"CDU unterwegs zur Großen Koalition" Mindestlohn sorgt für Streit
01.11.2011, 16:47 Uhr
Seit 2006 fordert die SPD den Mindestlohn, doch die CDU war dagegen. Hier Kanzlerin Merkel und Arbeitsminister Müntefering bei einer Kabinettssitzung 2007.
(Foto: picture-alliance/ dpa)
Der CDU-Parteitag in Leipzig könnte ungemütlich werden: Der CDU-Wirtschaftsflügel organisiert den Widerstand gegen das geplante Wendemanöver der Partei beim Thema Mindestlohn. Die Grünen vermuten, dass der Kurswechsel vor allem strategische Gründe hat. Ziel sei die Große Koalition.
Eigentlich sollte der CDU-Parteitag Mitte November in Leipzig eine möglichst harmonische Veranstaltung werden. Sechs Regionalkonferenzen wurden organisiert, um der Partei die Gelegenheit zu geben, sich in Anwesenheit von CDU-Chefin Angela Merkel den Frust von der Seele zu reden. Denn mindestens zwei heikle Punkte gilt es in Leipzig zu beschließen: ein europapolitischer Antrag soll jenes "mehr Europa" fixieren, mit dem Merkel und Finanzminister Wolfgang Schäuble auf die Schuldenkrise reagieren wollen. Und ein Antrag von Bundesbildungsministerin Annette Schavan soll - mehr oder weniger - die Abschaffung der Hauptschule in die Wege leiten.
Der größte Brocken steht dabei noch gar nicht in der Einladung: die Einführung eines Mindestlohns, der in der CDU "Lohnuntergrenze" heißt und für alle Branchen gelten soll, in denen es bislang noch keinen Mindestlohn gibt. Diese Lohnuntergrenze soll nicht staatlich, sondern von einer Kommission festgelegt werden, in der die Tarifparteien sitzen.
Trotzdem geht das Vorhaben dem Wirtschaftsflügel der Union zu weit. In Leipzig werde es "divergierende Anträge" geben, kündigte der Vorsitzende der Mittelstands- und Wirtschaftsvereinigung der CDU/CSU, Josef Schlarmann, an. Schlarmann meldet sich immer dann zu Wort, wenn er die reine Lehre der Union bedroht sieht.
"Merkel bereitet Große Koalition vor"
Die Grünen sehen Merkel bereits auf dem Weg in eine neue Große Koalition. "Die Wende der Kanzlerin beim Mindestlohn markiert den Einstieg in den Bundestagswahlkampf", sagte Fraktionschefin Renate Künast. Merkel mache "die Rechnung bereits ohne die FDP". Ihr Machterhalt sei "Machterhalt statt Gerechtigkeit" ist. "Merkel und die CDU tanzen um eine Lücke der sozialen Gerechtigkeit herum", sagte Künast.
"Wenn Frau Merkel echte Mindestlöhne einführen wollte, könnte sie schon nächste Woche eine Mehrheit im Bundestag dafür bekommen", betonte die Grünen-Politikerin. Doch gehe es ihr nur darum, auch nach der Wahl 2013 noch an der Macht zu bleiben.
FDP pocht auf Koalitionsvertrag
Ob die Liberalen die Analyse der Grünen teilen, bleibt einstweilen offen. In jedem Fall bleiben sie bei ihrer kategorischen Ablehnung von Mindestlöhnen. Dabei verwies Fraktionschef Rainer Brüderle darauf, dass die schwarz-gelbe Koalition einen branchenübergreifenden Mindestlohn ausgeschlossen habe.
"Wir haben einen Koalitionsvertrag für diese Legislaturperiode, der gilt", betonte Brüderle im Deutschlandfunk. Es sei das Recht der CDU, über gesetzliche Mindestlöhne zu diskutieren, aber "das hat jetzt direkt mit Regierungshandeln nichts zu tun". Im Koalitionsvertrag von CDU, CSU und FDP heißt es: "Einen einheitlichen gesetzlichen Mindestlohn lehnen wir ab."
Sozialtransfers seien "das überlegene Modell", meinte Brüderle. Der FDP-Fraktionschef bekannte sich ausdrücklich zur staatlichen Aufstockung von Niedriglöhnen, "weil es besser ist, Arbeit zu haben, selbst wenn sie nicht deinen notwendigen Bedarf für Lebensunterhalt voll deckt, als gar keine Arbeit zu haben".
Eine ähnliche Position hatte auch die CDU einmal. "Ich befürchte, ein einheitlicher Mindestlohn in Deutschland von der Metallbranche bis zu den Dienstleistungen würde sehr viele Arbeitsplätze vernichten", sagte Merkel etwa im September 2006. Damals hatte sich die SPD-Fraktion gerade für gesetzliche Mindestlöhne ausgesprochen. Merkel war bereits Bundeskanzlerin - in einer Koalition mit der SPD.
Quelle: ntv.de, hvo/AFP/dpa