"Jetzt kommen nur noch Entscheidungen" Merkel zieht schwarz-gelbe Bilanz
22.07.2011, 16:26 UhrTrotz kritischer Stimmen aus dem Koalitionslager zum ihrem Kurs in der Schuldenkrise zeigt Kanzlerin Merkel sich sicher, dass die Koalitionsmehrheit hält. Für die Wahl 2013 lässt sie die Absicht einer erneuten Kanzlerkandidatur erkennen.
Bundeskanzlerin Angela Merkel hat mit Blick auf Konjunktur und Arbeitslosigkeit eine positive Halbzeitbilanz der schwarz-gelben Koalition gezogen. "Deutschland geht es so gut wie lange nicht", sagte die CDU-Chefin. Bei ihrem Auftritt vor der Bundespressekonferenz, mit dem sich Merkel in den Sommerurlaub verabschiedete, verwies sie auf die boomende Wirtschaft und die Arbeitslosenzahl unter drei Millionen.
Für den Herbst kündigte sie eine Entscheidung über "maßvolle Steuerentlastungen" an. Auf die Frage, ob es in diesem Jahr einen zweiten "Herbst der Entscheidungen" geben werde, sagte sie: "Wir sind jetzt gerade im Sommer der Entscheidung, dann kommt der Herbst und dann der Winter der Entscheidung - jetzt kommen überhaupt nur noch Entscheidungen."
Die Zusammenarbeit in der Koalition, die in Umfragen abgeschlagen hinter Rot-Grün liegt, nannte Merkel gut. Jüngst aufgelöste Streitpunkte wie etwa bei der Visa-Warndatei stimmten sie "hoffnungsvoll, dass wir dann auch andere Dinge zusammen gut hinbekommen". Auf kritische Stimmen aus dem Koalitionslager angesprochen sagte Merkel: "Ich bin ganz sicher, dass ich mich auf die Mehrheit der Koalitionsfraktionen verlassen kann."
Kosten der Euro-Rettung unklar
Den Schutz des Euro bezeichnete Merkel als "historische Aufgabe", deren Kosten allerdings noch nicht beziffert werden könnten. "Deutschland hat die Krise hinter sich gelassen und steht besser da als zuvor", sagte Merkel. Das müsse auch in Europa gelingen. Mit den Beschlüssen des Euro-Gipfels am Donnerstag zur Schuldenkrise sei man dort "ein Stück weitergekommen". Die Euro-Gruppe werde in der Wirtschafts- und Finanzpolitik wesentlich stärker zusammenarbeiten müssen.
Sie wolle von ihrer Seite auch einen Beitrag leisten für ein "kooperatives Miteinander" mit der SPD, deren Spitze am Montag der Kanzlerin Zusammenarbeit auch bei unpopulären Beschlüssen zur Bewältigung der Schuldenkrise angeboten hatte. Dem SPD-Chef Sigmar Gabriel riet sie allerdings angesichts seiner Forderung nach einem Schuldenschnitt für Griechenland zu einem Gespräch mit EZB-Präsident Jean-Claude Trichet. Da gehe es um "Fachkenntnisse, die können wir ja gar nicht alle haben".
"Umfangreiche Strukturreformen"
Aus Sicht der Kanzlerin hat die schwarz-gelbe Koalition seit dem vorigen Jahr "umfangreiche Strukturreformen angestoßen". Merkel verwies auf die Bundeswehrreform mit der Abschaffung der Wehrpflicht und die "Beschleunigung der Energiewende" nach der Atomkatastrophe von Fukushima. Die Einführung einer Pkw-Maut lehnte die Kanzlerin ab: "Zu meinen Projekten gehört sie nicht."
Bei der Haushaltskonsolidierung seien Fortschritte nicht zuletzt Dank steigender Steuereinnahmen erzielt worden, sagte Merkel. "Damit erarbeiten wir uns auch Spielräume für maßvolle Steuerentlastungen zum 1. Januar 2013", bekräftigte sie die jüngste Absprache der Spitzen von CDU, CSU und FDP. "Wir werden uns im Herbst die Spielräume anschauen, und dann werden wir auch zu einer gemeinsamen Lösung kommen." Die Steuererleichterungen gingen "natürlich nicht auf Kosten" anderer Ziele wie etwa der Haushaltskonsolidierung. Merkel räumte ein, dass im Bundesrat "noch nicht ausreichend viele" Ministerpräsidenten für Steuererleichterungen seien. Das könne eine Bundesregierung aber nicht davon abhalten, eigene Pläne zu verfolgen.
Grüne: Beschönigende Lyrik
Merkel ließ erkennen, dass sie 2013 erneut in das Kanzleramt einziehen will: "Wie Sie sehen, macht mir meine Arbeit Spaß, und es ist nicht abzusehen, dass sich das kurzfristig ändert."
Grünen-Parteichefin Claudia Roth bezeichnete Merkels Halbzeitbilanz als "beschönigende Lyrik" für einen "einzigartigen Schlingerkurs". Das Kennzeichnende an der Regierungsarbeit von Schwarz-Gelb sei "der Mangel an Rückgrat, an Verlässlichkeit und an Glaubwürdigkeit".
Quelle: ntv.de, hvo/rts/AFP