Politik

Paketbombe wurde durchleuchtet Minister will Flieger abschießen

Wie konnte die Paketbombe bis ins Kanzleramt gelangen? Dieser Frage müsse man in Griechenland nachgehen, sagt CDU-Innenexperte Bosbach. Dort wurde die Sendung wie vorgeschrieben durchleuchtet, fiel aber nicht auf. Niedersachsens Innenminister Schünemann will Verkehrsflugzeuge zur Not einfach abschießen.

Das Kanzleramt in Berlin.

Das Kanzleramt in Berlin.

(Foto: dapd)

Das im Kanzleramt entdeckte Sprengsatz-Paket ist vor dem Abflug in Griechenland kontrolliert worden. Zuständig gewesen seien die Luftfrachtlogistik-Firma Goldair und das Sicherheitsunternehmen Brinks, hieß es aus Polizeikreisen in Athen. Die für die Kontrolle Zuständigen sagten demnach bei den Vernehmungen aus, dass sie alle notwendigen Kontrollen durchgeführt, aber nichts entdeckt hätten. Das führten sie darauf zurück, dass das Schwarzpulver möglicherweise durch Mehl verdünnt und daher schwer erkennbar gewesen sein könnte. Die Unternehmen wollten sich nicht dazu äußern. Der "Spiegel" berichtete unter Berufung auf deutsche Ermittler, die Zündtechnik hätte leicht zu erkennen gewesen sein müssen.

In den vergangenen zwei Tagen wurden in Griechenland mehrere Wohnungen durchsucht - allerdings ohne Ergebnis. Die Sicherheitskräfte suchen nach einem Unterschlupf der linksextremistischen Untergrundorganisation "Verschwörung der Zellen vom Feuer", in dem die Briefbomben gebaut worden sind. Auch Mitarbeiter des Bundeskriminalamtes (BKA) sind an den Ermittlungen in Athen beteiligt.

Das Paket kam als Büchersendung mit UPS.

Das Paket kam als Büchersendung mit UPS.

(Foto: dapd)

Bei dem in Deutschland für die Luftfrachtsicherheit zuständigen Luftfahrtbundesamt gibt es offenbar großen Personalmangel. "Es besteht ein derzeitiger Personalmehrbedarf von 40 Stellen", zitierte die "Passauer Neue Presse" aus einem Brief von Verkehrsstaatssekretär Klaus-Dieter Scheurle vom 30. Juli an 15 Behörden des Ministeriums. Dem Amt seien aufgrund europäischer Vorschriften neue, personalintensive Aufgaben in der Luftsicherheit übertragen worden, ohne dass es mit den erforderlichen Stellen ausgestattet worden sei, beklagt sich der Staatssekretär in dem Schreiben. Er verlangte demnach von den Behördenchefs, bis voraussichtlich Ende 2011 mindestens je zwei Beschäftigte zum Luftfahrtbundesamt abzuordnen.

Debatte über Anti-Terror-Maßnahmen

Indes ist eine heftige Debatte darüber entfacht, was im rechtsstaatlichen Kampf gegen den Terrorismus erlaubt ist. Merkel will in der Europäischen Union schärfere Kontrollen durchsetzen. Ihr Innenminister Thomas de Maizière (CDU) will bis Dezember ein Anti-Terror-Paket für die Luftfracht. Inzwischen hat die griechische Polizei die ersten Verdächtigen festgenommen und den Frachtverkehr ausgesetzt.

Niedersachsens Innenminister Uwe Schünemann schlägt eine Änderung der Verfassung vor, um bei Terrorgefahr den Abschuss von Verkehrsflugzeugen zu ermöglichen. Der CDU-Politiker will seinen Plan am 18. und 19. November der Konferenz der Innenminister vorlegen. Das Bundesverfassungsgericht hatte 2006 die Erlaubnis zum Abschuss von Passagierflugzeugen für verfassungswidrig erklärt.

