Politik

Geburtstagsfeier der Kanzlerin Merkel verrät ihr Erfolgsgeheimnis

"Es lässt sich nicht leugnen, ich bin 60 geworden heute", sagt Merkel. Rechts neben ihr der Ehemann, links der Gastredner.

"Es lässt sich nicht leugnen, ich bin 60 geworden heute", sagt Merkel. Rechts neben ihr der Ehemann, links der Gastredner.

(Foto: dpa)

SPD-Chef Gabriel outet sich als Merkel-Fan, CSU-Landesgruppenchefin Hasselfeldt macht Witze über Horst Seehofer, ein Historiker relativiert die Bedeutung Europas - willkommen auf der Geburtstagsfeier der Kanzlerin.

Ein bisschen ist es wie bei einem Ehemaligentreffen, hier, im Konrad-Adenauer-Haus der CDU. Der letzte DDR-Ministerpräsident, Lothar de Maiziére, unterhält sich mit Helmut Kohls früherem Kanzleramtsminister Friedrich Bohl. Ex-Finanzminister Theo Waigel spricht mit dem Liedermacher Wolf Biermann. Der aktuelle Kanzleramtschef Peter Altmaier plaudert mit seinem Vorgänger Ronald Pofalla, Ex-Bildungsministerin Annette Schavan begrüßt die frühere Bundestagspräsidentin Rita Süßmuth, Merkels Büroleiterin Beate Baumann umarmt Merkels Mutter. Dschinghis-Khan-Sänger Leslie Mandoki ist da, Bayerns früherer Ministerpräsident Edmund Stoiber, sogar Ex-Entwicklungsminister Dirk Niebel. Altbundespräsident Christian Wulff kommt als einer der letzten, am früheren niedersächsischen Ministerpräsidenten David MacAllister geht er vorbei und unterhält sich dann mit FDP-Chef Christian Lindner.

Angela Merkel begrüßt Christian Wulff.

Angela Merkel begrüßt Christian Wulff.

(Foto: REUTERS)

Die CDU feiert ihre Vorsitzende Angela Merkel, denn die wird heute 60 Jahre alt. Wobei "feiern" nicht ganz der richtige Ausdruck ist: Hier findet kein Staatsbankett statt, kein klassisches Konzert, kein pompöser Empfang. Hier spricht gleich ein Historiker über die "Zeithorizonte der Geschichte".

Merkel strahlt, sie ist offenbar blendend gelaunt. Vermutlich ist sie eine der wenigen im Saal, die sich ehrlich auf den Vortrag des Konstanzer Historikers Jürgen Osterhammel freut. Sie hat ihn sich schließlich gewünscht. Laut Einladung ist Osterhammel, nicht Merkel, die Hauptperson des Abends. Wer die Einladung aufmerksam gelesen habe, der wisse, dass es einen weiteren Anlass für die Veranstaltung gebe, witzelt CDU-Generalsekretär Peter Tauber: Merkels Geburtstag eben. Anders als vor zehn Jahren genießt das Understatement der Vorsitzenden mittlerweile Kultcharakter in der CDU.

Vor zehn Jahren war Merkel zwar schon Parteivorsitzende, aber noch nicht Kanzlerin. Bei der Planung für die Feier zu ihrem 50. Geburtstag schockierte sie ihre Parteifreunde mit dem Wunsch, den Hirnforscher Wolf Singer sprechen zu lassen. Titel des Vortrags damals: "Das Gehirn, ein komplexes System ohne Dirigenten. Konsequenzen für unser Selbstbild." Kernaussage: Der Mensch mag denken, er sei frei. Aber das ist eine Illusion. Bestes Zitat: "Was die Schnecke über die Welt gelernt hat, ist auch unser Wissen."

Diesmal geht es nicht um Schnecken

Bei Osterhammels Vortrag geht es nicht um Schnecken, sondern darum, was man aus der Geschichte lernen kann. So viel wird schnell klar: Eine einfache Botschaft gibt es nicht. Nach allem, was man über Merkel weiß, dürften ihr besonders die Passagen gut gefallen, in denen der Historiker ausführt, dass die Überlegenheit Europas weder vom Himmel gefallen ist noch ewig Bestand haben wird. "Wer weiterhin eurozentrisch denken will, ist zunehmend begründungspflichtig", so Osterhammel. Über den rasanten Aufstieg Chinas sagt er, diesen würden "auch nervenstarke Charaktere mit faszinierter Sorge beobachten". Für Merkel gilt dies zweifellos.

