Politik

Die Rückkehr der "Umweltkanzlerin" Merkel wirbt für ihren Ausstieg

Die Bundeskanzlerin versucht, um den Ausstieg aus der Atomkraft herum eine Aufbruchstimmung zu erzeugen. Die Energiewende berge Chancen für die Exportwirtschaft und schaffe Arbeitsplätze, hebt Merkel hervor. Die Länder und die Opposition sollen in ihr großes Projekt eingebunden werden. Doch die Charmeoffensive kann längst nicht alle Zweifel beseitigen.

Aller guten Dinge sind drei: Beim dritten Atomausstieg soll's endlich klappen.

Aller guten Dinge sind drei: Beim dritten Atomausstieg soll's endlich klappen.

(Foto: dapd)

Bundeskanzlerin Angela Merkel sieht den Koalitionsfahrplan für den Atomausstieg als den gewünschten großen Wurf an. Die CDU-Chefin betonte, als erstes großes Industrieland könne Deutschland die Wende zu klimafreundlichen Energien schaffen. Das biete auch Chancen für Exporte, Technologien und Arbeitsplätze.

Die Kanzlerin sprach von einer "Wende hin zum Strom der Zukunft" und einer "neuen Architektur des Energiewesens". Mehr Überzeugung schien bei Merkel selten. Fast macht sie vergessen, dass ihre Regierung noch im vergangenen Herbst die Laufzeitverlängerung aushandelte, und erst unter dem Eindruck der Katastrophe in Fukushima umsteuerte.

Nun sucht sie für ihren Ausstieg ausdrücklich die Zustimmung der großen Oppositionsparteien und der Länder. "Wir sind an einem solchen Konsens, wenn er sich ergibt, interessiert", hob Merkel hervor. Unterstützung über Parteigrenzen hinweg mache Planungen für Unternehmen im Energiebereich sicherer.

Grüne bleiben skeptisch

Die Sozialdemokraten und die Grünen scheinen bereit für einen Pakt mit der schwarz-gelben Regierung. Denn der nun von CDU, CSU und FDP beschlossene Atomausstieg entspricht im Grunde dem von Rot-Grün aus dem Jahr 2000. Bis Ende 2022 soll der letzte deutsche Atommeiler vom Netz gehen, so das Ergebnis der fast vierzehnstündigen Verhandlungen im Kanzleramt.

Gabriel will sich Gesprächen nicht verweigern.

Gabriel will sich Gesprächen nicht verweigern.

(Foto: dpa)

SPD-Chef Sigmar Gabriel zeigte sich grundsätzlich gesprächsbereit. Die Mitarbeit seiner Partei an einem breiten gesellschaftlichen Energiekonsens sei aber abhängig von der Frage, "wie die Kanzlerin uns entgegenkommt". Es gebe noch viele Fragen zu klären.

Skeptisch äußerten sich die Grünen. "Es bestehen nach wie vor große Zweifel daran, ob es die Regierung ernst meint mit dem Konsens", erklärte Grünen-Chef Cem Özdemir. Es stelle sich die Frage, ob der für nächste Woche erwartete Gesetzentwurf auch wirklich alle Punkte des jetzt vorgelegten Konzepts berücksichtigen werde. Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin warf der Bundesregierung vor, sich mit der geplanten "Kaltreserve" eines im Bedarfsfall wiederanzufahrenden AKW eine "Hintertür" offenhalten zu wollen.

Merkel versuchte, diesen Einwand zu zerstreuen. Diese Option werde überhaupt nur gezogen, wenn eine solche Reserve zur Bewältigung möglicher Stromengpässe im Winter nicht durch fossile Kraftwerke bereitgestellt werden könne, beschwichtigte Merkel. Das werde die Regierung prüfen lassen. Der Vorsitzende der Ethikkommission Klaus Töpfer (CDU) nannte die Bereitstellung eines Stand-By-AKW sogar ausdrücklich "nicht empfehlenswert". Und auch mit der Jahreszahl 2022 hatte Töpfer gewisse Schwierigkeiten: Sein Gremium hatte einen Atomausstieg innerhalb von zehn Jahren oder schneller vorgeschlagen. Doch er riet davon ab, sich "jetzt wegen sechs Monaten die Köpfe einzuschlagen".

Linkspartei unversöhnlich

Die CDU nimmt mit ihrer Entscheidung den Atomkraftgegner Wind aus den Segeln.

Die CDU nimmt mit ihrer Entscheidung den Atomkraftgegner Wind aus den Segeln.

(Foto: REUTERS)

Auch der Linkspartei geht der Ausstieg nicht schnell genug. "Elf weitere Jahre setzt die Koalition auf die Atomkraft", wetterte die umweltpolitische Sprecherin der Linksfraktion, Eva Bulling-Schröter. "Das ist kein Ausstiegsbeschluss, sondern ein gefährliches Spiel mit der Sicherheit der Bevölkerung."

Linken-Chefin Gesine Lötzsch kritisierte: "Der Verbraucher kommt in diesem Konzept überhaupt nicht vor". Merkel müsse erklären, wer diesen Ausstieg finanzieren soll. Die Umweltschutzorganisation Greenpeace warf Merkel einen Rückzieher von ihrem Versprechen eines "schnellstmöglichen" Ausstiegs vor. Der Bund für Umwelt und Naturschutz verwies auf Gutachten, die einen Ausstieg bis 2014 für möglich hielten.

Länder sollen mitreden

Die Einigung muss nun von der Regierung in Gesetzesform gegossen werden. Nach dem Kabinettsbeschluss kommenden Montag soll bis Ende Juni der Bundestag entscheiden. Den Bundesrat, wo die Koalition keine Mehrheit hat, könnte bei der Entscheidung außen vorgelassen werden. Allerdings, so kündigte Merkel an, will sie auch um die Zustimmung der Länder werben. Notfalls werde aber mit Regierungsmehrheit agiert.

Der von Deutschland beschlossene Atomausstieg stößt bei der EU-Kommission in Brüssel hinter den Kulissen auf Bedenken. "Es gibt einige Fragezeichen", verlautete aus der Behörde. Berlin müsse vor allem Milliarden in den Ausbau der Infrastruktur stecken, die für die Energiewende nicht ausreiche. Offiziell wollte sich die Kommission nicht äußern.

Quelle: ntv.de, cba/dpa/AFP

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