Kampf um die Krim Militärisch ist die Ukraine chancenlos
04.03.2014, 19:24 Uhr
Bedingt abwehrbereit? Ukrainische Soldaten in der Nähe des Flughafens Belbek auf der Krim.
(Foto: REUTERS)
Zwischen Russland und der Ukraine droht Krieg. Beim Vergleich der Streitkräfte der einstigen Bruderstaaten wird allerdings deutlich: Gegen die gigantische Armee Moskaus wäre Kiew hoffnungslos unterlegen.
Wenn die Säbel rasseln, muss es nicht zwangsläufig zu spät sein. Die Metapher mit Bezug zur Welt der Piraten meint, so beschreibt es jedenfalls der Duden, lediglich das Gebaren. Die Drohkulisse erweckt erst einmal nur den Eindruck, dass ein Krieg unmittelbar bevorsteht. Auf der Krim befindet sich das Säbelrasseln demnach in einem fortgeschrittenen Stadium.
Am Montag hieß es von ukrainischer Seite, Russland habe ein Ultimatum für einen Abzug von der Halbinsel gestellt. Sollte Kiew seine Truppen nicht abziehen, müsse man sich auf einen Angriff einstellen. Russland dementierte die Berichte umgehend. Die Lage ist verworren, aber das Vokabular wird ernster. Der ukrainische Übergangspremier Arseni Jazenjuk wähnt sein Land unlängst "am Rande der Katastrophe". Es gelte "Alarmstufe Rot", die Entsendung russischer Truppen auf die Krim durch Präsident Wladimir Putin sei eine "Kriegserklärung". Die frühere Ministerpräsidentin Julia Timoschenko legte verbal noch einen drauf. Sollte Putins Regierung die rote Linie überschreiten, "wird sie verlieren".
Der erste Schuss ist noch nicht gefallen, aber vorstellbar ist inzwischen alles, sogar ein Krieg. Schon am vergangenen Freitag hat der ukrainische Sicherheitschef Andrij Parubij eine Million Reservisten einberufen. So sehr sich Kiew als formaler Souverän der Krim provoziert fühlen mag: Die Ukraine wird sich hüten, von sich aus die militärische Auseinandersetzung mit Russland zu suchen. Denn gegen die gigantische Armee Moskau wäre man in jeglicher Hinsicht chancenlos.
Mehr Soldaten, mehr Panzer, mehr Helicopter
Welche Bedeutung das Militär in einem Staat hat, lässt sich beim jeweiligen Verteidigungsbudget ablesen. Russland, das dreimal so viele Einwohner hat wie die Ukraine, investiert laut den Zahlen des Rüstungsportals globalfirepower.com zurzeit jährlich knapp 77 Milliarden Dollar in seine Streitkräfte, das Nachbarland im Westen nur 4,8 Milliarden und damit nur ein Fünfzehntel der russischen Ausgaben. Im GFP-Ranking, das die Länder weltweit nach ihrer militärischen Stärke ordnet, liegt Russland hinter den USA auf Platz zwei, die Ukraine auf Rang 21.
Stellt man die militärischen Mittel beider Länder gegenüber, wirkt die Ukraine fast wie ein Zwergenstaat. Knapp 850.000 russischen Soldaten stehen verschiedenen Angaben zufolge 130.000 bis 160.000 ukrainische gegenüber. Kiew könnte im Kriegsfall zudem auf etwa eine, Moskau auf zwei Millionen Reservisten zurückgreifen. Ähnlich ungleich ist das Verhältnis bei der weiteren Ausstattung. Russland besitzt mehr als 27.000 Schützenpanzer, 15.000 Kampfpanzer, rund 3000 Militärjets und knapp 1000 Helikopter. Die Ukraine besitzt schätzungsweise 6400 Schützenpanzer, 4000 Kampfpanzer, 400 Jets und knapp 100 Helikopter.
Viele Überläufer
Nicht nur quantitativ trennen beide Seiten Welten. Die Ausrüstung des ukrainischen Militärs gilt als weitgehend veraltet. Große Teile des Materials, wie etwa die mehr als 1000 fünfzig Jahre alten T-64-Panzer, stammen aus alten Beständen der Roten Armee. Die Streitkräfte befinden sich seit Jahren im Umbruch. Infolge der finanziellen Engpässe des Landes wurde bisher aber nur ein Bruchteil der geplanten Modernisierung realisiert. Dazu kommt ein weiteres Problem: Ein Großteil der auf der Krim stationierten Soldaten besteht aus Russen, die auf der Krim leben. Russischen Medienberichten zufolge gab es bereits Tausende Überläufer.
So viel ist sicher: Sollte es zu einer militärischen Konfrontation kommen, hätte die Ukraine wohl wenig entgegenzusetzen. Im Vorteil ist Kiew allein aus geografischen Gründen. Durch die Land-Verbindung zwischen ukrainischem Festland und Krim ist der eigene Zugang weitaus günstiger. Sollte Jazenjuk etwa den Norden der Krim sperren, müsste Putin seine Truppen über den Luft- oder Seeweg auf die Halbinsel bringen. Doch auch dieses Privileg ist nicht für die Ewigkeit. In Kürze will Russland mit dem Bau einer Brücke beginnen, die die Krim über die nur 4,5 Kilometer breite Meerenge von Kertsch mit der russischen Halbinsel Taman verbinden soll. Der entmachtete ukrainische Präsident Wiktor Janukowitsch hatte erst im Dezember ein entsprechendes Abkommen abgeschlossen.
Quelle: ntv.de