Gratulation vom Vizekanzler. Schwer vorstellbar, dass Sigmar Gabriel Angela Merkel wirklich aus dem Kanzleramt vertreiben will.

Gratulation vom Vizekanzler. Schwer vorstellbar, dass Sigmar Gabriel Angela Merkel wirklich aus dem Kanzleramt vertreiben will.

(Foto: dpa)

Bevor es zu Bier und Fischbrötchen geht, sprechen noch drei Gratulanten: Unionsfraktionschef Volker Kauder, der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel und die Chefin der CSU-Landesgruppe im Bundestag, Gerda Hasselfeldt. Kauder nennt Merkel eine "außergewöhnliche Persönlichkeit". "Wer hätte gedacht, dass die männerdominierte CDU so etwas hervorbringt?"

Sigmar Gabriel macht deutlich, wie sehr er Merkel respektiert - auch wenn er seine Komplimente pflichtgemäß mit Spitzen würzt. "Es ist, wenigstens zeitweise, eine große Freude, mit Ihnen zusammenzuarbeiten." Die Bewunderung wirkt ehrlich - es scheint gar, als sehe Gabriel in Merkel ein Vorbild. "Ich bin immer wieder beeindruckt, wie wenig prätentiös Sie Ihr Amt als Bundeskanzlerin ausüben", sagt er. Merkel sei so normal, wie sich die Bürger ihre Politiker wünschten.

Witze über Horst Seehofer

Gerda Hasselfeldt schließlich hat die Lacher auf ihrer Seite, wenn sie über den bayerischen Ministerpräsidenten spricht, ihren Parteichef. Horst Seehofer könne nicht da sein, weil er an diesem Abend den Griechisch-Bayerischen Kulturpreis entgegennehme. Allgemeines Gekicher macht sich breit. Dazu Hasselfeldt: "Die Spekulationen über den Kulturpreis scheinen interessant zu sein."

Merkel sei ein Glücksfall für Deutschland und für Europa, sagt die Landesgruppenchefin - und darüber hinaus "ein Glücksfall für die CSU". Selten sei das Verhältnis der Schwesterparteien so gut gewesen. Merkel habe "wenigstens zeitweise aus einem brüllenden Löwen ein schnurrendes Kätzchen" gemacht. Jeder weiß, über wen sie spricht. Beim CDU-Parteitag im Dezember 2012 hatte Seehofer versprochen, die CSU werde bis zur Bundestagswahl "ein schnurrendes Kätzchen sein und kein brüllender Löwe". Und einen dritten Witz auf Seehofers Kosten hat Hasselfeldt parat. Mit dem Spruch "Angela, du bist die Größte", habe Seehofer ihr ja bereits via Zeitung gratuliert. "Wir beide, und nicht nur wir beide wissen, dass man sich darauf nicht ausruhen darf."

Am Ende des festlichen Teils der Veranstaltung dankt Merkel den Rednern. Und jetzt, nach 14 Jahren an der Spitze der CDU und neun Jahren im Kanzleramt, verrät sie das Geheimnis ihres Erfolgs. "Ich bin, bislang jedenfalls, unglaublich neugierig." Dass sie so neugierig geworden sei, könne "mit einem gewissen Mangel an der Befriedigung von Neugier" in ihrer Kindheit und Jugend zu tun haben. Viel mehr als Flora und Fauna habe es da nämlich nicht gegeben. Zudem sei sie "in einem Staatswesen" aufgewachsen, in dem Neugier schnell an Grenzen gestoßen sei.

Dann erinnert Merkel an Ex-Außenminister Guido Westerwelle, der an Leukämie erkrankt ist. Sie habe heute mit ihm telefoniert, sagt sie. Vor zehn Jahren, bei ihrem 50. Geburtstag, sei Westerwelle mit seinem Lebensgefährten hier gewesen. "Ich wünsche ihm von Herzen alles, alles Gute." Auf die typisch holperige Merkel-Art fügt sie hinzu: "Das zeigt uns, dass wir für einander einstehen sollten, in guten und in schlechten Tagen."

Ihre Gäste hat Merkel übrigens gebeten, ihr keine Geschenke zu machen; stattdessen hat sie zu Spenden an die Leukämie-Stiftung des spanischen Tenors José Carreras aufgerufen.

Quelle: ntv.de

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