Berlin Tag & Macht Moderator sucht Frau: "Love Island" im Regierungsviertel
06.11.2025, 10:36 Uhr
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Bundestagspräsidentin Klöckner und TV-Moderator Pilawa zeigten sich am 3. Oktober zum Tag der Deutschen Einheit erstmals öffentlich als Paar.
(Foto: picture alliance / Flashpic)
Politik ist heute Reality-TV mit Haushaltsplan. Wer Aufmerksamkeit will, braucht kein Programm, sondern eine Kamera. Man punktet mit Likes statt Leitlinien. Nur dass in einem Fall die Quoten zählen und im anderen die Stimmen. Eine Analyse über Macht im Rampenlicht.
Politik und Showgeschäft, hört man oft, sind unzertrennlich miteinander verbunden. Das liegt in erster Linie daran, dass sich Politikgeschäft und Entertainmentbranche auf vielen signifikanten Ebenen überschneiden. Die Dynamiken, mit denen die dringend benötigte Aufmerksamkeit beim Souverän (im Fall von Politikern) oder Followern (bei Stars) am schnellsten erzeugt wird, sind identisch: Empörung, Polarisierung und radikale Thesen. Und die Krönung dieses Dreigestirns der Titelseitenkatalysatoren: Schlüpfrigkeit. Sex sells. Das funktioniert beim Insolvenzvermeidungspersonal aus dem Dschungelcamp genauso wie bei den Volksvertretern aus dem Big-Brother-Container der Macht, dem Bundestag.
Wenn Julia Klöckner, immerhin Präsidentin des Deutschen Bundestages, dieser Tage zu Protokoll gibt, Deutschland sei "der Puff Europas!", ist ihr die Hoheit über die Schlagzeilenrepublik sicher. Bei Influencerin Tara Tabitha wird es sogar noch handfester. Im Rahmen der Bildungsfernsehen-Offensive "Sommerhaus der Stars" halten sich diese Woche hartnäckige Gerüchte, sie hätte ihren Lebensunterhalt vor der Evolution zu Österreichs bekanntester Botschafterin seit Kaiserin Sissi als Escort-Girl erwirtschaftet.
Wenn es um Beischlaf-Romantik geht, bleibt es bei Politikern theoretisch. Bei Entertainern tauchen auch schon mal angeblich von verlorenen Laptops oder gehackten Smartphones gestohlene Sexfilmchen auf. Sogenannte nackte Tatsachen sind für Politiker ein Schritt zu weit in den Reichweiten-Sündenpfuhl. Wobei, insbesondere in dieser Legislatur denkt man ja bei einigen Bundestags-Mandatsträgern zuweilen: So wenig Inhalt, wie da kommt, wäre der nächste logische Schritt OnlyFans.
Macht. Medien. Mattscheibe: Politik ist Popkultur ist Politik
Die Überschneidungen zwischen Macht und Mattscheibe sind aber auch abseits hedonistischer Headline-Angriffe per Kopulations-Beichte mannigfaltig. Um dem Wählervolk via Talkshows, Interviews und Bierzelten glaubhaft vermitteln zu können, man habe einen Plan, schadet es nicht, auch als Politiker ein guter Schauspieler zu sein. Als Prominenter wiederum sollte man das politische Talentmerkmal der Diplomatie beherrschen, um sich bei den großen Egos, die in der Entertainmentbranche die Entscheidungen treffen, nicht mit zu viel konstruktiver Kritik die fragilen Türen zu verbauen.
Das gemeinsame Zauberwort lautet: Inszenierung. Politiker wie Prominente haben das Ziel, Menschen zu beeinflussen. Die Trennung zwischen Bühne und Bundestag ist längst Illusion. In der Unterhaltung werden Trends und gesellschaftliche Narrative geformt und in Zeiten der überbordenden Woke-Wahnsinnigkeit zuweilen auch immer häufiger Haltungen. Die Politik hingegen formt Gesetze, Moralvorstellungen und die Richtung des gesellschaftlichen Diskurses. Das Ergebnis ist dasselbe: Beide wirken kulturell und emotional meinungsbildend. Ex-Kanzler Gerhard Schröder sagte einst: "Zum Regieren brauche ich 'Bild', 'BamS' und Glotze". Hätte es damals schon Instagram gegeben, säße der inzwischen zum Statthalter von Wladimir Putin abgestiegene Vater der Agenda 2010 womöglich heute noch im Kanzleramt.
