Sprengstoff und Waffe besorgt? NSU-Helfer arbeitete für LKA
14.09.2012, 07:12 Uhr
Die Berliner müssen jetzt herausfinden, was schieflief.
(Foto: picture alliance / dpa)
Immer neue Enthüllungen im Fall der Terrorzelle NSU: Jetzt sollen Berliner Behörden für mehrere Pannen verantwortlich sein. Unter anderem soll ein mutmaßlicher Helfer der Rechtsterroristen jahrelang Informant des Landes Berlin gewesen sein.
Im Zusammenhang mit den Ermittlungen gegen die stehen jetzt auch die Berliner Behörden in der Kritik. Ein Beschuldigter in dem Fall soll V-Mann des Landes Berlin gewesen sein, wie der Untersuchungsausschuss-Vorsitzende Sebastian Edathy (SPD) sagte. Zehn Jahre lang habe er als V-Mann des Landeskriminalamtes gearbeitet, berichteten der "Spiegel" und die "Süddeutsche Zeitung".
Der heute 44-Jährige sei von Ende 2000 bis Januar 2011 als Quelle des Berliner LKA aktiv gewesen. Nach eigener Aussage habe er der Terrorzelle NSU Ende der 90er Jahre rund ein Kilogramm TNT-Sprengstoff besorgt. Bei mindestens fünf Treffen mit seinen V-Mann-Führern habe er auch Hinweise auf die untergetauchten NSU-Mitglieder gegeben, die er letztmalig 1998 gesehen haben will. Im Jahr 2002 wies er die Polizisten demnach darauf hin, sie sollten sich zum Aufspüren des Trios auf einen aus Sachsen stammenden Produzenten rechtsextremer Musik konzentrieren. Heute ist der 44-Jährige laut dem Bericht einer von 13 Beschuldigten, gegen die der Generalbundesanwalt im Zusammenhang mit dem NSU-Terror ermittelt.
Von der früheren V-Mann-Tätigkeit des Beschuldigten für das Berliner LKA erfuhr die Bundesanwaltschaft erst im März 2012. Im Juli informierte die Behörde demnach den NSU-Untersuchungsausschuss. Dieser wiederum erfuhr erst am Donnerstag von den Vorgängen beim Berliner LKA.
Die "Berliner Zeitung" berichtete ebenfalls von einem mutmaßlichen Unterstützer der Terrorzelle, der für das LKA gearbeitet haben soll. Die Zeitung stützte sich auf ein Fax des LKA Berlin an das Bundeskriminalamt vom 22. August 2001 mit einem entsprechenden Hinweis, gab aber einen anderen Namen für den mutmaßlichen V-Mann an. Der Beschuldigte soll 1998 den Auftrag bekommen haben, den Untergetauchten eine Schusswaffe zu besorgen. Zudem soll er ab 2000 in telefonischem Kontakt zu einer Mittelsperson des Trios gestanden und Versorgungsaufträge erledigt haben.
Hinweise versandet?
Zuvor hatte der Untersuchungsausschuss beklagt, das Land Berlin habe der parlamentarischen Aufklärung einen wichtigen Hinweis vorenthalten: Demnach soll dort bereits im Jahr 2002 ein Hinweis auf den möglichen Aufenthaltsort des untergetauchten Terror-Trios Beate Zschäpe, Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt vorgelegen haben. Was mit den Informationen des Kontaktmannes geschah und ob Berlin sie damals an die Fahnder in Thüringen weitergaben, die nach den untergetauchten Rechtsextremisten fahndeten, ist laut "Spiegel" unklar.
Nach den Pannen wird in der Hauptstadt hektisch nach den Ursachen gesucht. Innensenator Frank Henkel (CDU) will sich nach dpa-Informationen heute mit den innenpolitischen Sprechern der Fraktionen und anderen Politikern treffen, um das Thema zu erörtern. Henkel hatte angekündigt, die Vorwürfe prüfen zu lassen und dem NSU-Untersuchungsausschuss des Bundestages alle Informationen bereitzustellen.
Der frühere Verfassungsschutzchef in Baden-Württemberg, Johannes Schmalzl, bedauerte unterdessen im Untersuchungsausschuss Ermittlungsfehler beim Polizistenmord von Heilbronn 2007. "Die Fehler sind nicht entschuldbar", sagte der heutige Stuttgarter Regierungspräsident. Aus den Fehlern seien Lehren zu ziehen.
Am 25. April 2007 war die in Heilbronn mit einem Kopfschuss getötet worden. Der Mord soll auf das Konto des NSU-Trios gehen. "Wir wussten nichts von dieser Terrorgruppe", sagte Schmalzl. Rechtsterrorismus habe damals in der Arbeit der Sicherheitsbehörden kaum eine Rolle gespielt. "Ich bin überzeugt, mit dem Wissen von heute würde vieles anders gemacht." In dem Fall sind bis heute viele Fragen offen.
Hermann verteidigt MAD
Vor dem Hintergrund der Pannenserie bei den Ermittlungen warnte Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) vor einer "selbstzerstörerischen Diskussion" über die Sicherheitsbehörden. "Es ist absurd, dass Bundespolitiker und Mitglieder des NSU-Untersuchungsausschusses alle Nachrichtendienste pauschal zur Disposition stellen", sagte Herrmann der "Welt". "Sie beschädigen damit in unverantwortlicher Weise das Ansehen der Sicherheitsbehörden. Diese selbstzerstörerische Diskussion muss aufhören."
Herrmann wies die Forderung von Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) und anderen zurück, den Militärischen Abschirmdienst (MAD) abzuschaffen. "Falls es einzelne Fehler beim MAD oder Verteidigungsministerium gegeben hat, müssen sie aufgeklärt werden. Es gibt aber keinen Grund dafür, unsere Sicherheitsbehörden kaputtzuhauen", sagte er.
Quelle: ntv.de, dpa/AFP