Ende des Atomzanks Merkel ruft zu Koalitionsgipfel
02.09.2010, 18:32 Uhr
Blick in den offenen Reaktor im Kernkraftwerk Gundremmingen (Schwaben).
(Foto: dpa)
FDP und Union wollen, dass die deutschen Atommeiler länger laufen. Das ist aber auch schon die ganze Gemeinsamkeit in dieser Frage. Die zuständigen Minister Brüderle von der FDP und Röttgen von der CDU streiten über das wie lange und vor allem über den Preis für die Stromkonzerne. Nun hat die Kanzlerin den Hickhack satt.
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat für Sonntagnachmittag einen Koalitionsgipfel einberufen. Die Zusammenkunft soll den Streit um die Verlängerung der Laufzeit der Atomkraftwerke beenden, erfuhr die Deutsche Presse-Agentur aus Koalitionskreisen. An dem Treffen werden neben CDU-Chefin Merkel die zwei Parteichefs von FDP und CSU, Guido Westerwelle und Horst Seehofer, teilnehmen. Auch die Fraktionsvorsitzenden der Koalition sowie die zuständigen Fachminister werden dabei sein.
Ziel sei es, eine abschließende Klärung der längeren Laufzeiten für die Atomkraftwerke und die Zusatzzahlung der Stromkonzerne zu erreichen, hieß es. Im Gespräch ist ein Zeitraum von 10 bis 15 Jahren. Die Bundesregierung will am 28. September ihr Energiekonzept vorstellen, in dem auch die Frage der Atomlaufzeiten geklärt werden soll.
CSU für deutlich mehr als zehn Jahre
FDP und Union debattieren seit Wochen um die Verlängerung. Mehrere CSU-Politiker bekräftigten die Forderung nach einer Laufzeitverlängerung von zehn bis 15 Jahren, für die sich indirekt auch Merkel ausgesprochen hatte. CSU-Landesgruppenchef Hans-Peter Friedrich sagte in seinem fränkischen Wahlkreis, die CSU gehe davon aus, dass eine Laufzeitverlängerung von "deutlich über" zehn Jahre beschlossen werde. Es könne dabei durchaus unterschiedliche Laufzeiten für die verschiedenen Atomkraftwerke geben. Erste Entscheidungen soll es seinen Angaben zufolge in den nächsten Tagen geben.
Der bayerische Umweltminister Markus Söder (CSU) brachte eine unterschiedliche Behandlung älterer und neuerer Reaktoren ins Gespräch. Denkbar sei, die Laufzeiten für ältere Reaktoren um zehn, von jüngeren hingegen um 15 Jahre zu verlängern, sagte Söder der "Süddeutschen Zeitung".
Konzerne sollen zahlen
In der FDP wurde Widerstand gegen die bisherigen Pläne zur Beteiligung des Staats an Gewinnen der Atomindustrie aus einer Laufzeitverlängerung laut. Der Umweltkoordinator der FDP-Fraktion, Michael Kauch, sagte der "Financial Times Deutschland", über die geplante Brennelementesteuer hinaus müsse es "weitere Zahlungen der Konzerne zur Förderung von erneuerbaren Energien geben". Merkel hatte zuletzt deutlich gemacht, dass sie anstelle einer zweiten Abgabe Zusagen der Energieversorger für Investitionen in erneuerbare Energien befürworte.
Vier oder zwanzig Jahre?
Die Bundesregierung hatte am Montag das Energiegutachten vorgestellt, in dem drei Institute verschiedene Szenarien für Laufzeitverlängerungen der deutschen Akws von vier, zwölf, 20 und 28 Jahren berechnet hatten. Wirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP) und Umweltminister Norbert Röttgen (CDU) hatten daraus aber unterschiedliche Schlussfolgerungen gezogen: Während Brüderle eher für eine Laufzeitverlängerung von bis zu 20 Jahren plädierte, ließ Röttgen seine Präferenz für deutlich kürzere Laufzeiten erkennen.
Der WWF erklärte dazu, die Ergebnisse des Gutachtens könnten nicht belegen, dass eine Laufzeitverlängerung unter den Gesichtspunkten von Wirtschaftswachstum, Strompreisen, Arbeitsplatz- und Klimaschutzeffekte positiv sei. Von den von Merkel erwogenenen zehn bis 15 Jahren Laufzeitverlängerung sei in dem Gutachten nirgendwo die Rede, sagte WWF-Experte Felix Matthes.
Vorwurf der Manipulation
Das Bundesumweltministerium sieht nach Informationen der "Süddeutschen Zeitung" sogar haarsträubende Fehler in dem Gutachten. Eine interne Einschätzung des Ministeriums werfe den Autoren sogar Manipulation vor, schreibt die Zeitung.
So sollen die Kosten des Klimaschutzes für die privaten Haushalte mit fast 2000 Euro pro Jahr durch höhere Mieten und Verkehrskosten viel zu hoch angesetzt sein. Dem Umweltministerium zufolge seien Extremfälle "offensichtlich bewusst ausgewählt worden", um "Klimaschutz und Umstrukturierung der Energieversorgung zu diskreditieren". Zudem hätten die Gutachter trotz anderslautenden Auftrags nur die Kosten und nicht die Nutzen einer ambitionierten Klimapolitik betrachtet. Wegen fragwürdiger Annahmen zur Strompreisbildung schnitten Szenarien mit langen Laufzeiten der Kernkraftwerke besser ab.
Quelle: ntv.de, dpa/AFP