Massive Luftschläge auf Tripolis NATO stellt Gaddafi Bedingungen
14.04.2011, 18:37 Uhr
Das libysche Staatsfernsehen zeigte Bilder, auf denen angeblich Gaddafi in Tripolis zu sehen ist.
(Foto: Reuters)
Die NATO formuliert erstmals konkrete Bedingungen für ein Ende des Einsatzes in Libyen: Gaddafis Truppen müssen sich zurückziehen, Zivilisten geschont und humanitäre Hilfe gewährt werden, teilt das Bündnis bei einem Treffen in Berlin mit. Gleichzeit fliegt die NATO massive Angriffe auf Tripolis. Die libyschen Rebellen sollen Waffen aus Katar erhalten haben.
Die NATO hat beim Außenministertreffen in Berlin Libyens Machthaber Muammar al-Gaddafi erstmals klare Bedingungen für ein Ende ihres internationalen Militäreinsatzes gestellt: Alle Angriffe und Angriffsdrohungen gegen Zivilisten müssten aufhören. Zudem müsse das Gaddafi-Regime alle Streitkräfte einschließlich Heckenschützen, Söldnern und anderen paramilitärischen Milizen nachprüfbar aus den Orten zurückziehen, in die diese Kräfte eingerückt seien. Ferner müsse das Regime für humanitäre Hilfsleistungen an alle Bedürftigen im Lande ungehinderten Zugang gewähren.
Die 28 Außenminister der Allianz forderten eine "transparente politische Lösung". Dies sei der einzige Weg für einen dauerhaften Frieden in Libyen. Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen wies Kritik am Verlauf des Einsatzes zurück. Sofern nicht drei Bedingungen erfüllt seien, werde das "hohe Einsatztempo" aufrecht erhalten. "Wir werden nicht untätig zusehen, wie ein diskreditiertes Regime sein eigenes Volk mit Granaten, Panzern und Scharfschützen angreift." Die NATO werde ihren Einsatz "so lange wie nötig" fortsetzen. Bundeskanzlerin Angela Merkel und US-Außenministerin Hillary Clinton hatten Gaddafi bei einem Treffen im Kanzleramt bereits zuvor erneut zum Rücktritt aufgefordert.
Westerwelle bemüht sich
Bei dem Treffen in Berlin ist die Bundesregierung nach dem Streit um ihre Enthaltung im UN-Sicherheitsrat sichtlich um Annäherung an ihre Partner bemüht. Bundesaußenminister Guido Westerwelle zeigte als Gastgeber demonstrative Einigkeit mit seinem französischen Kollegen Alain Juppé. Paris, das die UN-Resolution zum Schutz der Zivilbevölkerung maßgeblich vorantrieb, hatte der NATO vorgeworfen, nicht entschlossen genug gegen Gaddafis Truppen vorzugehen. Deutschland hatte sich im UN-Sicherheitsrat der Stimme enthalten und beteiligt sich nicht am NATO-Einsatz.
"Die deutsch-französischen Beziehungen sind so eng, so freundschaftlich, dass - wenn wir mal in einer Frage unterschiedliche Meinungen haben - augenscheinlich daraus gleich ein Drama gemacht wird, was ich nicht angemessen finde", sagte Westerwelle. Juppé versicherte: "Das Vertrauen ist nicht zerstört."
NATO braucht mehr Flugzeuge

Demonstrative Einigkeit: Außenminister Westerwelle mit NATO-Generalsekretär Rasmussen (rechts).
(Foto: dpa)
Rasmussen hatte zu Beginn des Treffens indirekt die vor allem von Frankreich kommende Kritik am mangelnden militärischen Einsatz der NATO zurückgewiesen. "Die Streitkräfte der NATO und unserer Partner ergreifen jede nur mögliche Maßnahme, um die brutalen und systematischen Angriffe von Gaddafi auf die eigene Bevölkerung zu verhindern." Seit Übernahme der Einsatzleitung vor knapp zwei Wochen habe die NATO 2000 Einsätze, davon 900 Kampfeinsätze gegen Ziele in Libyen geflogen.
Die NATO benötigt für ihren Krieg in Libyen nach Worten von Rasmussen noch zusätzliche Kampfflugzeuge. NATO-Oberbefehlshaber James Stavridis habe um einige Erdkampfflugzeuge zur präzisen Bekämpfung von Bodenzielen gebeten, sagte Rasmussen beim NATO-Außenministertreffen in Berlin. Er sei zuversichtlich, dass die Bündnispartner dieser Anfrage nachkommen würden. Er habe zwar noch keine Zusagen, aber Hinweise, die ihn hoffen ließen.
"Alle notwendigen Ressourcen"
Großbritannien und Frankreich einen Großteil der Attacken, die sich jedoch immer schwieriger gestalten, weil die Truppen Gaddafis in Wohnvierteln Stellung beziehen. Großbritannien und Frankreich hatten die Alliierten daher um Unterstützung gebeten, bisher jedoch nur Absagen erhalten. Nach Belgien lehnte es in Berlin auch Spanien ab, Kampfflugzeuge für Bodenangriffe zu schicken.
