Politik

Kölner unter Domodedowo-Opfern Moskau kündigt Vergeltung an

Noch ist der Anschlagsort mit Sperrbändern abgeriegelt. Der Flugbetrieb läuft aber wieder weitgehend normal.

Noch ist der Anschlagsort mit Sperrbändern abgeriegelt. Der Flugbetrieb läuft aber wieder weitgehend normal.

(Foto: dpa)

Nach dem Terrorschock in Moskau spricht Kremlchef Medwedew Klartext: Am Flughafen Domodedowo habe Anarchie geherrscht. Jeder habe kommen und gehen können, ohne kontrolliert zu werden. Der Geheimdienst habe versagt. Regierungschef Putin will die Terroristen für den Anschlag büßen lassen. Unter den 35 Todesopfern des Blutbades ist auch ein Deutscher.

Nach dem Selbstmordanschlag mit 35 Toten auf dem Moskauer Flughafen Domodedowo will der russische Präsident Dmitri Medwedew den Anti-Terror-Kampf deutlich verschärfen. Sein Regierungschef Wladimir Putin kündigte umgehend eine "unvermeidliche Vergeltung" an. Russland brauche mit Blick auf die Olympischen Winterspiele 2014 in Sotschi und andere Großereignisse einen "maximalen Schutz vor Anschlägen", sagte Medwedew vor Vertretern des Inlandsgeheimdienstes FSB. Der Kremlchef rügte laxe Sicherheitsvorkehrungen auf dem Airport. Dort habe praktisch Anarchie geherrscht. Jeder habe dort kommen und gehen können, ohne kontrolliert zu werden. Regierungschef Putin will für dieses "grausame und sinnlose Verbrechen die Terroristen büßen" lassen.

Putin und auch Kremlchef Dmitri Medwedew besuchten in Moskauer Kliniken Patienten, die am Vortag bei dem blutigen Attentat von einer Splitterbombe verletzt worden waren. Bei einer anschließenden Kabinettssitzung sagte Putin den Angehörigen der Opfer Schadenersatz bis zu jeweils umgerechnet 75.000 Euro zu. Der Moskauer Bürgermeister Sergej Sobjanin ordnete für Mittwoch einen offiziellen Trauertag in der Hauptstadt an.

Deutsches Opfer aus Köln

Die Überwachungsaufnahmen unmittelbar vor der Explosion und zum Zeitpunkt der Detonation.

Die Überwachungsaufnahmen unmittelbar vor der Explosion und zum Zeitpunkt der Detonation.

(Foto: REUTERS)

Bei dem Terroranschlag kam auch ein Deutscher ums Leben. Der 34-Jährige aus Köln war für das Remscheider Heiztechnikunternehmen Vaillant nach Moskau gereist, um bei der russischen Tochtergesellschaft Arbeitsabläufe zu verbessern. Kurz nach seiner Ankunft am Flughafen habe der Selbstmordattentäter die Bombe in der Ankunftshalle gezündet, erklärte die Firma. "Wir wurden vom BKA darüber informiert."

Nach Angaben des Auswärtigen Amtes befindet sich unter den rund 180 Verletzten auch eine deutsche Frau, die im Krankenhaus behandelt wird. Viele Verletzte schweben Ärzten zufolge noch in Lebensgefahr. Unter den Toten sind laut Zivilschutz acht Ausländer, darunter zwei Briten und ein Bulgare. Offiziellen Angaben aus Wien zufolge starb auch ein Österreicher.

Identifizierung über DNA

In der Flughafenkapelle fand ein spontaner Trauergottesdienst statt.

In der Flughafenkapelle fand ein spontaner Trauergottesdienst statt.

(Foto: AP)

Ermittler wollen den Attentäter, der in einer Ankunftshalle des Airports eine Bombe gezündet hatte, über eine DNA-Analyse identifizieren. Der Mann sei bei der Sprengung der mit Nägeln und Schrauben gespickten Bombe - wie viele seiner Opfer auch - derart zerrissen worden, dass nicht einmal das Gesicht richtig zu erkennen sei. Das meldeten russische Nachrichtenagenturen unter Berufung auf Ermittler und Gerichtsmediziner.

Schnelle Schlussfolgerungen

Fahnder hatten Kopf und Hände auf dem Flughafen sichergestellt und danach erklärt, es handele sich um einen Mann mit kaukasischem oder arabischem Aussehen im Alter zwischen 30 und 35 Jahren. Sie stützen sich dabei auch auf Videoaufzeichnungen. Gesucht wird außerdem nach drei mutmaßlichen Helfern, die nach dem Attentat geflohen sein sollen.

Die Behörden vermuten, dass radikale Islamisten aus dem russischen Konfliktgebiet Nordkaukasus hinter dem Anschlag stecken, sogenannte Wahhabiten. Medienberichten zufolge hatte der FSB bereits seit einigen Tagen Hinweise auf einen bevorstehenden Terrorakt in Moskau.

Kritik am Geheimdienst

Medwedew sprach nach Angaben der Agentur Interfax von klaren Signalen, dass der FSB seine Arbeit besser machen müsse als bisher. "Wir brauchen ein schärferes Kontrollsystem. Also eine totale Kontrolle. Wahrscheinlich wird sie länger dauern für die Passagiere, aber das ist der einzige Ausweg." Zugleich forderte er eine harte Bestrafung der Verantwortlichen in der Regierung und in den Behörden, die für die Sicherheit im Personenverkehr verantwortlich seien.

Alltag in Moskau geht weiter

In Domodedowo, wo der Flugbetrieb wieder weitgehend normal läuft, legten Passanten Nelken nieder. Strenger als sonst mussten ankommende Reisende schon beim Betreten des Flughafengebäudes ihre Taschen zur Kontrolle auf Laufbänder legen und durchleuchten lassen.

Die Sicherheitsmaßnahmen wurden verstärkt.

Die Sicherheitsmaßnahmen wurden verstärkt.

(Foto: REUTERS)

Die Stimmung in der Zehn-Millionen-Stadt war aber insgesamt ruhig, größere Kontrollen oder auffällige Einschränkungen waren nicht zu beobachten. Auch in der Metro, die im vergangenen Frühjahr Ziel eines schweren Anschlags gewesen war, gab es sichtbar keine schärferen Sicherheitsvorkehrungen als an anderen Tagen. Kurz nach dem Blutbad hatte Medwedew auf Bahnhöfen und Flughäfen sowie an weiteren Verkehrsknotenpunkten eine erhöhte Sicherheitsstufe angeordnet.

Im Nordkaukasus, wo auch das frühere Kriegsgebiet Tschetschenien liegt, kämpfen Islamisten um Unabhängigkeit von Moskau. Sie hatten immer wieder gedroht, den Terror ins russische Kernland zu tragen. Zuletzt waren bei einem Doppelanschlag auf die Moskauer Metro Ende März vorigen Jahres 40 Menschen ums Leben gekommen.

Quelle: ntv.de, AFP/dpa/rts

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