Politik

Sachsen-SPD gegen Neuwahlen Milbradt tritt zurück

Sachsens Ministerpräsident Georg Milbradt (CDU) hat nach monatelangen Debatten um seine politische Verantwortung für das Desaster bei der Landesbank die Konsequenzen gezogen. Der 63-Jährige kündigte den Rücktritt von all seinen Ämtern für Ende Mai an. Als Nachfolger schlug er Finanzminister Stanislaw Tillich (CDU) vor.

"Ich habe die Entscheidung meiner Amtsübergabe getroffen, weil mir ein geordneter und harmonischer Übergang besonders wichtig ist - und um Verletzungen zu vermeiden - bei mir und bei anderen", erklärte Milbradt. "Jetzt ist der richtige Zeitpunkt." Tillich sei ein "kraftvoller und erfahrener Politiker, der bereits bewiesen hat, dass er den Freistaat weiter voranbringen kann", empfahl Milbradt den 49-Jährigen als seinen Nachfolger.

Tillich will kandidieren

Tillich hat unterdessen erklärt, als Nachfolger von Milbradt kandidieren zu wollen und sich auch der Wahl zum Parteivorsitzenden zu stellen. Das erklärte er in Dresden. "Ich sehe der neuen Aufgabe mit Freude und Demut entgegen und bin bereit, mich der Herausforderung zu stellen", sagte der 49-Jährige. Er wolle Ministerpräsident aller Sachsen sein, politische Gräben überwinden und alle einladen, an der Zukunft des Landes mitzugestalten.

Fraktionschef geht auch

Im Zuge der Neuordnung in der Sachsen-CDU gibt auch der Vorsitzende der Fraktion im Landtag, Fritz Hähle, sein Amt ab. Er bleibe noch so lange im Amt, bis eine Mehrheit für den neuen Ministerpräsidenten da sei, erklärte der 66-Jährige in Dresden. Als seinen Nachfolger schlug Hähle Kultusminister Steffen Flath vor. Der Nachfolger von Regierungschef Milbradt solle jemanden an der Seite habe, "dem er vertrauen kann", sagte Hähle.

Flath steht nach eigenen Worten für das Amt des Vorsitzenden der CDU-Landtagsfraktion "selbstverständlich" zur Verfügung. "Ich habe ein gutes Vertrauensverhältnis zu Stanislaw Tillich, zusammen können wir ein Signal Richtung Landtagswahl 2009 setzen", sagte Flath in Dresden.

Da Milbradt seinen Rücktritt als Regierungschef zum 24. Mai angekündigt habe, könne der neue Fraktionschef erst im Juni gewählt werden. Hähle, der seit 1994 Chef der Landtags-Fraktion ist, zeigte sich überzeugt, dass sich eine Mehrheit für Flath findet.

Termin Ende Mai

Ein neuer CDU-Chef soll auf dem regulären Parteitag am 24. Mai in Zwickau gewählt werden. CDU-Generalsekretär Michael Kretschmer will sich dabei zur Wiederwahl stellen. Der Wechsel im Amt des Ministerpräsidenten soll am 28. Mai vollzogen werden. Milbradt ist seit April 2002 Regierungschef. Zuvor war er von 1990 bis 2001 Finanzminister, er wurde damals im Führungsstreit vom damaligen Regierungschef Kurt Biedenkopf entlassen. Seit September 2001 ist Milbradt Landesvorsitzender der CDU.

SPD gegen Neuwahl, Linke dafür

Für Sachsens Vize-Regierungschef Thomas Jurk (SPD) stellt sich nach der Rücktrittsankündigung von Milbradt nicht die Frage einer Neuwahl. "Es gibt in Sachsen stabile Verhältnisse", sagte er bei einem Termin in Taucha bei Leipzig. Zu Milbradts Ankündigung sagte Jurk: "Er hat diese Entscheidung für sich getroffen, dafür muss man ihm Respekt zollen." Zum vorgeschlagenen Nachfolger Tillich wollte sich der SPD-Chef und Wirtschaftsminister nicht äußern. Das sei Sache des Koalitionspartners. "Da wollen wir uns nicht einmischen."

