Politik

Kuschelrunde im Kanzleramt Merkel lobt Gewerkschaften

Kanzlerin Merkel dankt den Gewerkschaften für ihre verantwortungsvolle Rolle in der Wirtschaftskrise. Sie hätten "viel Verantwortung in einer schweren Zeit" geschultert. DGB-Chef Sommer lobt derweil Merkel für ihre Zusage, den Kündigungsschutz nicht lockern zu wollen.

Trotz zunehmender positiver Konjunktursignale ist die Wirtschafts- und Finanzkrise nach Einschätzung von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) noch nicht zu Ende. Zwar habe man "die Talsohle eventuell erreicht", doch sei damit die Krise "noch nicht vorbei", sagte die Kanzlerin in Berlin bei einem Treffen mit dem Vorsitzenden des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB), Michael Sommer, und den Spitzen der acht Einzelgewerkschaften.

Merkel, Sommer (l) und die Gewerkschafter.

Merkel, Sommer (l) und die Gewerkschafter.

(Foto: AP)

Den Wachstumspfad müsse man jetzt gemeinsam gestalten, sagte Merkel und schloss die Gewerkschaften dabei ausdrücklich ein. Diese hätten sich bisher in der Krise verantwortungsvoll gezeigt. Mit Blick auf den G20-Gipfel im September im amerikanischen Pittsburgh kritisierte sie, einige Banken verhielten sich inzwischen wieder so, als habe es die Krise nicht gegeben.

Bereits vor dem Treffen hatte Merkel den Gewerkschaften für ihre Rolle im Kampf gegen die Auswirkungen der Wirtschaftskrise gedankt. Die Arbeitnehmerverbände seien "ein wesentlicher Teil der Erfolgsgeschichte" des Konjunkturprogramms der Regierung, sagte Merkel. Die Gewerkschaften hätten "viel Verantwortung in einer schweren Zeit" geschultert.

Kündigungsschutz wird nicht gelockert

Sommer zeigte sich nach dem Treffen zufrieden über die Zusage von Kanzlerin Angela Merkel (CDU), den Kündigungsschutz nicht lockern zu wollen. Es habe dazu die "klare Aussage" der Bundeskanzlerin gegeben: "Mit ihr nicht." Nicht weitergekommen sei man dagegen beim Thema flächendeckender gesetzlicher Mindestlöhne. Merkel sagte vor dem Treffen, bei der weiteren Bekämpfung der Krise setze sie "auf die Instrumente der Mitbestimmung" und auf die Gewerkschaften und Betriebsräte.

Die Forderung nach Verlängerung der geförderten Altersteilzeit sei nicht "auf große Resonanz gestoßen", sagte Sommer. Es habe keine neuen Versprechungen oder Verabredungen gegeben, es sei aber auch bei keinem Thema die Tür zugemacht worden. Mit der Forderung nach einem flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohn sei man zwar "nicht weiter gekommen", die Kanzlerin habe aber zugesagt, dass das Programm der branchenbezogenen Mindestlöhne weiter verfolgt werde.

Lohnverzicht wäre "kontraproduktiv"

Die Gewerkschaften hätten der Kanzlerin ihre Sorge über die Lage am Ausbildungsmarkt vorgetragen. Zu befürchten sei, dass zum neuen Ausbildungsjahr nicht genügend Lehrstellen bereit stünden und die Hälfte der Auszubildenden anschließend nicht übernommen werde. Merkel sagte nach Sommers Worten zu, es würden zusätzliche Anstrengungen über die Bundesagentur für Arbeit erwogen.

Der DGB-Chef betonte, die Gewerkschaften hätten angesichts der Wirtschaftskrise verantwortungsvolle Tarifabschlüsse in Aussicht gestellt. Ein Lohnverzicht wäre aber "kontraproduktiv". Mit Blick auf den Arbeitsmarkt sei man sich einig gewesen, dass es noch keine Entwarnung geben könne und eine weitere konjunkturelle Stützung notwendig sei. Merkel habe zwar kein drittes oder viertes Konjunkturprogramm in Aussicht gestellt, aber bekräftigt, es gebe kein Sparen gegen die Krise.

Bsirske fordert Politikwechsel

Bsirske will die "Raubtiere in Ketten legen".

Bsirske will die "Raubtiere in Ketten legen".

(Foto: picture-alliance/ dpa)

Der Vorsitzende der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi, Frank Bsirske, hat unterdessen angesichts der Wirtschafts- und Finanzkrise die Politik zu einem radikalen Umsteuern aufgefordert. "Das jetzige Wirtschaftsmodell ist spätestens mit der Krise an seine Grenzen gestoßen. Wir brauchen einen Politikwechsel, einen Wechsel im Wachstumsmodell", sagte Bsirske. Ein "weiter so" dürfe es nach der Bundestagswahl nicht geben. Er forderte weitere konjunkturstützende Maßnahmen, verbunden mit einem "sozial-ökologischen Umbau der Strukturen".

Kritisch setzte er sich mit den Finanzmärkten auseinander, wo Spekulation und "Kasinobetrieb" bereits wieder in vollem Gang seien. Es könne nicht Ziel der Politik sein, "das Kasino zu renovieren, die Verluste zu sozialisieren und anschließend den Spielern das Kasino zur Fortsetzung des Spielbetriebs zu übergeben. Das Kasino muss geschlossen werden", sagte Bsirske.

Der Verdi-Chef widersprach allerdings der Darstellung von Merkel, die den wirtschaftlichen Aufschwung und den Beschäftigungsaufbau in den Jahren 2006 bis 2008 als Erfolg preise. Es habe "viel mehr Leiharbeit, viel mehr Befristung, viel mehr Minijobs und viel mehr Armutslöhne" gegeben. "Das ist kein Modell, auf das man wieder zurückgreifen sollte." Bsirske sprach von einer "verfehlten Politik, die nicht mal im Aufschwung zu Lohnzuwachs geführt hat, sondern mit Reallohnverlust einhergegangen ist".

Quelle: ntv.de, dpa/AFP

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