Prozess gegen Pussy Riot Moskaus Polizei riegelt Gericht ab
17.08.2012, 11:03 Uhr
Jekaterina Samuzewitsch wird in den Gerichtssaal gebracht.
(Foto: REUTERS)
Mit einem Großaufgebot positioniert sich die Polizei in Moskau vor dem Gericht, in dem das Urteil gegen drei Mitglieder der Punkband Pussy Riot gesprochen wird. Straßen werden abgeriegelt. Hunderte Russen wollen dort ihre Solidarität mit den jungen Frauen zeigen.
Mit scharfen Sicherheitsvorkehrungen bereitet sich die Moskauer Polizei auf das Urteil im Prozess gegen drei Mitglieder der Punkband Pussy Riot vor. Schon Stunden vor dem weltweit mit Spannung erwarteten Urteil gegen die Frauen wurde das Gerichtsgebäude weiträumig abgesperrt. Eisengitter blockieren die Zufahrt, zahlreiche Transportfahrzeuge verschiedener Sicherheitsorgane sind vorgefahren.
Dutzende Journalisten warteten vor dem Gebäude, die angeklagten Frauen wurden bereits am frühen Morgen in das Gericht gebracht. Öffentliche Plätze würden noch stärker als sonst kontrolliert, meldet die russische Nachrichtenagentur Interfax.
Unterstützer und auch Gegner der angeklagten jungen Frauen hatten Proteste angekündigt. Den Künstlerinnen drohen wegen einer Performance in der Moskauer Erlöserkathedrale mehrere Jahre Haft. Die Frauen hatten gegen Präsident Wladimir Putin und die Nähe der orthodoxen Kirche zum Kreml demonstriert. Die Anklage wirft ihnen Rowdytum und religiösen Hass vor.
"Richterin wurde unter Druck gesetzt"
Amnesty International kritisierte das Verfahren als nicht rechtsstaatlich. "Wir hoffen natürlich, dass die drei Frauen freigesprochen werden", sagte Friederike Behr, Russland-Expertin von der Organisation, bei n-tv. "Sicherlich ist die Richterin sehr unter Druck gesetzt worden. Es gab schon viele Hinweise im Verlauf des Prozesses darauf, dass der Prozess nicht wirklich allen Regeln des fairen Gerichtsverfahrens folgt." Daher rechne man damit, dass die drei Sängerinnen weiter in Haft bleiben.
Die Anwälte der drei Angeklagten hatten am Morgen deren Anhänger zur Unterstützung vor dem Gericht aufgerufen. Sie sollten aber ohne Masken, Fahnen und Transparente erscheinen, um nicht wegen einer illegalen Kundgebung festgenommen zu werden, sagte Verteidiger Mark Fejgin. Über soziale Netzwerke kündigten sich hunderte Unterstützer an.
Weltweite Aufmerksamkeit
Die USA sprachen von einem politisch motivierten Prozess, und auch die Bundesregierung kritisierte den Umgang des russischen Staates mit den Frauen. Die andauernde Untersuchungshaft der drei jungen Frauen sei unverhältnismäßig, kritisierte der Menschenrechtsbeauftragte Markus Löning. Ihre Aktion sei allenfalls als Ordnungswidrigkeit einzustufen.
Überall auf der Welt sind kurz vor der Urteilsverkündung um 13 Uhr deutscher Zeit Solidaritätsaktionen geplant, darunter auch vor der russischen Botschaft in Berlin. In Moskau wollten Ultranationalisten und strenggläubige orthodoxe Christen für eine Verurteilung demonstrieren. Die Staatsanwaltschaft hat drei Jahre Haft gefordert und blieb damit unter der Höchststrafe von sieben Jahren.
Hat sich der Kreml verkalkuliert?
Experten sahen den Kreml in der Zwickmühle. Sollten die Feministinnen überraschend freikommen, würde die Opposition das als Zugeständnis der Regierung werten, meinten Kommentatoren in Moskau. Eine Verurteilung hingegen könnte den Unmut in der Bevölkerung stärken. Der Kreml habe sich verkalkuliert, sagte die Politologin Lipman. Nach Meinung von Analysten hat Russland wegen des Prozesses international deutlich an Ansehen verloren.
Die Aktivistinnen selbst zeigten sich demonstrativ gelassen. "Ganz egal wie das Urteil lautet: Wir und ihr gewinnen sowieso", schrieb Tolokonnikowa in einem von ihrem Anwalt veröffentlichten Brief. "Wir und ihr gestalten derzeit eine große und wichtige politische Bewegung, und Putins System kann immer schwieriger damit umgehen."
Der inhaftierte ehemalige Oligarch Michail Chodorkowski warf Präsident Putin eine politische Verfolgung der Aktivistinnen der Punkband vor. "Das Ziel ist es, Kritikern des Regimes eine Lektion zu erteilen", antwortete der 49-Jährige in einem über Monate schriftlich geführten Interview mit der "Süddeutschen Zeitung". Das Gericht werde "nur ein Urteil bestätigen, das anderswo aufgeschrieben wurde - in der Staatsanwaltschaft oder irgendeiner anderen staatlichen Instanz". Die Justiz sei Teil des Machtapparats, kritisierte der einst reichste Mann Russlands und frühere Chef des Ölkonzerns Yukos. Er selbst war in zwei umstrittenen Prozessen unter anderem wegen Betrugs, Veruntreuung, Steuerhinterziehung, Geldwäsche und Öldiebstahls zu langjährigen Haftstrafen verurteilt worden.
Quelle: ntv.de, hvo/dpa