Mit seinem Plan stößt Schünemann auf heftigen Widerstand des Vorsitzenden der Justizministerkonferenz, Till Steffen (Grüne). Der Hamburger Justizsenator sprach von "Aktionismus" und erklärte: "Schünemann hat eine Schublade aufgemacht und die falsche erwischt." Das Grundgesetz gebe dafür nicht den Rahmen her, sagte er der "Berliner Zeitung".

Polizei fordert neue Behörde

Der Vorsitzende des Bundestags-Innenausschusses, Wolfgang Bosbach (CDU), fordert, bei der Prüfung der Frage, wie die Paketbombe ins Kanzleramt gelangen konnte, schon in Griechenland zu beginnen. "Die Fragen, um dies es geht, lauten: Hat es eine Kontrolle gegeben? Und hätte das Sprengmittel entdeckt werden müssen?", sagte er der "Mitteldeutschen Zeitung". Im Kanzleramt hätten die Sicherheitsvorkehrungen gegriffen. "Auf dem Paket war als Absender das griechische Wirtschaftsministerium angegeben", sagte Bosbach. Hinter der Tarnung stünden vermutlich griechische Linksextremisten.

Die Grünen-Fraktionschefin Renate Künast kritisierte die Informationspolitik der Bundesregierung. "Wir erwarten von Bundeskanzlerin Angela Merkel, dass sie die Vorsitzenden der Fraktionen im Deutschen Bundestag über die aktuelle Sicherheitslage informiert", sagte Künast der "Frankfurter Rundschau". "Offenbar hat es eine Schutzlücke gegeben." Diese müsse systematisch aufgeklärt werden.

Die Deutsche Polizeigewerkschaft fordert die Schaffung einer europäischen Luftsicherheitsbehörde, um Bedrohungen aus der Luft besser begegnen zu können. Dazu müsse die Kontrolle des Luftverkehrs müsse europaweit professionalisiert werden, sagte Gewerkschaftschef Rainer Wendt der "Neuen Osnabrücker Zeitung". Für Luftfracht müssten deutlich verschärfte, einheitliche Standards gelten, die eine EU-Behörde am effektivsten festlegen und überwachen könne. Die EU-Experten sollten dann vor allem in Ländern außerhalb Europas regelmäßig und unangemeldet kontrollieren, ob dort die EU-Standards eingehalten würden. Wo das nicht der Fall sei, müsse sofort ein europaweites Landeverbot für Frachtflugzeuge verhängt werden.

FDP gibt Ermittlungstipps

Der FDP-Rechtsexperte Christian Ahrendt warnte davor, gegen Paketbomben auf Vorratsdatenspeicherung zu setzen. Statt sämtliche Telekommunikationsdaten sechs Monate lang zu speichern, sollte das BKA gezielt im Internet ermitteln, sagte der Parlamentarische Geschäftsführer der FDP-Bundestagfraktion der "Mittelbayerischen Zeitung". Gegen Bombenpakete würde auch Vorratsdatenspeicherung nichts ausrichten. "Den Paketbomben aus dem Jemen ist man durch Hinweise von Geheimdiensten auf die Spur gekommen, nicht durch gespeicherte Daten", sagt Ahrendt.

Mit Erschrecken habe er registriert, dass in ein und demselben Flugzeug peinlichst kontrollierte Passagiere und völlig unzureichend kontrollierte Fracht flögen. Luftfracht müsse ebenso gründlich kontrolliert werden wie Passagiere. "Außerdem müssen wir (...) im Vorfeld von Anschlägen tätig werden und die gesammelten Informationen besser verknüpfen. Ich erinnere nur an den versuchten Anschlag eines jungen Nigerianers, der Weihnachten 2009 eine Maschine auf dem Flug nach Detroit in die Luft sprengen wollte. Es gab Hinweise über die Gefährlichkeit dieses Mannes, doch die sind untergegangen", sagte Ahrendt.

Quelle: ntv.de, dpa/rts/AFP

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