Aber das ist noch lange nicht alles. In der Entertainmentbranche geht es um Einschaltquoten, Klicks, Reichweite, Zuschauerbindung, den Aufbau und die Erhaltung einer Fanbasis und natürlich: hohe Einnahmen. In der Politik geht es um das Gemeinwohl. Aber nicht erst, seit Social Media Einzug in Wahlkämpfe gehalten und die guten alten Stammtische abgelöst hat, auch um Macht, Wählerstimmen und Lobbyinteressen. Zusammengefasst muss man attestieren: Beide Systeme sind stark von ökonomischen Kräften geprägt. Wer als Politiker auf diesem Gebiet versagt, wird nicht wiedergewählt. Wer als Unterhaltungskünstler schwächelt, verliert sein Publikum. Beide existieren nicht ohne Medien. Grandios also, dass diese Kolumne gleich beide Branchen abdeckt, oder? ntv.de ist einfach das kundenfreundlichste Service-Portal des Landes.
Popkultur mit Amtseid: die Verschmelzung von Show und Staat
Die Stars der Entertainmentbranche verkaufen Emotionen und Charisma. Gut, manchmal gehen sie auch zu "Promis unter Palmen", aber das ist eine andere Geschichte aus den Niederungen der Aufmerksamkeitsindustrie. Politikerinnen und Politiker werden ebenfalls zu Marken oder Ikonen, die Emotionen - vor allem Hoffnung, Angst oder Vertrauen - auslösen. Gute Unterhaltung, genau wie vielbeachtete politische Ideen, speist ihre Reichweite aus Konflikten und diskursanfeuernden Wendungen. Mit Konflikten zwischen Parteien, Ideologien und Personen hält man sich bei Wählern im Gespräch, mit Fehden oder Lovestorys zwischen Prominenten erreicht man bei seinen Fans dasselbe. Für beide Berufsgruppen gilt: Konflikt erzeugt Aufmerksamkeit. Je dreckiger, desto besser.
Politik wirkt oft wie ein manchmal gut, manchmal weniger gut geschriebener Film, endet im Gegensatz zur Unterhaltungsindustrie aber mit echten Konsequenzen. Die sogenannten Stars haben beispielsweise nicht zu befürchten, dass durch ihre Vorgehensweise viele Menschen ihre Arbeit verlieren oder Kriege angezettelt werden. Ihnen droht, anders als Politikern, höchstens, dass Oliver Pocher sich über sie lustig macht, oder, wenn es ganz schlecht läuft, man sie im "Sommerhaus der Stars" als Escort-Girl verleumdet. Das Handwerkszeug ist identisch, der Output ungleich relevanzdifferierend. Showgeschäft und Politik spielen mit Emotion, Macht und Wahrnehmung, um Menschen zu bewegen. Die einen zur Unterhaltung der Welt, die anderen zu ihrer Steuerung. Beide Systeme operieren innerhalb eines öffentlichkeitsabhängigen Kommunikationsraums, in dem Aufmerksamkeit als zentrale Ressource fungiert. In beiden Fällen wird die Rezeption maßgeblich durch genau die Medienlogiken geprägt, die Simplifizierung, Polarisierung und Dramatisierung begünstigen.
Love Island Regierungsviertel - Macht küsst Glamour
Diese umfangreiche Gleichheit in der öffentlichen Darstellungsanforderung bei Politikern und Unterhaltungsstars ist es vielleicht auch, die bilaterale Liebesgeschichten zwischen Spitzenpolitikern und Showstars so interessant für Boulevard (in dieser Kolumne) und seriösem Journalismus (in dieser Kolumne nicht) machen. Wie sonst schafft man es, in Tagesschau und "Gala" gleichzeitig aufzutauchen?
Die interessantesten Polit-Entertainment-Liaisons der jüngeren Vergangenheit sind Ikonen der Berichterstattung aus beiden Welten. Hier ein paar Beispiele:
1. Julia Klöckner & Jörg Pilawa
Das jüngste Beispiel des unerschrockenen Liebesglücks zwischen Politik und Unterhaltung ist die Romanze zwischen Ex-Bundesministerin Klöckner und Ex-Publikumsliebling Pilawa. Zuletzt stand Pilawa beinahe wie das legendäre Falschgeld sogar gemeinsam mit Klöckner und anderen Politikern mitten in einem breit veröffentlichten Pressebild zum Tag der Deutschen Einheit rum - und die gesamte Nation fragte sich: Hä? Das Bild hatte eine innere Logik, als hockte ich auf dem Mannschaftsbild des FC Bayern München. Zwischen Manuel Neuer und Harry Kane.
