Rede hier, Rede dort Merkozy fast schon einig
02.12.2011, 16:07 Uhr
Auf dem Weg zur Einigkeit: Merkel und Sarkozy.
(Foto: dpa)
Nicht mal 15 Stunden liegen zwischen der Rede des französischen Präsidenten Sarkozy in Toulon und der der Regierungserklärung von Kanzlerin Merkel. Ein Vergleich der Reden zeigt, dass die Rolle der EZB auf beiden Seiten des Rheins noch immer unterschiedlich interpretiert wird - und dass die Positionen sich annähern.
Am kommenden Freitag findet in Brüssel ein EU-Gipfel statt, von dem wichtige Weichenstellungen zur Bekämpfung der Euro-Schuldenkrise erwartet werden. Für dieses Treffen wollen Bundeskanzlerin Angela Merkel und Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy am Montag gemeinsame Vorschläge vorlegen.
Doch wie groß sind die Gemeinsamkeiten zwischen Deutschland und Frankreich bei der Bekämpfung der Schuldenkrise? Aufschluss gibt ein Vergleich der beiden Reden, die sie am Donnerstag und am Freitag im südfranzösischen Toulon beziehungsweise im deutschen Bundestag gehalten haben.
Punkt 1: Die Rolle der Europäischen Zentralbank
In der Frage, welche Rolle die EZB bei der Krisenbewältigung spielen soll, liegen Merkel und Sarkozy auseinander. Allerdings trug der französische Präsident seine Forderung nach einem stärkeren Eingreifen der EZB bisher nicht öffentlich vor und versicherte am Donnerstagabend: "Die EZB ist unabhängig und wird es bleiben." Dann aber fügte er hinzu: "Ich bin überzeugt, dass die Zentralbank angesichts des Risikos, das Europa bedroht, handeln wird." Das bedeutet im Klartext: Die Währungshüter sollen durchaus eingreifen und beispielsweise mehr Staatsanleihen maroder Euro-Staaten aufkaufen.
Merkel hob dagegen hervor, dass die EZB mit der Wahrung der Geldwertstabilität eine andere Aufgabe habe. Sie verwies auf die enorme Bedeutung der Unabhängigkeit der Bank und sagte: "Deshalb werde ich auch in Zukunft nichts von dem kommentieren, was die (... ) EZB tun oder lassen wird". Das wiederum könnte bedeuten, dass es Merkel vor allem wichtig ist, dass die Politik keine öffentlichen Ratschläge an die EZB erteilt.
Punkt 2: Eurobonds
Auch wenn Sarkozy das Wort "Eurobonds" am Donnerstag nicht in den Mund nahm, ist die französische Position klar: Die Vergemeinschaftung der Schulden kann erst kommen, wenn überall mehr Haushaltsdisziplin herrscht. Auch Merkel verwahrte sich erneut gegen Ideen, Eurobonds "als Rettungsmaßnahmen gegen die Krise jetzt" einzusetzen.
Merkel sieht eine mögliche gemeinsame Haftung für die Schulden anderer aber in noch fernerer Zukunft als die Franzosen - nämlich erst dann, wenn auch Einnahmen und Ausgaben der nationalen Haushalte von einer europäischen Institution kontrolliert würden. Dann würden Eurobonds sozusagen "von allein entstehen". Mit den nun geplanten Vertragsänderungen aber habe das nichts zu tun.
Allerdings ist Skepsis angebracht. Selbst in der CSU gibt es mittlerweile Diskussionen, ob irgendwann eine Kehrtwende bei den Eurobonds notwendig werden könnte.
Punkt 3: Vertragsänderungen
Sarkozy machte sich die Forderung Deutschlands nach mehr Haushaltsdisziplin zu Eigen. Er plädierte für die "gemeinsame Prüfung" der nationalen Haushalte, die in "automatischere und strengere" Strafen für Defizitsünder münden könne. Merkel wurde konkreter: Sie will die Haushaltsdisziplin vertraglich festschreiben: Statt der bisherigen Referenzwerte sollen künftig "rechtsverbindliche Grenzwerte" gelten, bei Verstößen durch die Mitgliedstaaten soll es keinerlei "politischen Spielraum" mehr geben, sondern ein echter Automatismus greifen.
Merkel setzt dabei zum einen auf die EU-Kommission, die in Schwierigkeiten geratene Schuldenstaaten "enger begleiten und wirkungsvoller unterstützen" soll, und zum anderen auf Bestrafung durch den Europäischen Gerichtshof (EuGH). Frankreich fällt es dagegen schwer, der EU-Kommission mehr Einfluss zu geben. Sarkozy sprach sich für ein "demokratischeres Europa" aus, wo die Entscheidungsbefugnisse bei den Regierungen bleiben sollen. Auch eine Zuständigkeit des EuGH bei Defizitverstößen trifft in Frankreich auf Vorbehalte.
Punkt 4: Wer soll mitmachen?
Merkel will am liebsten alle 27 EU-Staaten in die Vertragsänderungen einbinden. Sollte dies nicht durchsetzbar sein, kann sie sich als "zweitbeste Lösung" neue Verträge nur für die Gruppe der 17 Euro-Staaten vorstellen. Allerdings soll diese stets offen sein für Länder, die sich freiwillig anschließen wollen. Eine "Spaltung" zwischen Euro-Staaten und Nicht-Euro-Staaten müsse vermieden werden, betonte Merkel.
Sarkozy äußerte sich zu der Frage nicht eindeutig. Er sprach sich für einen Entscheidungsprozess "zwischen Regierungen" aus, was bedeuten könnte, dass Sarkozy mit einer Art Koalition der Willigen zufrieden wäre.
Quelle: ntv.de, Ellen Hasenkamp und Christine Longin, AFP