Offenbar zweite EU-Haushaltsrunde nötig Merkel zweifelt an Erfolg des Gipfels
23.11.2012, 01:05 Uhr
Das Familienfoto der Staats- und Regierungschefs in Brüssel.
(Foto: AP)
Die Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union unterbrechen ihre Diskussionen über das EU-Budget. "Wir machen Freitagmittag weiter", heißt es in Brüssel. Bundeskanzlerin Merkel macht sich jedoch keine Hoffnungen, dass es schon dann eine Einigung geben wird. Gesucht wird ein Kompromiss für den EU-Haushalt der Jahre 2014 bis 2020.

Luxemburgs Premier Juncker spricht mit seinem portugiesischen Kollegen Coelho und Kanzlerin Merkel.
(Foto: REUTERS)
Bundeskanzlerin Angela Merkel hat Zweifel an einem Erfolg des Sondergipfels zum umstrittenen Billionen-Budget der Europäischen Union geäußert. "Ob wir ein Ergebnis schaffen werden, daran habe ich Zweifel", sagte Merkel in der Nacht in Brüssel, nachdem der Gipfel nur kurz nach seiner Eröffnung auf Freitagmittag vertagt worden war. Sie habe schon vorher gesagt, dass vermutlich ein weiteres Treffen nötig sein könnte. Mit großer Wahrscheinlichkeit werde eine zweite Etappe erforderlich sein.
Ein neuer Vorschlag von EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy werde zunächst bewertet, sagte Merkel. Am Mittag solle weiter verhandelt werden. Dann würden alle Länder ihre Meinung dazu äußern. "Ich hoffe, dass dann der daraus folgende Vorschlag schon wieder ein Stück näher zusammengeht", sagte die Kanzlerin.
Die Staats- und Regierungschefs suchen in Brüssel eine Einigung im Streit um das EU-Budget der Jahre 2014 bis 2020. Während reiche Mitgliedstaaten wie Großbritannien, Deutschland oder Schweden auf weitere Kürzungen pochen, halten ärmere Länder im Osten und Süden des Kontinents am dem ursprünglichen Vorschlag der EU-Kommission von etwa 1,1 Billionen Euro für den Zeitraum von sieben Jahren fest.
Da die Positionen der verschiedenen Lager weit auseinanderliegen, rechneten Beteiligte mit zähen Verhandlungen. Österreichs Bundeskanzler Werner Faymann erwartet, dass sich die Gespräche möglicherweise tage- und nächtelang hinziehen werden. "Ich bin vorbereitet für Sonntagabend und nötigenfalls auch für Montag." Mehrere Staaten, darunter Italien, drohen offen mit einer Blockade. "Wir werden keine Lösungen hinnehmen, die nicht akzeptabel sind", sagte Regierungschef Mario Monti. Er forderte mehr Geld für die Landwirtschaft und die Förderung ärmerer Regionen.
Auch ein Scheitern des Spitzentreffens wird für möglich gehalten. "Ich bin sehr skeptisch, dass es eine Einigung geben kann", sagte EU-Parlamentschef Martin Schulz am Rande eines Treffens sozialdemokratischer Staatenlenker. Das Europaparlament muss zu einem späteren Zeitpunkt einem Kompromiss der 27 Staaten zum Langfrist-Budget noch zustimmen.
"Ganz und gar nicht zufrieden"
Großbritanniens Premierminister David Cameron vertritt im Budgetpoker eine Extremposition, denn er will besonders harte Einschnitte. Auch der britische Beitragsrabatt von jährlich 3,6 Milliarden Euro soll bleiben. "Ich bin ganz und gar nicht zufrieden", sagte er mit Blick auf den Kompromissvorschlag von EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy.
Auch Deutschland pocht auf eine Begrenzung der Ausgaben, geht aber nicht so radikal vor wie Cameron. Berlin meint inzwischen, eine Einigung erst im kommenden Jahr sei unproblematisch. "Es besteht durchaus auch noch ein bisschen zeitlicher Spielraum", hieß es in Regierungskreisen. "Wenn es zur Meinungsbildung und politischen Abstimmung in den Hauptstädten eine kleine Anzahl weiterer Monate bedarf, dann ist das kein Beinbruch."
"Ich bin nicht in Eile", meinte auch Schwedens Regierungschef Fredrik Reinfeldt. Er machte deutlich, dass er nicht auf den schwedischen Beitragsrabatt von rund 500 Millionen Euro verzichten will. Zu möglichen Forderungen anderer Staaten nach Rabatten sagte er: "Jeder, der einen Rabatt will, muss wissen, dass alle anderen das finanzieren müssen. Deswegen erwarte ich da lange Diskussionen."
Höchstens 990 Milliarden Euro
Die "Nettozahler", allen voran Deutschland, wollen den Kommissionsvorschlag auf höchstens 990 Milliarden Euro reduzieren. Ihrer Ansicht nach sollten die EU-Ausgaben nicht höher sein als 1,0 Prozent des Bruttonationaleinkommens der EU. Van Rompuys Vorschlag liegt bei 1,01 Prozent.
Der polnische Regierungschef Donald Tusk äußerte sich vorsichtig optimistisch, dass eine Einigung möglich sei. Als größter Empfänger von EU-Mitteln habe Polen ein besonderes Interesse an einem Kompromiss, betonte er in Warschau. "Aber das ist kein Kompromiss um jeden Preis." Sollte es keinen anderen Ausweg geben, werde Polen als "sehr harter Partner" bei den Verhandlungen auftreten. "Noch nie war die Lage so kritisch und schwierig", sagte Tusk.
Quelle: ntv.de, dpa