Regierung "gut in Tritt" Merkel lässt Kritik abprallen
04.02.2010, 22:28 UhrDie Opposition fällt nach dem Ende der Schonfrist für die neue Bundesregierung ein vernichtendes Urteil: SPD und Grüne werfen Union und FDP "Versagen auf der ganzen Linie" und "Geschenke für die Klientel" vor - die Regierung werde die vier Jahre nicht durchhalten. Die Kanzlerin lässt das nicht auf sich sitzen.

Augen zu und durch: Angela Merkel laviert sich durch die unruhigen Anfangstage ihrer Wunschkoalition.
(Foto: REUTERS)
Bundeskanzlerin Angela Merkel hat die schwarz-gelbe Koalition nach 100 Tagen im Amt gegen harsche Kritik verteidigt. "Ich glaube, das was notwendig war für Deutschland, haben wir gemacht", sagte Merkel im ZDF. Als Beispiel nannte sie die Verlängerung der Kurzarbeit. Die Koalition sei "gut in Tritt" gekommen. Die Opposition konstatierte dagegen einen Fehlstart. SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier sagte: "Das war Versagen auf der ganzen Linie." Auch Verbände und Manager fanden wenig Lob für Union und FDP. Die Bundesbürger bescheinigen Schwarz- Gelb eine schlechtere 100-Tage-Bilanz als der rot-grünen Regierung 1999.
"Ich kann mich nicht erinnern, dass eine Bundesregierung jemals so schlecht gestartet ist", sagte Steinmeier. Die ersten Monate der neuen Regierung seien voller Fehler und Pannen. "Diese Koalition wird scheitern." Es gebe keine Mitte, "keine Entscheidungskraft", und der Koalitionsvertrag lasse zu viele Probleme offen.
Die Fraktionschefin der Grünen im Bundestag, Renate Künast, warf der Regierung von Bundeskanzlerin Merkel vor, ziel- und konzeptionslos gestartet zu sein. "Besser als 'mangelhaft' kriegt sie von mir nicht", sagte Künast bei n-tv. Alle wichtigen Entscheidungen - ob Energiepolitik, Gesundheitspolitik oder Bildungspolitik - seien verschoben worden. "So wie sie heute agiert, wird sie nicht vier Jahre lang halten und das kann man diesem Land im Übrigen im wahrsten Sinne des Wortes auch nicht wünschen", sagte die Fraktionschefin.
Die Linksfraktion warf der Regierung wie auch die SPD Versagen vor. "Mich hat überrascht, wie diese angebliche Liebeshochzeit sich sehr schnell zu einer Problemehe entwickelt hat", sagte Linksfraktionsvize Gesine Lötzsch.
Weiter Unruhe in der Koalition

Hermann Gröhe gesteht die atmosphärischen Störungen ein.
(Foto: picture-alliance/ dpa)
Die Koalition wehrte sich, räumte aber Probleme ein. FDP-Chef Guido Westerwelle schrieb an Parteimitglieder: "Der Wind wird noch an Schärfe zunehmen." Bei einer Veranstaltung in Berlin räumte er am Abend "Anfangsschwierigkeiten" ein. CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe räumte bei n-tv ein: "Es ist wahr: Es wird zu viel unnütz gestritten." Wahr sei auch, dass mancher bei der FDP übertriebene Vorstellungen gehabt habe, was Entlastungsspielräume angehe. Aber gerade seien die Familien massiv entlastet worden und es habe die höchste Kindergelderhöhung seit langem gegeben. Zudem werde den Unternehmen geholfen, Jobs zu halten. "Wenn wir alle so reden, wie die Ergebnisse sind, steigt auch wieder die Stimmung", erklärte Gröhe.
Die Fraktionschefs Volker Kauder (CDU/CSU), Birgit Homburger (FDP) und CSU-Landesgruppenchef Hans-Peter Friedrich kündigten Schritte für mehr Wachstum an. "Bereits in den nächsten Monaten" seien weitere Maßnahmen geplant, schrieben sie in einer gemeinsamen Erklärung. Es gehe um Bürokratieabbau, das Elektroautoprogramm und Internetausbau. Trotz der Wirtschaftskrise sei der Anstieg der Arbeitslosigkeit so stark begrenzt worden wie in keinem anderen hoch entwickelten Land.
Zum 100-Tage-Termin ist der Zwist zwischen Union und FDP nicht vorbei. CSU-Chef Horst Seehofer sagte dem "Handelsblatt", er könne nur den Kopf über Kritik der FDP schütteln. Die FDP sei auch sein Wunschpartner. "Aber am 100. Tag erklären uns manche Liberale, was sie an ihren Unionspartnern auszusetzen haben."
Top-Manager enttäuscht
Kritik an der neuen Regierung kam auch von Wirtschaft und Verbänden: Top-Manager sind nach einer Umfrage im Auftrag des "Handelsblatts" und einer Unternehmensberatung mit dem Start von Schwarz-Gelb unzufrieden. Sie geben der Bundesregierung nach der Umfrage des Marktforschungsunternehmens Psephos unter mehr als 700 Spitzenmanagern auf einer Skala von eins (sehr gut) bis fünf (sehr schlecht) die Durchschnittsnote 3,2. Das sei die schlechteste Beurteilung einer Bundesregierung seit November 2006, als die Manager die damalige große Koalition mit 3,5 bewertet hätten.
Fünf große Umweltverbände warfen der Regierung "völliges Versagen" in der Umweltpolitik vor. Die Chance, den Klimawandel und die Finanzkrise gemeinsam zu bewältigen, sei vertan worden, sagte Naturschutzring-Präsident Weinzierl. Seine Organisation monierte in einer gemeinsamen Erklärung mit WWF, Greenpeace, BUND und NABU eine "spürbare Vernachlässigung" der Umweltpolitik.
Quelle: ntv.de, cba/dpa