"Spaltende Wahlkampfauftritte" NRW-Minister fordert klare Worte von Merkel
03.03.2017, 09:54 Uhr
Bei einem Auftritt des türkischen Ministerpräsidenten Binali Yildirim in Oberhausen im Februar.
(Foto: REUTERS)
Die geplanten Wahlkampfauftritte türkischer Minister rufen heftige Kritik hervor. NRW-Justizminister sagt, türkische Regierungsmitglieder versuchten, "einen Spalt hineinzutreiben in unsere Gesellschaft". Seehofer spricht von einem Missbrauch des Gastrechts.
Im Streit um Wahlkampfauftritte türkischer Minister in Deutschland hat der nordrhein-westfälische Justizminister Thomas Kutschaty eine eindeutige Positionierung von Kanzlerin Angela Merkel in Richtung Ankara gefordert. Merkel müsse dem türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdogan deutlich machen, dass "solche spaltenden Wahlkampfauftritte mit antidemokratischer Zielrichtung hier bei uns in Deutschland nicht erwünscht sind", sagte der SPD-Politiker im WDR.
Die Stadt Gaggenau in Baden-Württemberg hatte am Donnerstag einen Wahlkampfauftritt des türkischen Justizministers Bekir Bozdag aus Sicherheitsbedenken abgesagt. Die Stadt Köln lehnte einen Auftritt des türkischen Wirtschaftsministers Nihat Zeybekci am Sonntag im Bezirksrathaus Köln-Porz ab. Nach einem Bericht des "Kölner Stadt-Anzeigers" will Zeybecki nun am Sonntag eine Veranstaltung eines türkischen Kulturvereins in Leverkusen besuchen.
Minister: Habe "volle Sympathie"
Verbote solcher Veranstaltungen seien immer Einzelfallentscheidungen der Kommunen und der zuständigen Polizeibehörden, sagte Kutschaty. Er habe "volle Sympathien" für die Entscheidung der Bürgermeister. Türkische Regierungsmitglieder versuchten "einen Spalt hineinzutreiben in unsere Gesellschaft", in der Türken und auch Kurden friedlich zusammenlebten. Es sei "unerträglich, wenn auf deutschem Boden Werbung gemacht werden soll für eine Verfassung, die alles andere als demokratisch und rechtsstaatlich ist".
Auch CSU-Chef Horst Seehofer kritisierte die Wahlkampfauftritte türkischer Minister in Deutschland scharf. "Wenn türkische Politiker unsere freiheitliche Grundordnung ausnutzen, um für einen demokratiefeindlichen Staatsumbau in ihrem Land zu werben, missbrauchen sie das Gastrecht", sagte der bayerische Ministerpräsident der "Süddeutschen Zeitung".
Der Vize der Türkischen Gemeinde in Deutschland hält die Absage eines Wahlkampfauftritts des türkischen Justizministers in Baden-Württemberg für falsch. Demokratische Regeln müssten beachtet werden, forderte Atila Karabörklü im ZDF. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan beachte zwar die Verfassung des Landes nicht."Das heißt aber nicht, dass wir eine Antwort auf dieser Ebene geben müssen." Er hoffe, dass Bundeskanzlerin Merkel den Streit beruhigen könne, fügte Karabörklü hinzu.
Der türkische Justizminister Bozdag und der Wirtschaftsministers Zeybekci wollten für ein Ja bei der Volksabstimmung über das von Staatschef Recep Tayyip Erdogan angestrebte Präsidialsystem werben. Bei dem für den 16. April angesetzten Referendum sind auch rund 1,4 Millionen Türken in Deutschland wahlberechtigt.
Das türkische Außenministerium bestellte nach einem Bericht der staatlichen Nachrichtenagentur Anadolu am Donnerstagabend den deutschen Botschafter in Ankara, Martin Erdmann, ein. Das Verhältnis zwischen Berlin und Ankara ist wegen der Inhaftierung des "Welt"-Korrespondenten Deniz Yücel in der Türkei ohnehin belastet.
Quelle: ntv.de, ghö/dpa