Politik

Trauerrede für NS-Richter Merkel rügt Oettinger

Die CDU-Vorsitzende, Bundeskanzlerin Angela Merkel, hat Baden-Württembergs Ministerpräsidenten Günther Oettinger (CDU) wegen seiner Trauerrede für Hans Filbinger getadelt.

Sie habe mit Oettinger telefoniert und ihm gesagt, "dass ich mir gewünscht hätte, dass neben der Würdigung der großen Lebensleistung von Ministerpräsident Hans Filbinger auch die kritischen Fragen in Zusammenhang mit der Zeit des Nationalsozialismus zur Sprache gekommen wären". Das ließ Merkel in Berlin mitteilen. Sie hätte sich eine Differenzierung "insbesondere im Blick auf die Gefühle der Opfer und Betroffenen" gewünscht.

"Absolut leisetreterisch"

Der Schriftsteller Ralph Giordano forderte bei n-tv erneut den Rücktritt Oettingers von seinem Ministerpräsidentenposten. "Wenn ein Politiker auf diese freche Weise geschwindelt hat, gelogen hat, indem er diesen staatstreuen Filbinger zu einem Widerstandskämpfer erklärt, muss er zurücktreten. Man ist ja in diesem Deutschland viel gewohnt, in all den Jahren und Jahrzehnten. Aber dies ist etwas, da hat mir der Atem gestockt." Zur Kritik Merkels sagte Giordano: "Das, was ich da höre von der Kanzlerin, empfinde ich als absolut leisetreterisch, um es mal ganz vorsichtig zu sagen."

Bei der Trauerfeier für den am 1. April gestorbenen früheren CDU-Ministerpräsidenten Filbinger in Freiburg hatte Oettinger dem Amtsvorgänger bescheinigt, er sei "kein Nationalsozialist" gewesen, sondern "ein Gegner des NS-Regimes". Es gebe kein Urteil von Filbinger, "durch das ein Mensch sein Leben verloren hätte". Der Jurist habe sich als Marinerichter in der NS-Zeit den Zwängen beugen müssen.

"Filbinger war ein Mitmarschierer"

Dagegen betonte der Militärhistoriker Manfred Messerschmidt gegenüber n-tv.de, Filbinger habe durchaus eine Hinrichtung zu verantworten - allerdings nicht als Richter, sondern als Ankläger. Als solcher habe er "mindestens eine Hinrichtung zu verantworten". Filbinger "ein Mitmarschierer" gewesen. "Er war nicht einer der schlimmsten Militärrichter, da gab es viel schlimmere. Aber er hat mitgezogen, wo es von ihm erwartet wurde."

Oettinger als "Klarsteller und Befreier"

Der Stuttgarter Rabbiner Joel Berger warf Oettinger vor, die Verstrickung Filbingers in die Verbrechen des Nationalsozialismus bewusst zu verharmlosen. "Er muss verdammt gute Belege haben, wenn er öffentlich sagt, Filbinger sei ein Gegner des NS-Regimes gewesen", sagte Berger dem "Kölner Stadt-Anzeiger".

Dagegen nahm JU-Chef Steffen Bilger Oettinger in derselben Zeitung in Schutz. "Ich glaube, viele Anwesende haben es als befreiend empfunden, dass Oettinger einige Dinge mal klargestellt hat." Er sei "überrascht über diese Diskussion".

Quelle: ntv.de

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