Berlin sieht keine erhöhte Bedrohung Mumbai-Szenario nicht erwartet
29.09.2010, 13:01 UhrHaben islamistische Terroristen Anschläge in deutschen und anderen europäischen Städten geplant? Ein in Afghanistan gefangener Deutsch-Afghane soll den US-Behörden entsprechende Tipps gegeben haben. Nach Angaben des Bundesinnenministeriums und von Sicherheitsbehörden gibt es eine Reihe von Erkenntnissen, aber keine konkreten Hinweise.

Berlin mit dem stark frequentierten Fernsehturm, dem mit 368 Metern höchsten Bauwerk Deutschlands, gilt bei Experten immer als potenzielles Terrorziel.
(Foto: picture-alliance/ dpa)
Es gibt in Deutschland derzeit keine konkreten Hinweise darauf, dass in der Bundesrepublik Terroranschläge nach dem Muster der Kommando-Aktionen in der indischen Metropole Mumbai von 2008 geplant waren. Ein solches Szenario lasse sich gegenwärtig aus den vorhandenen Informationen nicht nachvollziehen, verlautete aus Sicherheitskreisen. Es gebe zwar eine Reihe von Erkenntnissen aus Geheimdienstquellen und von Sicherheitsbehörden befreundeter Staaten. Diese ließen sich aber nicht konkret verifizieren.
Der britische Fernsehsender Sky News hatte zuvor berichtet, es seien in Deutschland und anderen europäischen Staaten Terroranschläge von Islamisten nach dem Muster der Attacken von Mumbai geplant. Dort hatten vor rund zwei Jahren aus Pakistan eingereiste Islamisten bei Angriffen auf zwei Luxushotels und andere Orte mehr als 160 Menschen getötet und hunderte verletzt.
Nach den Angaben aus deutschen Sicherheitskreisen ist derzeit auch kein Zusammenhang zwischen den jüngsten Terrordrohungen in Frankreich und den jetzt zitierten Informationen zu erkennen. Das Bundesinnenministerium hatte zuvor betont, es gebe keine konkreten Hinweise auf unmittelbar bevorstehende Anschläge in Deutschland – und es gebe keine veränderte Gefahrenbewertung.
"Längerfristige" Terrorpläne bekannt
Es sei bekannt, dass das Terrornetzwerk Al-Kaida "längerfristig" Anschläge in den USA, in Europa und auch in Deutschland plant, erklärte der Sprecher von Innenminister Thomas de Maizière (CDU), Stefan Paris, in Berlin. Diese Informationen ergäben sich aus "nachrichtendienstlichem Aufkommen". Daraus ergäben sich aber keine konkreten Hinweise auf unmittelbar bevorstehende Anschläge. Deshalb führten diese Hinweise auch nicht zu einer Veränderung der Gefährdungsbewertung für Deutschland. Die Bundessicherheitsbehörden würden die Informationen "mit der gebotenen Sensibilität und Intensität" analysieren und bewerten und sich darüber auch mit den internationalen Partnern austauschen, erklärte Paris.
Berlin will Deutsch-Afghanen befragen

Bei den Anschlägen von November 2008 waren in Mumbai vor allem stark von Ausländern besuchte Luxushotels betroffen.
(Foto: dpa)
Die Informationen der Medien gehen auf Verhöre eines Deutsch-Afghanen zurück, der seit Wochen von amerikanischen Ermittlern im US-Militärgefängnis Bagram vernommen wird. Der Mann gehört zu einer Gruppe von Hamburger Islamisten, die im März 2009 in das afghanisch-pakistanische Grenzgebiet gereist waren, um sich dort in Terrorcamps ausbilden zu lassen. Der Mann habe erklärt, der Attentatsplan sei von Al-Kaida-Führer Osama bin Laden gutgeheißen worden, berichtete der US-Sender ABC. Auch die USA seien womöglich ein Ziel gewesen; Präsident Barack Obama sei über die Gefahr bereits informiert worden, hieß es in dem Sender unter Berufung auf US-Beamte.
Das Auswärtige Amt in Berlin teilte mit, man bemühe sich bei der US-Regierung weiterhin um Zugang zu dem Mann. Deutsche Sicherheitsbeamte sagten, es gebe zwar eine Reihe von diffusen Hinweisen auch aus befreundeten Sicherheitsbehörden, aber keine handfesten Erkenntnisse über geplante oder verhinderte Anschläge.
Nach ZDF-Informationen hat der Deutsch-Afghane ausgesagt, dass den schwer bewaffneten Kommandoeinheiten, die für den Einsatz in den europäischen Städten vorgesehen waren, Deutsche, Araber und Tschetschenen angehören sollten. Der Mann habe den Behörden weitere Namen von Hintermännern gegeben, deshalb werde er als glaubwürdig eingeschätzt. Deutsche Sicherheitsbehörden wollten zur Glaubwürdigkeit der Aussagen keine Einschätzung abgeben.
Nach Informationen des "Wall Street Journal" hat der US-Geheimdienst unter anderem mit Drohnenangriffen auf Ziele in der pakistanischen Unruheregion Waziristan auf die neuen Hinweise reagiert. Im letzten Monat hat es dort so viele Drohnenangriffe gegeben, wie seit sechs Jahren nicht mehr.
Eiffelturm geräumt
Der Bericht über die Anschlagspläne fällt in eine Zeit vermehrter Sicherheitswarnungen der westlichen Geheimdienste. Erst vor einer Woche hatte US-Heimatschutzministerin Janet Napolitano erklärt, dass die USA und Europa einer immer größer werdenden Bedrohung von Anschlägen ausgesetzt seien. In Frankreich wiederum warnen die Sicherheitsbehörden seit Wochen vor einer konkreten Terrorgefahr. "Die Bedrohung ist real, unsere Überwachung ist verstärkt", hatte Innenminister Brice Hortefeux kürzlich erklärt.
Erst am Dienstagabend war zum zweiten Mal innerhalb von zwei Wochen der Pariser Eiffelturm wegen einer Bombendrohung geräumt worden. Rund zwei Stunden später wurde der Bombenalarm aber aufgehoben und der Eiffelturm wieder für Besucher geöffnet.
Quelle: ntv.de, dpa/AFP