Politik

Bessere Brückentechnologie Merkel setzt auf Gaskraftwerke

Bis zum kompletten Ausstieg aus der Atomenergie spricht sich Kanzlerin Merkel für den Bau neuer Gaskraftwerke aus. Diese seien schnell errichtet und flexibel, sagt sie. Zugleich warnt sie vor Protesten wegen Windrädern und schwankender Strompreise. Die SPD lehnt derweil eine Revisionsklausel beim Atomausstieg vehement ab.

Außenansicht der Energieableitung vom Gas- und Dampfkraftwerk (GuD) Lingen im Landkreis Emsland.

Außenansicht der Energieableitung vom Gas- und Dampfkraftwerk (GuD) Lingen im Landkreis Emsland.

(Foto: picture alliance / dpa)

Bundeskanzlerin Angela Merkel fordert angesichts des angestrebten schnelleren Ausstiegs aus der Atomkraft den Bau neuer Gaskraftwerke. "Wenn wir nun schneller aus der Kernenergie aussteigen, dann wird sich zeigen, dass wir Ersatzkraftwerke brauchen, nach meiner Meinung vornehmlich Gaskraftwerke", sagte Merkel der Wochenzeitung "Die Zeit".

Zwar träfen Unternehmen die Entscheidung, sagte Merkel mit Blick auf den bereits beschlossenen Bau einiger Kohlekraftwerke. Zugleich betonte sie aber die Vorteile des Energieträgers Gas. "Bei künftigen Festlegungen über Kraftwerksprojekte spricht vieles auch für Gas: Gaskraftwerke können am schnellsten gebaut werden, sie sind flexibel als Ergänzung erneuerbarer Energien einsetzbar, und Gaskraftwerke haben weniger CO2-Emissionen." Die deutschen Klimaschutzziele bis 2020 seien trotz der absehbar größeren Nutzung fossiler Energieträger weiter erreichbar. Die Probleme, den Ausstoß von Treibhausgasen möglichst weit zu drosseln, entstünden nach der Abschaltung der AKW in der Periode von 2020 bis 2040.

Die Ethikkommission hatte sich für einen Atomausstieg bis 2021 oder früher ausgesprochen. Das geht aus dem Entwurf für den Abschlussbericht hervor. Die sieben wegen des Moratoriums der Regierung bis Mitte Juni abgeschalteten Atomkraftwerke sollen demnach für immer vom Netz bleiben. Die vom Ex-Bundesumweltminister Klaus Töpfer und dem Präsidenten der Deutschen Forschungsgemeinschaft, Matthias Kleiner, geführte Kommission war von Merkel als Konsequenz aus der Reaktorkatastrophe im japanischen Fukushima eingesetzt worden. Der Abschlussbericht soll am 30. Mai der Regierung übergeben werden.

SPD lehnt Revisionsklausel ab

Kritik an dem Bericht kam aus der Opposition. Die Grünen reagierten zurückhaltend. "Erstmal wollen wir sehen, was auf den Tisch gelegt wird", sagte Fraktionsgeschäftsführer Volker Beck in Berlin. Noch liege seiner Partei nichts offiziell vor. Bereits Rot-Grün habe einen Atomausstieg zwischen 2020 und 2022 vorgesehen. "Wenn das Ergebnis stimmt, sind wir bereit, die Dinge mitzutragen."

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(Foto: dpa)

Die Linke-Fraktion hält angesichts überschüssiger Kraftwerkskapazitäten einen Atomausstieg bis 2014 für machbar. "Der Kraftwerkspark in Deutschland ist derart überdimensioniert, dass elf der 17 Atomkraftwerke in Deutschland sofort stillgelegt werden können - ohne die Versorgungssicherheit zu gefährden", heißt es in einem Papier. Die sechs übrigen sollen in den nächsten Jahren schrittweise stillgelegt werden. Als letzte der derzeit noch 17 deutschen AKW sollen laut dem Linke-Plan bis Ende 2014 die AKW Isar II und Emsland vom Netz genommen werden.

Die SPD wandte sich gegen Überlegungen in der CDU/CSU, Beschlüsse zum Atomausstieg unter den Vorbehalt einer späteren Überprüfung zu stellen. "Eine solche Revisionsklausel darf es nicht geben", sagte SPD-Parlamentsgeschäftsführer Thomas Oppermann. Dies wäre sonst ein Anreiz für AKW-Betreiber, darauf zu setzen, dass es wieder zu einer Verlängerung von Laufzeiten komme. Nur wenn der Atomausstieg "ohne Wenn und Aber" und "unumkehrbar" beschlossen werde, würden auch der Ausbau erneuerbarer Energien und der dafür benötigten Stromnetze vorankommen, sagte der SPD-Politiker.

