Konferenz soll Milliarden bringen "Müssen Haiti neu aufbauen"
30.03.2010, 16:11 Uhr
Haiti braucht Milliarden, um den Aufbau des Landes finanzieren zu können.
(Foto: REUTERS)
In New York kommen an diesem Mittwoch mehr als 100 Staaten zusammen, um den "völlig neuen Aufbau" Haitis zu organisieren. Hilfsorganisationen fordern, das Land aus seiner Rolle als Dauerschuldner zu befreien. "Es ist die einzigartige Chance, ein schon fast verlorenes Land wieder auf die Beine zu stellen."
Die Not in Haiti ist groß, die Aufgabe für die Helfer gewaltig. An diesem Mittwoch kommen auf Einladung der Vereinten Nationen Vertreter von mehr als hundert Ländern in New York zusammen, um den Wiederaufbau des vom Erdbeben zerstörten Landes voranzutreiben. Auf der Geberkonferenz sollen bis zu drei Milliarden Dollar (2,2 Milliarden Euro) zusammenkommen. Doch selbst diese große Summe wird nicht viel mehr sein als eine erste Tranche, der noch viele weitere folgen müssen.
"Wir müssen das Land völlig neu aufbauen", sagt Michael Kühn, der die Maßnahmen für die Deutsche Welthungerhilfe in Haiti koordiniert. Normalerweise überbrücke die Nothilfe nach einer solchen Katastrophe nur bestimmte Dinge, die nicht mehr funktionieren, bis wieder der Normalzustand erreicht sei. "Aber der Normalzustand in Haiti war auch vor dem Erdbeben schon katastrophal", sagt Kühn im Interview mit n-tv.de. "Wir müssen deshalb die Gesellschaft von Grund auf renovieren und weit über das hinaus entwickeln, was vor dem Beben bestanden hat."
Von Importen abhängig
Eine große Herausforderung beim Aufbau des Landes, auch für die Geberkonferenz, seien die begrenzten Ressourcen. Nur etwa 30 Prozent der Fläche sei landwirtschaftlich nutzbar, Haiti bleibe auch in Zukunft von Importen abhängig. "Deshalb ist es die Frage, ob die internationale Gemeinschaft in der Lage ist, ökonomische Rahmenbedingungen zu schaffen, die Haiti zugute kommen und es nicht immer weiter in die Rolle eines Schuldners treiben und ausbeuten", erklärt Kühn. Der Entwicklungshelfer fordert in jedem Fall eine starke Beteiligung der Regierung und auch der Zivilgesellschaft, um den Aufbau voranzutreiben. "Die internationale Gemeinschaft sollte sich als Unterstützung dieser Entwicklung verstehen und nicht als Hauptakteur, der den Prozess von außen kontrolliert." Ein guter Vorschlag sei es, eine unabhängige Aufbaukommission zu gründen, die langfristig ein Wiederaufbauprogramm begleiten und steuern könne.
Die Zeichen für einen solchen Weg scheinen günstig zu sein: Als Gastgeber der New Yorker Geberkonferenz fungieren Haitis Präsident René Préval, UN-Generalsekretär Ban Ki-Moon und US-Außenministerin Hillary Clinton. In ihren Reden zu Beginn der Tagung wollen sie an die Spendenbereitschaft der Teilnehmer appellieren. In den kommenden zehn Jahren will die UNO etwa 11,5 Milliarden Dollar für Haiti bereitstellen. Ehrgeiziges Ziel ist es dabei, das Land nicht nur auf den Zustand vor dem Beben zurückzuführen, sondern ein besseres Haiti zu schaffen.
3,8 Milliarden für drei Monate
Zu den vordringlichsten Aufgaben zählt es, hunderttausenden Menschen aus elenden und hygienisch problematischen Notunterkünften in Zelten zu einem neuen Zuhause zu verhelfen. Mehr als 220.000 Menschen wurden durch das Beben getötet, die Schäden werden auf acht Milliarden Dollar geschätzt - das ist weit mehr als Haitis jährliche Wirtschaftsleistung vor dem Erdbeben. Zudem liegen große Teile der Hauptstadt Port-au-Prince in Trümmern, 1,3 Millionen Menschen wurden obdachlos.
"Diese Hilfszusagen sollen das Lebensblut für Haitis Aufbau nach dem Erdbeben sein und das Fundament für die langfristige Entwicklung legen, die Haiti verdient", sagt Helen Clark, die Chefin des UN-Entwicklungsprogramms (UNDP), das die Hilfen für das Land koordiniert. Sie beziffert den Finanzbedarf für die nächsten 18 Monate auf 3,8 Milliarden Dollar. Dies habe eine Prüfung der haitianischen Regierung mit Unterstützung der UNO, der EU, der Weltbank und der Interamerikanischen Entwicklungsbank ergeben.
Deutschland soll sich verpflichten

Die Welthungerhilfe versucht durch bezahlte Arbeit den Menschen die Selbstversorgung zu ermöglichen.
(Foto: AP)
Die Experten sind sich im Klaren, dass die Hilfen wenig ausrichten würden, sollten sich Haitis alte Probleme erneut des Landes bemächtigen: Korruption, Misswirtschaft, politische Instabilität. "Der Wiederaufbau muss mehr als nur Trümmer zur Seite räumen", schrieb die "New York Times" in einem Kommentar am Wochenende. "Er wird all die alten Probleme wegräumen müssen: Nicht nur die korrupte und inkompetente Regierung, sondern auch die bisherigen Hilfs- und Entwicklungsbemühungen, die seit mehr als einem Jahrhundert ein absoluter Fehlschlag für Haiti waren."
Die Welthungerhilfe verlangt deshalb auch von Deutschland eine größere Anstrengung bei der Hilfe zum Aufbau des Landes. Die Bundesregierung solle sich mit Mittelzusagen langfristig verpflichten. Welthungerhilfe-Generalsekretär Wolfgang Jamann mahnt ein starkes Signal Deutschlands an, Haiti beim Neuanfang und der Schaffung funktionierender staatlicher Strukturen zu unterstützen. "Es gibt die einzigartige Chance, ein schon fast verlorenes Land wieder auf die Beine zu stellen."
Die Organisation selbst versucht durch ihre Arbeit zumindest im kleinen Maßstab funktionierende Wirtschaftskreisläufe zu etablieren. "Es geht darum, die Infrastruktur mit einem großen Arbeitskräftepotenzial auf Vordermann zu bringen", sagt Kühn über das Welthungerhilfe-Programm. Dabei würden Leute für einfache Arbeiten bezahlt, wie etwa die Säuberung von öffentlichen Plätzen und Gebäuden oder die Instandsetzung von Straßen. "Das wichtigste ist, die Leute wieder in einen – wenn auch kleinen – Wirtschaftskreislauf zu reintegrieren, um ihnen die Möglichkeit zu gegen, für sich selbst zu sorgen."
Quelle: ntv.de, tis/AFP/dpa