Deutschland im UN-Sicherheitsrat "Dilettantisch und oberflächlich"
21.03.2011, 21:00 UhrDie Presse heißt den deutschen Schlingerkurs in der Libyen-Frage nicht gut. Die schwarz-gelbe Koalition wäre besser beraten gewesen, für die UN-Resolution mit Ja zu stimmen. So hätte der Staat sein Gesicht wahren können. Doch nun sei Deutschland außenpolitisch immer mehr isoliert, Guido Westerwelle kaum noch tragbar.
Die Frankfurter Allgemeine Zeitung meint, es sei bedenklich, dass bei der deutschen Enthaltung im UN-Sicherheitsrat "weder die Solidarität mit wichtigen Partnern noch das Bemühen um eine gemeinsame europäische Außen- und Sicherheitspolitik ausschlaggebend waren". Aus diesem Grunde hätte Deutschland der UN-Resolution besser zustimmen sollen, meint das Blatt weiter, auch wenn Merkel und Westerwelle nicht bereit gewesen wären, auch deutsche Flugzeuge nach Libyen zu schicken. "Geradezu peinlich wirkt das Angebot Berlins, sich nun an der Awacs-Mission zur Radarüberwachung des Luftraums in Afghanistan zu beteiligen, um Personal für den Einsatz über Libyen freizusetzen. Dass die Regierung aus innenpolitischem Kalkül die Entsendung von Awacs-Personal nach Afghanistan abgelehnt hat, ist nicht zu rechtfertigen gewesen und auch nicht wiedergutzumachen."
Die Stuttgarter Zeitung fragt, "wie Deutschland sich im Sicherheitsrat hätte verhalten sollen", und kommt zur selben Antwort: "Es wäre möglicherweise gesichtswahrender gewesen, an der Seite der Verbündeten mit Ja zu stimmen und die militärische Zurückhaltung Deutschlands zu Protokoll zu geben." Das Blatt gibt jedoch zu bedenken, dass es dann dauerhaft nicht vermittelbar gewesen wäre, "Ressourcen der Bundeswehr zu verweigern. Das größte Dilemma für Deutschland hätte derart kosmetisches Handeln ohnehin nicht aufgelöst." Fazit: "Die Europäische Union ist gespalten. Die Idee einer koordinierten europäischen Außenpolitik ist diskreditiert. Ein Traumtänzer, wer jetzt noch von einem gemeinsamen europäischen Sitz im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen redet."
Das Darmstädter Echo vergleicht Guido Westerwelle mit seinen Vorgängern: "Außenminister von Format wie Willy Brandt, Walter Scheel, Hans-Dietrich Genscher, Joschka Fischer und Frank-Walter Steinmeier haben die Interessen Deutschlands in der Kontinuität jener Grundregeln erfolgreich gestaltet und seine Weltgeltung neu begründet. So dilettantisch, so oberflächlich und konzeptionslos wie von seinem aktuellen Inhaber ist dieses Amt noch in keiner Phase seiner Nachkriegsgeschichte verwaltet worden." Die deutliche Folge davon sei "der fortschreitende internationale Bedeutungsverlust Deutschlands". So etwas habe dieses Land nicht verdient, meint das Blatt äußerst kritisch und schlussfolgert: "Auch Angela Merkel, die Kanzlerin, kann sich diesen Außenminister und sein groteskes Amtsverständnis in der gegenwärtigen, mehr als schwierigen Weltlage nicht länger leisten."
Es ist noch nicht lange her, dass Deutschland in den UN-Sicherheitsrat eingezogen ist. Die Südwest Presse erinnert daran, dass das "als großer diplomatischer Erfolg der schwarz-gelben Koalition gefeiert" wurde. Doch schon wenige Monate später "verirrt sich Berlin auf einem selbst gewählten Sonderweg. Alle jetzt nachgereichten Begründungen der Kanzlerin und ihres Außenministers können nicht darüber hinwegtäuschen, dass die deutsche Position schwer zu erklären ist - den eigenen Landsleuten wie den internationalen Partnern."
Die Frankfurter Neue Presse sieht in der Libyen-Frage bei allen deutschen Parteien, also auch bei SPD und Grüne, einen "Schlingerkurs". Dieser verdeutliche vor allem eins: "Keiner will vor den Landtagswahlen in Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg dem Lager jener zugerechnet werden, die tatenlos zusehen, wie ein Diktator seine Untertanen abschlachtet. Keiner will aber auch eine Angriffsfläche bieten, um bei unglücklichem Verlauf eines internationalen Eingriffs als Kriegspartei kritisiert zu werden. Das Dumme ist nur, dass man sich entscheiden muss: im Leben - und erst recht in der Politik."
Quelle: ntv.de, zusammengestellt von Julia Kreutziger