Gorleben wird weiter erkundet

Merkel sprach sich zudem für die weitere Erkundung des geplanten Atommüllendlagers Gorleben aus. "Ich denke nicht, dass man jetzt überall parallel bohren sollte", sagte sie zu der Debatte, nun auch weitere Standorte in Deutschland untersuchen zu lassen. Erst am Montag hatte der CDU-Bundesvorstand einen Beschluss gefasst, in dem ausdrücklich die weitere Erkundung des Standortes Gorlebens betont wird.

Merkel warnt auch vor Protesten gegen Windräder.

Merkel warnt auch vor Protesten gegen Windräder.

(Foto: dpa)

Merkel fügte hinzu, dass sie nach der Atomkatastrophe von Fukushima den beschleunigten Ausstieg aus der Nuklearkraft nicht aus wahltaktischen Motiven beschlossen habe. Wahlkämpfe könnten politische Entscheidungen durchaus beschleunigen - aber sie habe nach Fukushima die "innere Überzeugung" gehabt, die Neuausrichtung der Energiepolitik deutlich zu beschleunigen. Es sei dabei noch nicht entschieden, ob es eine verbindliche Restlaufzeit für jedes Atomkraftwerk oder aber eine Reststrommenge an Kilowattstunden geben werde.

Zugleich warnte die CDU-Vorsitzende vor neuen gesellschaftlichen Abwehrdebatten wegen einer vermeintlichen Verschandelung der Landschaft durch neue Stromtrassen oder Windräder sowie gegen höhere Preise durch die Energiewende. Die Veränderung der Landschaft werde übertrieben und sei teilweise später auch korrigierbar. Man könne die Windräder etwa entlang der Autobahnen und der großen Verkehrstrassen bauen. Zudem seien für die Union bezahlbare Strompreise eine "zentrale Frage". Allerdings räumte sie Mehrkosten ein, die sich noch nicht beziffern ließen. Die Verbraucher seien an schwankende Preise etwa beim Öl gewöhnt. "Sie werden auch mit den Schwankungen beim Strompreis leben müssen, die sich aus veränderten Restlaufzeiten von Kernkraftwerken ergeben", sagte Merkel.

EnBW-Stromnetz soll verkauft werden

Baden-Württemberg ist Miteigentümer von EnBW.

Baden-Württemberg ist Miteigentümer von EnBW.

(Foto: dpa)

Der neue FDP-Fraktionschef Rainer Brüderle äußerte sich dagegen optimistisch, dass der Atomausstieg in Deutschland bis 2021 gelingen kann. "Das ist eine Frage der Machbarkeit. Ja, wir wollen noch schneller raus aus der Kernenergie, als wir im Energiekonzept abgesprochen haben", sagte der scheidende Wirtschaftsminister der ARD. Es handele sich um das ambitionierteste Konzept, das eine Regierung in der Welt vorhabe. "Wir werden es schneller schaffen." Die Energieversorgung müsse aber klimafreundlich, sicher und bezahlbar bleiben. Brüderle legte sich nicht auf eine Jahreszahl fest.

Baden-Württembergs künftiger Umweltminister Franz Untersteller von den Grünen brachte zur Finanzierung der erneuerbaren Energien einen Verkauf des EnBW-Stromnetzes ins Gespräch. Das Unternehmen werde "darüber nachdenken müssen, von welchen Unternehmensbeteiligungen man sich trennen kann, um mit den Erträgen dann die überfällige Energiewende zu stemmen und gleichzeitig die Ertragskraft nachhaltig zu steigern", sagte Untersteller der "Frankfurter Rundschau".

Denkbar sei ein Verkauf des Netzes, wie ihn die Konzerne Eon und Vattenfall bereits praktiziert haben. "Das wäre ohnehin sinnvoll, um den Wettbewerb zu fördern", sagte der Grünen-Politiker. Baden-Württemberg ist Miteigentümer der EnBW, seit die scheidende schwarz-gelbe Landesregierung ein 45-Prozent-Aktienpaket des französischen Staatskonzerns Electricite de France (EdF) an EnBW übernommen hat.

Quelle: ntv.de, dpa/rts/AFP

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