500 Soldaten sollen bleiben Moskau meldet Abzug
21.08.2008, 16:03 UhrNach massiven Protesten aus dem Westen haben sich russische Truppen in größerem Umfang aus Zentral-Georgien zurückgezogen. Dabei handelte es sich um den Beginn des Abzugs, wie die Nachrichtenagentur Interfax unter Berufung auf das Verteidigungsministerium in Moskau meldete.
Bis Freitagabend würden alle Einheiten der 58. Armee auf das Gebiet der von Georgien abtrünnigen Provinz Südossetien zurückgezogen, kündigte der Generalstab in Moskau an. In den vergangenen Tagen waren jedoch keine nennenswerten Truppenbewegungen auszumachen.
Georgiens Präsident Michail Saakaschwili sagte dagegen in Tiflis, von einem Rückzug könne keine Rede sein. Vielmehr verlagerten russische Truppen nur ihre Positionen. Innerhalb der georgischen Bevölkerung wuchs der Protest gegen die Anwesenheit russischer Soldaten. In mehreren Städten demonstrierten Bürger vor den Kontrollposten, wie der Fernsehsender Rustavi2 berichtete.
Neue Runde im Sicherheitsrat
Unterdessen ist der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen erneut zu Beratungen über die Kaukasus-Krise zusammenkommen. Dem höchsten UN-Gremium liegen inzwischen zwei Resolutionsentwürfe zur Beilegung der Streitigkeiten vor.
Zunächst hatten die westlichen Länder auf einen sofortigen Rückzug der russischen Truppen aus Georgien gedrungen. Moskau brachte aus Protest gegen diese seiner Ansicht nach einseitige Resolution einen weiteren Textentwurf ein, der die Sechs-Punkte-Friedensvereinbarung wiedergibt. Trotz nahezu täglicher Beratungen seit Beginn des Konflikts zeichnete sich bisher kein Kompromiss ab.
Friedenstruppe soll bleiben
Ein Reuters-Kameramann beobachtete in der südossetischen Hauptstadt Zchinwali die Ankunft Dutzender Panzer und gepanzerter Transporter. Sie waren laut Interfax zur nördlich gelegenen russischen Grenze unterwegs.
Interfax hatte zunächst gemeldet, die in Zchinwali eingetroffene Panzer-Kolonne sei aus der strategisch wichtigen Stadt Gori gekommen. Die Agentur zog den Verweis auf Gori später zurück, hielt aber an der Darstellung des begonnenen Rückzugs fest.
Der Westen fürchtet, dass Russland Unklarheiten in dem von Frankreich vermittelten Waffenstillstandsabkommen nutzen könnte, größere Kontingente in Georgien zu lassen, um den Druck auf Präsident Saakaschwili zu erhöhen. So hat Russland sich bislang nicht dazu verpflichtet, alle zusätzlichen Soldaten auf ihre Heimatstützpunkte zurückzuziehen.
Der Generalstab in Moskau bekräftigte derweil die Planung, russische Soldaten als Friedenstruppe mit GUS-Mandat auf georgischem Kerngebiet zu belassen. Nach dem Abzug aus dem georgischen Kernland sollen 500 russische Soldaten in einer Pufferzone um Südossetien bleiben. Das kündigte der russische Außenminister Sergei Lawrow an. Lawrow sagte weiter, die abziehenden Truppen würden entweder nach Russland oder in das von Georgien wegstrebende Südossetien verlegt.
Demonstrationen in Abchasien
Neben Südossetien verstärkte auch Abchasien seine Unabhängigkeitsbestrebungen. In der Hauptstadt Suchumi forderten mehr als 50.000 Demonstranten eine internationale Anerkennung der einseitig erklärten Unabhängigkeit. In der Menge waren auch viele russische Flaggen zu sehen.
Russische Medien halten es für möglich, dass der Föderationsrat in Moskau Anfang nächster Woche die Unabhängigkeit der Provinzen anerkennt. Langfristig wünschen Abchasien und Südossetien eine Aufnahme in die Russische Föderation. Die georgische Regierung lehnt dies strikt ab. Auch die USA und die NATO beharren auf der territorialen Einheit Georgiens.
Abzug am Tag, Rückkehr in der Nacht
Der georgische Sicherheitsrat warf Russland Täuschung beim vermeintlichen Rückzug seiner Truppen aus Georgien vor. "Am Tag ziehen sie einige Panzer ab, aber in der Nacht kommen sie zurück", sagte der Chef des Sicherheitsrats, Alexander Lomaia.
Am Mittwoch hätten die Russen zwar zunächst vier Kontrollpunkte in der georgischen Stadt Gori geräumt. "Wenige Stunden später" seien die Truppen jedoch zurückgekehrt. "All diese Dinge sind ein Beleg dafür, dass sie nicht die Absicht haben, sich vom besetzten Gebiet zurückzuziehen", sagte Lomaia.
Frankreichs Außenminister Bernard Kouchner hatte Medwedew am Mittwoch vorgeworfen, mit dem ausbleibenden Abzug werde der russische Präsident erneut wortbrüchig. Diese Missachtung internationaler Vereinbarungen könne nicht akzeptiert werden.
Russland zieht nach
Nach norwegischen Angaben will Russland die militärische Zusammenarbeit mit der NATO und alliierten Ländern einfrieren. Das teilte das Verteidigungsministerium in Oslo mit. Wie ein Sprecher sagte, setzte das russische Verteidigungsministerium die norwegische Botschaft in Moskau telefonisch darüber in Kenntnis.
Das Militärbündnis hatte angesichts des russischen Einmarsches in Georgien angekündigt, die Treffen des NATO-Russland-Rates vorerst auszusetzen. Die russische Marine sagte daraufhin seine Teilnahme an NATO-Manövern in der Ostsee ab.
Hilfsorganisationen behindert
Westliche Hilfsorganisationen beklagen weiterhin Behinderungen im Konfliktgebiet. Die Hilfsorganisation CARE forderte einen "vollständig freien Zugang zu allen Gebieten in Georgien". Russische Soldaten hätten ausländische Helfer beispielsweise in der Stadt Gori daran gehindert, sich frei zu bewegen.
Nach südossetischen Angaben starben beim Kampf um Zchinwali vor knapp zwei Wochen fast 1500 Menschen. Etwa 18.000 Flüchtlinge sollen bereits wieder nach Südossetien zurückgekehrt sein, wie der russische Zivilschutz mitteilte.
Quelle: ntv.de