2. Franca Lehfeldt & Christian Lindner
Okay, formaljuristisch ist Lindner kein Politiker mehr, aber immerhin war er bis Februar Finanzminister. Und wer einmal in einem kamikazeartigen Akt politischer Selbstzerstörung eine Regierungskoalition platzen ließ, der wird für immer als Politiker gelten, auch wenn er jetzt irgendwie in die Baubranche gewechselt ist, die bislang eher mit Testimonials wie Laura Wontorra, Sophia Thomalla oder Lukas Podolski auf Stimmenfang ging. Gattin Lehfeldt hingegen blickt auf eine veritable Karriere als politische Journalistin zurück, die sie irgendwann aufgrund ihrer direkten Nähe zur Bundesregierung (Ehefrau eines Ministers) aufgeben musste. Ein paar Monate später war der Politiker Lindner Geschichte, aber man kann ja nicht alles vorher wissen.
3. Nicolas Sarkozy & Carla Bruni
Der ehemalige französische Staatspräsident und die Sängerin/Fashionikone/Model sind ebenfalls verheiratet, und das bereits seit 2008. Damals war Sarkozy frisch im höchsten Amt der Grande Nation. Aber auch als er einige Jahre später in Verruf geriet und mehrere Gerichtsverfahren durchlaufen musste, hielt Bruni zu ihm. Aktuell hat er gerade eine fünfjährige Haftstrafe angetreten. Es gibt keine Anzeichen dafür, dass die Ex-Freundin von Mick Jagger und Eric Clapton ihn nun verlassen wird.
4. Justin Trudeau & Katy Perry
Eine der vielleicht skurrilsten Paarungen der Neuzeit. "I Kissed a Girl"-Popsternchen Perry und Palästina-Anerkennungs-Avenger Trudeau wurden zunächst ungewollt von aufgeweckten Paparazzi in flagranti erwischt. Anders als im ersten Moment spekuliert, verletzt dabei aber keiner der beiden wichtige Liebeskodex-Regeln. Perry ist nach neun Jahren plus Tochternachwuchs schon einige Zeit von Hollywood-Star Orlando Bloom getrennt, und auch Trudeau hatte seine Ehe bereits 2023 geräuschloser beendet als seine Verbindung zu Donald Trump.
Komplett durcheuphorisiert von dieser illustren Ahnenreihe von Politik/Celebrity-Lovestorys möchte ich zum Abschluss dieses Polit-Must-Reads einige weitere Kandidaten anhalten, es den oben genannten gleichzutun und sich zu interdisziplinären Liebespaaren zusammenzutun:
1. Lars Klingbeil & Dunja Hayali
Allerdings müsste Hayali dann, wie einst Franca Lehfeldt, ihren Dienstgrad kritisch überprüfen. Oder halt Klingbeil. Er könnte jederzeit in seinen Ex-Beruf als Punkrocker zurückkehren. Viele Hauptstadtjournalisten hielten das, mal ganz unabhängig von Hayali, für eine insgesamt gar nicht so schlechte Idee.
2. Annalena Baerbock & Jan Böhmermann
Es wächst zusammen, was zusammengehört.
3. Beatrix von Storch & Roberto Blanco
Der finale Beweis, dass die AfD nicht rassistisch sein kann.
4. Boris Pistorius & Désirée Nick
Der Verteidigungsminister möchte die Bundeswehr aufrüsten - und schärfer als die Nick schießt niemand!
5. Theo Waigel & Jeanette Biedermann
Die beiden eigentlich nur für die Kracher-Zeile: "Liebe in Zeiten der Kohl-Ära".
Welche dieser Wunschpaarkandidaten sich kurzfristig haben erweichen lassen, meiner Zwangsvercoupelung nachzukommen, das verrate ich bei "Love Island Regierungsviertel" bereits in einer Woche genau hier. Bis dahin bleibt offen, ob Macht und Glamour sich wirklich lieben, oder einfach nur dieselbe Kamera teilen.
Quelle: ntv.de