In einer gemeinsamen Erklärung verpflichteten sich die Außenminister nun, "alle notwendigen Ressourcen und die größtmögliche Flexibilität innerhalb unseres Mandats" zur Verfügung zu stellen. Insgesamt reichten die Kräfte der am Einsatz beteiligten Staaten - knapp 200 Flugzeuge und 18 Schiffe - aber aus, sagte Oberbefehlshaber Stavridis. Juppé und Westerwelle sagten, es sei Sache der Libyer, zu entscheiden, wie sie den nationalen politischen Dialog organisierten und welche Vorbedingungen es dafür gebe.
Kritik aus Schwellenländern
UN-Generalsekretär Ban Ki Moon bekräftigte unterdessen bei einer Libyen-Konferenz in Kairo seine Forderung nach einem Waffenstillstand. EU-Außenministerin Catherine Ashton sagte dort, Brüssel wolle, dass Gaddafi "sofort" abtrete. An dem von den UN mitorganisierten Treffen nahmen auch Vertreter der Arabischen Liga, der Afrikanischen Union und der Organisation der Islamischen Konferenz teil.
Kritik am internationalen Militäreinsatz kam von den fünf führenden Schwellenländer. "Wir teilen den Grundsatz, dass der Einsatz von Gewalt vermieden werden sollte", erklärten die die Staats- und Regierungschefs der sogenannten Brics-Staaten Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika bei ihrem Gipfeltreffen am Donnerstag im südchinesischen Sanya (Hainan).
Angriffe auf Tripolis

Die Rebellen sollen finanziell unterstützt werden. Waffen aus Katar sollen sie bereits bekommen.
(Foto: REUTERS)
Die Kämpfe in Libyen gehen mit unvermindertert Härte weiter, auch die internationale Allianz unter Führung der NATO flog neue Luftangriffe. Das Militärbündnis hat nach Angaben des Regimes Ziele in der Hauptstadt Tripolis und in Sirte bombardiert. Augenzeugen in Sirte, der Heimatstadt von Gaddafi, sagten, der Angriff habe vermutlich einem militärischen Ziel gegolten. Die heftigen Explosionen hätten dazu geführt, dass in zahlreichen Wohnhäusern die Fensterscheiben geborsten seien. Das libysche Staatsfernsehen hatte zuvor von Angriffen auf mehrere Ziele in Tripolis berichtet. Dabei habe es auch zivile Opfer gegeben.
In Adschdabija haben sich Gegner und Anhänger von Gaddafi schwere Schusswechsel geliefert. Gaddafis Truppen schossen mit Mörsern, die Rebellen feuerten Raketen ab. Seit Tagen liefern sich die gegnerischen Lager heftige Kämpfe um die ostlibysche Stadt, die 160 Kilometer südlich der Rebellenhochburg Bengasi liegt. Nach schweren Kämpfen am Wochenende hatten die Rebellen die Stadt am Montag von den Gaddafi-treuen Truppen zurückerobert. Den Aufständischen zufolge starben dabei mindestens 35 von Gaddafis Soldaten. Die NATO hatte Luftangriffe zur Unterstützung der Rebellen in Adschdabija geflogen.
Misrata heftig umkämpft
Bei Angriffen von Gaddafis Truppen auf die Hafenstadt Misrata sind nach Angaben der Aufständischen mindestens 13 Menschen getötet worden. Gaddafis Truppen hätten vom Morgen an dutzende Raketen und Panzergranaten auf den Hafen der von den Rebellen kontrollierten Stadt und auf ein angrenzendes Viertel abgefeuert, sagte ein Rebellensprecher. Unter den Toten seien auch Frauen, Kinder und vier Ägypter, die am Hafen auf ihre Ausreise gewartet hätten. Rund 50 Menschen seien verletzt worden. In den Trümmern der zerstörten Gebäude werde noch nach weiteren Opfern gesucht. Rund 6000 Ausländer warten nach Einschätzung der Vereinten Nationen darauf, aus Misrata in Sicherheit gebracht zu werden.
Die Aufständischen in Libyen sollen angeblich auch moderne Waffen aus dem Ausland erhalten haben. Das Regime in Tripolis wirft dem Golfemirat Katar eine Aufrüstung der Rebellen in Bengasi mit modernen Panzerabwehrwaffen vor. Die Katarer hätten nicht nur Raketen des Typs "Milan" geliefert, sondern auch Militärberater nach Ost-Libyen geschickt, sagte Vize-Außenminister Chalid al-Koeim in Tripolis. Augenzeugen sagten, in einem Militärlager am Rande der ostlibyschen Stadt Tobruk seien etwa 35 Offiziere aus Katar eingetroffen. Der Übergangsrat der Aufständischen in Bengasi wollte sich nicht dazu äußern.
Quelle: ntv.de, dpa/AFP/rts