"Haben es noch nicht geschafft" Merkel fürchtet Einheits-Müdigkeit
03.10.2011, 16:31 Uhr
Tausende Besucher des Deutschlandtages gehen in Bonn über die Wiese vor der Universität.
(Foto: dpa)
Hunderttausende nutzen das Deutschlandfest in Bonn zum Schlendern und Flanieren. Beim offiziellen Festakt appelliert Kanzlerin Merkel an die Bürger, die Einheit nicht als selbstverständlich anzusehen. Das Land müsse noch hart daran arbeiten, die noch bestehenden Unterschiede zwischen Ost und West zu überwinden.
Am 21. Jahrestag der Wiedervereinigung haben Spitzen von Politik und Gesellschaft zu weiterem Engagement für die deutsche Einheit und für den Zusammenhalt der Gesellschaft aufgerufen. Die Einheit sei "keine Selbstverständlichkeit", mahnte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) in Bonn am Rande des zentralen Festakts im ehemaligen Bundestagsplenarsaal. Sie müsse verteidigt werden, "damit es so bleibt in einem vereinten gemeinsamen Europa".
Merkel rief zugleich dazu auf, die Unterschiede, die es in den "Lebenswirklichkeiten" zwischen alten und neuen Bundesländern immer noch gebe, zu überwinden. "Wir sind weit vorangekommen, aber wir haben es noch nicht ganz geschafft."
Die nordrhein-westfälische Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) würdigte die Wiedervereinigung als "Sieg der Demokratie über die Diktatur". Die Erinnerung daran dürfe auch 21 Jahre später "nicht zu einer Routine werden, wir müssen sie lebendig halten", sagte die Bundesratspräsidentin beim Festakt. Für die Zukunft forderte Kraft mehr Bürgerbeteiligung "in Richtung Demokratie 2.0". "Was sich zum Teil als Wut auf 'die da oben' artikuliert, muss in einen konstruktiven Austausch gewandelt werden. Mut statt Wut!"
In Deutschland sei das "Projekt Einheit" besser und schneller vorangekommen als von vielen erwartet, resümierte Kraft. Immer mehr junge Menschen könnten mit den Kategorien West und Ost nichts mehr anfangen. Das zeige, "dass Deutschland wirklich zusammengewachsen ist".
700.000 Menschen auf den Beinen
Der Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Andreas Voßkuhle, warnte in seiner Festrede davor, die Mitte der Bevölkerung aus dem Blick zu verlieren. Ein gutes Bildungssystem brauche nicht nur Eliteuniversitäten und Eliteschulen. "Zehn leistungsfähige Krankenhäuser garantieren noch keine flächendeckende gesundheitliche Versorgung auf höchstem Niveau, drei erfolgreiche Großkonzerne keine nachhaltige gesamtwirtschaftliche Entwicklung und ein paar international anerkannte Bühnen und Orchester noch keine Kultur."
Der Kölner Erzbischof Joachim Meisner hatte bereits vor dem Festakt gemahnt, die Errungenschaften der Wiedervereinigung wachzuhalten. "Bleiben wir wachsam und wirksam", sagte der Kardinal am Morgen beim ökumenischen Festgottesdienst vor rund 1000 Ehrengästen in der Bonner Kreuzkirche. "Helfen wir besonders der jüngeren Generation im Hinblick auf unsere Vergangenheit mit Schlagbäumen und Mauern, die uns nun geschenkte Freiheit zu schützen, zu bewahren, zu vertiefen."
In der früheren Bundeshauptstadt wurde der Einheitstag in diesem Jahr gleich drei Tage lang gefeiert - gemeinsam mit dem 65. Gründungstag Nordrhein-Westfalens. Schätzungsweise rund 700.000 Menschen - ungefähr das Doppelte der Einwohnerzahl Bonns - drängten sich bei schönstem Altweibersommerwetter an dem langen Wochenende über die Festmeile, auf der sich die Bundesländer, Bundesbehörden, das Land Nordrhein-Westfalen und die Stadt präsentierten. Bundespräsident Christian Wulff lud zu einem gut besuchten bunten Kinderfest in die Villa Hammerschmidt, seinen Bonner Dienstsitz.
Offenbar doch keine Terrorgefahr

Die Polizei zeigte Präsenz.
(Foto: dpa)
, die sich illegal Schusswaffen verschafft und eine "schwere staatsgefährdende Straftat" vorbereitet haben sollen: drei im Bonner Umkreis, einen im hessischen Offenbach. Bei Wohnungsdurchsuchungen wurden nach Polizeiangaben aber keine Waffen oder gefährliche Gegenstände gefunden. Die vier Männer mussten wieder freigelassen werden. Verdachtsgründe, die eine Untersuchungshaft rechtfertigen würden, hätten nicht erhärtet werden können, teilte die Polizei mit. Um Mitternacht lief dann die zulässige Maximaldauer für eine Ingewahrsamnahme ab.
Die Männer sollen den Angaben zufolge aber unter Beobachtung bleiben. So werde sichergestellt, dass von ihnen bei den Feierlichkeiten zum Deutschlandfest in Bonn keine Gefahr ausgehe. Auch sollen die eingeleiteten polizeilichen und staatsanwaltlichen Ermittlungsverfahren gegen die vier Männer fortgeführt werden.
Quelle: ntv.de, dpa/rts/AFP