenden Auftritt in einem CSU-Bierzelt angeht - ich bin auch in diesem Fall dagegen, dass wir uns jetzt in eine Meckerecke stellen. Denn wenn die Kanzlerin nur den Wahlkampfauftritt in Dachau wahrgenommen hätte, hätte man sie wiederum dafür kritisieren können, dass sie nicht die KZ-Gedenkstätte besucht hat."

Sie ist die erste

Vor Merkel hat noch kein amtierender deutscher Regierungschef das frühere Konzentrationslager in der Nähe von München besucht. Die Kanzlerin war im vergangenen Herbst vom Holocaust-Überlebenden Max Mannheimer eingeladen worden. Mannheimer will Merkel an der Gedenkstätte begrüßen. Am Internationalen Mahnmal will sie einen Kranz niederlegen, im Anschluss sind die Besichtigung des Museums und ein Treffen mit Überlebenden geplant.

In ihrem wöchentlichen Video-Podcast hatte Merkel am Wochenende betont, sie sei sehr berührt, dass Mannheimer sie eingeladen habe. Sie reise mit einem "Gefühl der Scham und der Betroffenheit" nach Dachau. "Denn das, was in den Konzentrationslagern vor sich ging, ist und bleibt unfassbar." Sie wisse, "dass das ein nicht einfacher Termin ist".

Das KZ diente den Nationalsozialisten als Modell für alle späteren Konzentrationslager. In den zwölf Jahren seines Bestehens wurden dort und in zahlreichen Außenlagern mehr als 200.000 Menschen aus ganz Europa gefangen gehalten. Mehr als 43.000 Häftlinge wurden ermordet.

Quelle: ntv.de, jmü/dpa

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