Politik

Rückspiel gegen Hollande Merkel peilt ein 1:1 an

Beim G8-Gipfel wirkt Kanzlerin Merkel mit ihrer Spar-Rhetorik isoliert, beim anschließenden Nato-Gipfel ist es Frankreichs Präsident Hollande, der mit seinem Plan, die französischen Truppen vorzeitig aus Afghanistan zurückzuholen, gegen die Mehrheit steht. Dennoch will die Bundesregierung die Differenzen nicht überbewertet wissen.

Noch spielen sie gegeneinander: Hollande und Merkel.

Noch spielen sie gegeneinander: Hollande und Merkel.

(Foto: AP)

Wenn die Bundesregierung sichergehen will, dass eine Nachricht wirklich ankommt, kann sie auch schon einmal im Trio reden. So traten am Sonntag vor Beginn des Nato-Gipfels in Chicago erst Bundesaußenminister Guido Westerwelle, dann Bundeskanzlerin Angela Merkel und schließlich Verteidigungsminister Thomas de Maizière im Hotel "Blackstone" vor die Kameras. Die immer gleiche Botschaft war zwar freundlich, aber deutlich an die Adresse des engsten Partners Frankreich gerichtet, doch bitte nicht die Afghanistan-Politik der Nato zu unterlaufen. Denn das Treffen in Chicago ist in den komplizierten deutsch-französischen Beziehungen nach dem Präsidenten-Wechsel in Paris so etwas wie das Rückspiel für den G8-Gipfel in Camp David am Vortag. Der Spielstand soll am Montagabend am Ende der Beratungen 1:1 lauten.

Beim "Hinspiel" in Camp David hatte Frankreichs Staatschef Francois Hollande über einen auffallenden Schulterschluss mit seinem US-Kollegen Barack Obama den Eindruck zu erwecken versucht, Deutschland stehe mit dem Pochen auf eine solide Finanzpolitik allein. Zwar findet sich davon nichts in den G8-Schlussdokumenten, die vielmehr einen Gleichklang von allgemeiner Wachstumsförderung und Haushaltskonsolidierung feststellen. Aber kaum war Merkel nach Chicago zum nächsten Gipfel weitergereist, hämmerten Obama und Hollande in Pressekonferenzen nochmals ihre Wachstums-Rhetorik herunter. Vor allem in den amerikanischen Medien kam deshalb das Signal an, Merkel sei bei der Lösung der Schuldenkrise isoliert.

Merkel in Chicago die Musterschülerin

In Chicago ist die Ausgangslage genau anders herum. Hollande hat mit seinem Wahlkampfversprechen, die französischen Truppen aus Afghanistan einseitig statt 2014 schon 2012 abzuziehen, die Partner und auch Obama verärgert. Überdies will der Sozialist anders als Deutschland den Verteidigungsetat kürzen. Bundeskanzlerin Merkel wirkt dagegen wie eine Musterschülerin, weil sie schon vergangenen Mittwoch verkündet hat, dass Deutschland ab 2015 jährlich 150 Millionen Euro für die Finanzierung der afghanischen Sicherheitskräfte zur Verfügung stellen wird - und natürlich die Bundeswehr nicht früher abzieht.

Der offensichtliche Hinweis des Berliner Trios auf Frankreichs Sonderrolle wirkt ein wenig wie eine Retourkutsche. Schließlich hat Hollandes Truppe in den vergangenen Tagen aus allen Rohren geschossen und den Eindruck verbreitet, die europäische Agenda werde mit dem Amtsantritt ihres Chefs neu aufgerollt und Frankreich werde eben mal Eurobonds und eine neue politische Rolle der Europäischen Zentralbank durchsetzen. "Alle Beteiligten sollten so klug sein, bei dem zu bleiben, was beschlossen wurde", betont Bundesaußenminister Guido Westerwelle im Zusammenhang mit Afghanistan und Verteidigungsminister Thomas de Maizière findet diese Worte: "Wir haben in Afghanistan auch durch unser feste Haltung rund um frühere Abzugsgerüchte anderer Staaten und im Kosovo bewiesen, wie zuverlässig wir sind." Im Umkehrschluss heißt dies: Frankreich ist es nicht.

Bundesregierung gibt Hollande noch Zeit

Das mag so wirken, als ob mit Deutschland und Frankreich nun zwei Züge aufeinander zu rasen, die besser parallel fahren würden. In deutschen Regierungskreisen wiegelt man aber ab und will die Differenzen nicht überbewertet wissen. Denn die beiden Gipfeltreffen sind nur ein Vorspiel für die Debatten, die nach den französischen Parlamentswahlen Mitte Juni anstehen. "Bis dahin ist ein Abrücken Hollandes von seinen Wahlkampfversprechen kaum zu erwarten", heißt es. Merkel drückt dies in Chicago so aus: "Ich denke, dass wir da noch ein wenig warten müssen."

Dann bleiben der Kanzlerin und dem Präsidenten knapp zwei Wochen Zeit, um vor dem nächsten offiziellen EU-Gipfel am 28. Juni zumindest bei den Euro-Themen eine gemeinsame Position zu zimmern, die sowohl deutsche Konsolidierungswünsche als auch französische Forderungen nach stärkeren Wachstumsimpulsen widerspiegelt. Schon beim Treffen in Berlin war die nüchtern getroffene Verabredung der beiden, bis Juni alle Vorschläge und Ideen zunächst mal auf den Tisch zu packen.

Bis zur französischen Entscheidung am 17. Juni lautet die eigentliche Aufgabe deshalb nicht Einigung, sondern sich nicht so weit zu verkrachen, dass eine Abstimmung danach unmöglich wird. Nach dem als harmonisch beschriebenen ersten Abendessen im Kanzleramt vergangenen Dienstag versuchten Hollande und Merkel deshalb auch in Camp David trotz inhaltlicher Differenzen den G8-Partnern zu vermitteln, dass sie durchaus "miteinander können" - zumal sie sich in Auftreten und Stil näher sind als Vorgänger Nicolas Sarkozy und die Pastorentochter. In Chicago saßen Merkel und Hollande dann im Heer der teilnehmenden Staat- und Regierungschefs nebeneinander - fast schon wieder demonstrativ.

Quelle: ntv.de, Andreas Rinke, rts

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