"Biden führt Trumps Job zu Ende" Millionen Migranten wollen aus Mexiko in die USA
13.05.2023, 05:40 Uhr Artikel anhören
Migranten warten auf dem Grenzstreifen am texanischen El Paso.
(Foto: IMAGO/Agencia EFE)
Die Corona-Pandemie ist Geschichte und damit eine Sonderregelung, die Flüchtenden aus Zentralamerika einen Asylantrag in den USA untersagte. Schon 2022 kamen so viele Migranten wie nie über die Südgrenze. Bidens Regierung versucht mit umstrittenen Mitteln gegenzusteuern.
Mehr als drei Jahre lang herrschte in den Vereinigten Staaten offizieller Gesundheitsnotstand wegen der Corona-Pandemie. Um Mitternacht endete er, und damit auch eine Regelung des sogenannten Title 42: Asylsuchende, die über die Südgrenze mit Mexiko ins Land kamen, konnten keinen Antrag stellen und wurden im Schnellverfahren wieder ausgewiesen. Betroffen waren vor allem Menschen aus El Salvador, Guatemala, Honduras und Mexiko. Eine "große Gefahr, dass Covid-19 in die Vereinigten Staaten eingeführt wird", war der Grund. Das ist nun vorbei.
Unter Ex-Präsident Donald Trump wurde die Regelung erstmals angewendet und unter dessen Nachfolger Joe Biden weitergeführt. Seit März 2020 wurden mehr als 2,6 Millionen Menschen von der Grenzbehörde nach Mexiko oder in andere Heimatländer zurückgeschickt. Nun gibt es Befürchtungen, dass Schlepper falsche Informationen verbreiten und täglich viele Tausende Fliehende mehr die Grenze nach Norden passieren. "Glauben Sie nicht den Lügen (…)", twittert Heimatschutzminister Alejandro Mayorkas: "Die Grenze ist nicht offen."
Seit 2020 ist die Zahl der registrierten Grenzübertritte nach oben geschnellt und hat seit September 2021 innerhalb eines Jahres einen neuen Rekord erreicht: 2,38 Millionen Mal griff die Grenzbehörde jemanden auf. Die aktuellen Zahlen sehen ähnlich aus, bis September dürften es mindestens genauso viele werden, wenn neue Maßnahmen der US-Regierung nicht entgegenwirken. Die Menschen kommen nach Norden, weil die jahrelange Trockenheit in Zentralamerika ihre Lebensgrundlagen geraubt hat, sie von Gewalt bedroht oder politisch verfolgt werden, oder weil sie aus anderen Gründen auf ein besseres Leben hoffen.
Von einem "Tag der Schande", den Trump vermutete, war die Situation an der Südgrenze zumindest am Freitag weit entfernt. Trotzdem, für die oppositionellen Republikaner sind Flüchtlinge ein emotionales Thema, sie betreiben mit der Lage an der Südgrenze routiniert Wahlkampf und mobilisieren ihre Anhänger. Biden sagte: "Es wird für eine Weile chaotisch sein." Seine Regierung tue "alles, was wir können".
Kritik von beiden Seiten
Wegen strenger neuer Regeln, welche die Menschen davon abhalten sollen, in die USA zu gelangen, wird Biden zugleich parteiintern und von links kritisiert. Folgende Maßnahmen haben US-Behörden bereits umgesetzt oder wollen es noch tun:
- 1500 Soldaten unterstützen die Grenzbeamten personell für die kommenden drei Monate. Bereits zuvor waren 2500 Nationalgardisten dort im Einsatz sowie 24.000 Grenzbeamte.
- Das für die Landesgrenzen zuständige Heimatschutzministerium will Menschen, die nach einem illegalen Grenzübertritt aufgegriffen und registriert worden sind, die erneute Einreise fünf Jahre lang verwehren.
- Bidens Regierung will in verschiedenen zentralamerikanischen Ländern Büros eröffnen, wo sich Menschen über ihre Möglichkeiten legaler Migration informieren können, bevor sie nach Norden aufbrechen.
- Kubaner, Venezolaner und Nicaraguaner können ein temporäres Visum erhalten, wenn sie jemanden in den USA vorweisen können, der sie finanziert.
- Über eine App können die Migranten Termine für Asylanträge vereinbaren, bevor sie in die USA einreisen. Die sind nur begrenzt verfügbar und dürften zu einem riesigen Rückstau an der Grenze führen.
- Die US-Regierung verbietet einen Asylantrag, wenn der Schutzsuchende diesen bereits in einem Transitland hätte stellen können. Sie müssen belegen, dass sie dort abgelehnt wurden, um auch in den USA einen Antrag stellen zu dürfen.
Insbesondere der letzte Punkt ist unter Demokraten, Menschenrechtlern und Aktivisten höchst umstritten. Biden führt damit weiter, wofür er seinen Vorgänger im Wahlkampf scharf kritisiert hatte - dass Menschen, die auf dem Landweg in die USA kommen und Asyl suchen, wieder weggeschickt werden. Nur ein Drittel der Migranten waren im vergangenen Jahr Mexikaner. Julián Castro, der Minister für Wohnen und Stadtentwicklung unter Ex-Präsident Barack Obama und dessen Vize Biden war, warf dem Präsidenten vor, sein Versprechen gebrochen zu haben.
Trump hatte die Regelung schon einmal eingeführt, sie wurde aber gerichtlich gekippt. Klägerin war die Bürgerrechtsorganisation American Civil Liberties Union (ACLU), die auch bereits angedeutet hat, gegen die Änderung vorgehen zu wollen. "Präsident Biden hat eine neue Phase großen Leidens für Menschen eingeleitet, die bereits Gewalt und Verfolgung erfahren", teilte die ACLU mit. Der Mehrheit der Asylsuchenden werde damit illegal Schutz verwehrt: "Er bringt damit Trumps Job zu Ende, statt seine eigenen Wahlkampfversprechen zu erfüllen."
Lebensgefährlicher Dschungeltrip
Stück für Stück haben die USA in den vergangenen Jahren versucht, das Problem in die Herkunftsländer der Fliehenden auszulagern. Doch in den meisten lateinamerikanischen Ländern gibt es nur rudimentäre Asylsysteme. Zu den Migranten aus Zentralamerika kommen zudem immer mehr Menschen aus Südamerika bis an die US-Grenze. Im vergangenen Jahr waren es 250.000; Haitianer, Ecuadorianer und sogar Chinesen und Afghanen waren darunter. Die mussten sich durch den straßenlosen Darién Gap schlagen, einen lebensgefährlichen Streifen Urwald, der die Landbrücke zwischen Kolumbien und Panama bedeckt.
Dort sind versprengte ehemalige Guerilleros, Drogenschmuggler und Banditen unterwegs, ebenso tödliche Schlangen. Im aktuellen Jahr erwarten die zuständigen Stellen in Panama etwa 400.000 Menschen, die auf ihrer Seite nach einem tagelangen, lebensgefährlichen Trip aus dem Dschungel kommen. Ein großer Teil von ihnen wird weiterreisen und versuchen, in die USA zu gelangen. Dort wird Biden im kommenden Präsidentschaftswahlkampf auch daran gemessen werden, wie er mit den Migranten an der Südgrenze umgegangen ist.
Quelle: ntv.de