"Eins ist klar: Nach dieser Krise gibt es kein 'Weiter so'", sagte SPD-Fraktionschef Martin Dulig. Nun sei mit der CDU darüber zu sprechen, "was in den nächsten 16 Monaten zu passieren hat und wie man vernünftig zusammenarbeiten kann". Jüngst hatte ein Ultimatum der CDU für heftigen Krach gesorgt, als sich die SPD zum Regierungsbündnis bekennen sollte. Die SPD war danach auf Distanz zu Milbradt gegangen, nicht aber zur Koalition.

Bundeskanzlerin und CDU-Chefin Angela Merkel sagte bei ihrem Besuch in Dublin auf entsprechende Fragen, sie wolle den Rücktritt Milbradts nicht im Ausland kommentieren. "Das kann ich dann zu Hause machen. Aber dass er seine Verdienste hat, steht außer Frage", sagte sie schließlich und fügte hinzu: "Das ist allein seine Entscheidung."

Plausible Gründe

SPD-Chef Kurt Beck hat den angekündigten Rücktritt Milbradts begrüßt. Die Gründe dafür seien plausibel und sehr richtig, sagte Beck in Berlin. Es gebe jetzt die Chance in Sachsen, unter "ruhigeren und vernünftigeren Bedingungen" in der großen Koalition weiterzuarbeiten.

Der Linke-Bundesgeschäftsführer Dietmar Bartsch hat Neuwahlen in Sachsen gefordert. Milbradts Rücktritt reiche nicht aus, sagte Bartsch in Berlin. "Wir brauchen eine neue Regierung in Sachsen unter Ausschluss der CDU." Der Vorschlag, Tillich zum Nachfolger zu machen, weise nicht in die Zukunft, sagte Bartsch. Auch die FDP und die sächsischen Grünen forderten Neuwahlen.

Forderung nach Koalitionstreue

Die Bundes-CDU hat die sächsische SPD derweil zur Koalitionstreue aufgerufen. "Der Erfolg des Bundeslandes darf unter keinen Umständen leichtfertig aufs Spiel gesetzt werden", sagte CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla in Berlin. "Die SPD in Sachsen muss sich ihrer Verantwortung bewusst sein und ein klares Bekenntnis zur Koalition abgeben."

Pofalla dankte Milbradt, der zuletzt wegen der Finanzkrise der sächsischen Landesbank und eines privaten Kreditgeschäfts in die Kritik geraten war, für "seine erfolgreiche Arbeit und sein nachhaltiges Wirken in Sachsen". Es sei eine freie Entscheidung des ehemaligen Finanzministers gewesen, sich von seinen politischen Spitzenämtern zurückzuziehen.

Landesbank verkauft

Milbradt stand seit Monaten wegen der Landesbank unter Druck, die nach riskanten Geschäften auf dem US-Hypothekenmarkt im vergangenen Jahr nach Baden-Württemberg verkauft worden war. Koalitionspartner SPD ging deutlich auf Distanz zu dem Westfalen, bekannte sich aber gleichzeitig zum Fortbestand der 2004 gebildeten Koalition.

In der vergangenen Woche wurde zudem auch noch ein privates Kreditgeschäft Milbradts bei der Bank bekannt. Er und seine Frau hatten sich in seiner Finanzministerzeit in den 90er Jahren an Fonds der Landesbank beteiligt. Im Raum steht der dementierte Vorwurf eines Insidergeschäftes. Das Investment ist nach Einschätzung von Experten juristisch nicht zu beanstanden, war jedoch moralisch als bedenklich eingestuft worden. Eine vom Koalitionspartner SPD erwartete öffentliche Erklärung dazu lehnte Milbradt wiederholt ab.

De Maizire bleibt in Berlin

Kanzleramtsminister Thomas de Maizire (CDU) kündigte an, dauerhaft in Berlin bleiben zu wollen. Er strebe für die kommende Legislaturperiode ein Bundestagsmandat an, erklärte der Politiker in Berlin. Er werde seine Arbeit als Bundespolitiker und Chef des Bundeskanzleramtes fortführen.

De Maizire war von 2004 bis 2005 Innenminister Sachsens und zuvor Justizminister und Finanzminister des Freistaats. Er ist Sohn des früheren Generalinspekteurs der Bundeswehr Ulrich de Maizire (1912- 2006). Er galt lange Zeit als potenzieller Nachfolger Milbradts.

Quelle: ntv.de

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