Geduld bis zum 8. Dezember? Merkel drängt und schweigt
30.11.2011, 20:57 Uhr
Die ganze Welt fragt mittlerweile: Was will Merkel?
(Foto: dapd)
Kanzlerin Merkel fordert schnelle Entscheidungen und zugleich Geduld. SPD-Fraktionschef Steinmeier sagt, Unehrlichkeit sei zu Merkels Markenzeichen geworden. Ex-Finanzminister Steinbrück glaubt nicht, dass Eurobonds kommen werden. Eher werde Merkel die EZB zum Staatsfinanzierer machen, dann aber ihre Hände in Unschuld waschen.
Bundeskanzlerin Angela Merkel hat schnelle Entscheidungen für mehr Stabilität in der Euro-Zone gefordert, will aber noch nichts zu den dazu angekündigten deutsch-französischen Vorschlägen sagen. Damit müsse man sich bis zum EU-Gipfel am 8. und 9. Dezember gedulden, sagte sie vor einem Treffen mit dem norwegischen Regierungschef Jens Stoltenberg im Gästehaus der Regierung, Schloss Meseberg.
Es gelte jedenfalls, angesichts von 60 Verstößen gegen den Stabilitätspakt Sicherungsmechanismen einzubeziehen, um den Euro abzuschirmen, sagte Merkel. Zudem hoffe sie, dass sich die europäischen Banken ausreichend rekapitalisieren und die Hilfen für Griechenland eine Stabilisierung bringen. Griechenland hatte am Vortag weitere acht Milliarden Euro zugesichert bekommen.
Frankreichs Staatspräsident Nicolas Sarkozy will am Donnerstag in Toulon eine Grundsatzrede zur Zukunft der EU halten, Merkel folgt am Freitag mit einer Regierungserklärung im Bundestag. Erwartet wird, dass beide Politiker Details zur geplanten Änderung der EU-Verträge nennen, gegen die es in der EU erhebliche Widerstände gibt.
Merkel will Märkten Ergebnisse zeigen
Die Kanzlerin sprach von einer schwierigen Situation, die schnelle Entscheidungen und weniger Ankündigungen erfordere. Es gehe jetzt vor allem darum, den Märkten Ergebnisse zu zeigen.
Stoltenberg sagte, auch wenn sein Land weder der EU noch der Euro-Zone angehöre, so seien die Entscheidungen in der Union doch für sein Land von eminenter ökonomischer Bedeutung. Sowohl Merkel als auch Stoltenberg machten deutlich, dass beide Länder ihre Zusammenarbeit im Energiesektor vertiefen wollen. Norwegen ist einer der wichtigsten Gaslieferanten für Deutschland.
Vertragsänderungen nur für die Euro-Länder
Merkel forderte die Europäer auf, politischen Mut aufzubringen, damit die Euro-Zone enger zusammenrückt. "Deshalb wollen wir begrenzte Vertragsänderungen ... nur für die Euro-Mitglieder, damit wir das Vertrauen der Märkte wiedergewinnen", sagte sie. Es gelte, auf diesem Wege mehr Verbindlichkeit bei der Einhaltung der Stabilitätsregeln zu erreichen. Deutschland trete "mit aller Entschiedenheit dafür ein, dass die Euro-Zone wieder stabil wird", sagte sie.
Merkel sprach Stoltenberg noch einmal persönlich ihre Anteilnahme angesichts der Anschläge des mutmaßlichen Massenmörders Anders Behring Breivik aus, dem im Juli 77 Menschen in dem skandinavischen Land zum Opfer gefallen waren. Zugleich äußerte sie Hochachtung dafür, wie das norwegische Volk mit dieser Tragödie umgegangen ist. Stoltenberg dankte Merkel und dem deutschen Volk für die große Anteilnahme, die Wärme und die Solidarität, mit der es auf diese schrecklichen Ereignisse in seinem Land reagiert habe. Am Sonntag spricht Stoltenberg, der auch Vorsitzender der norwegischen Arbeiterpartei ist, auf dem SPD-Parteitag in Berlin.
"Unehrlichkeit ist Merkels Markenzeichen"

Peer Steinbrueck und die Schauspielerin Iris Berben in einem Berliner Kinosaal. Steinbrück präsentierte in der Reihe "Mein Film" den Streifen "The Deer Hunter".
(Foto: dapd)
Bei einer SPD-Veranstaltung in Berlin attackierte SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier Merkel für ihren Kurs in der Schuldenkrise. "Es gibt eine am Abgrund lavierende Kanzlerin, bei der in Europa-Fragen Unehrlichkeit inzwischen zum Markenzeichen geworden ist", sagte Steinmeier. Der frühere Finanzminister Peer Steinbrück sagte auf derselben Veranstaltung, er befürchte, dass die Eskalation in der Verschuldenskrise weitergehe: "So lange die Märkte die finale politische Lösung nicht bekommen, testen sie weiter."
Steinmeier warf Merkel vor, alle drei Monate eine neue Politik auszugeben. "Je vehementer Merkel etwas bestreitet, desto sicherer ist man, das etwas kommt", sagte er. Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) nehme er zwar dessen Sorge um Europa ab: "Aber dieser Finanzminister ist eingezwängt in eine Chaos-Koalition."
Steinbrück rechnet nicht mit Eurobonds
Nach Steinbrücks Einschätzung wird Merkel ihre Absage an Eurobonds nicht aufgeben. Wenn die Kanzlerin beim EU-Gipfel Zugeständnisse hinsichtlich einer Budgetdisziplin verbunden mit Sanktionsmöglichkeiten erreiche, werde sie im Gegenzug eher Bereitschaft zeigen, mit Blick auf eine weitere Entwicklung der Europäischen Zentralbank als Staatsfinanzierer nachzugeben. Merkel könne dann argumentieren, sie habe das nicht gewollt, aber die EZB agiere unabhängig. "Deswegen glaube ich, dass am Ende der Straße nicht Eurobonds liegen", sagte Steinbrück.
Fraktionschef Steinmeier schloss aus, dass die SPD für Merkel ohne Neuwahlen als Koalitionspartner zur Verfügung stünde. "Das ist wirklich dummes Gerede", sagte Steinmeier. "So funktioniert Politik nicht." Wer auch immer sich vorstelle, dass die SPD als Ersatzspieler bereitstünde, wenn Merkels Koalitionspartner FDP die Luft ausgehe, irre sich. "Es kann Koalitionswechsel geben", sagte Steinmeier. "Aber diesen Koalitionswechsel wird es geben nach Wahlen. Vorher nicht."
Steinmeier sprach von einer "historischen Situation" in Europa. Es gehe um weit mehr als eine Schulden- und Finanzkrise. "Es ist die Krise der Handlungsfähigkeit von Staaten und letztlich eine Vertrauenskrise in die Demokratie überhaupt", warnte Steinmeier. "Wir sind in der tiefsten europäischen Krise."
Quelle: ntv.de, rts/dpa