Nach der Wahl ist vor der Wahl Nachtragshaushalt in Arbeit
17.10.2002, 11:36 UhrBereits im Bundeshaushalt des laufenden Jahres klafft nach einem Bericht der "Financial Times Deutschland" ein Loch von bis zu 14 Mrd. Euro. Die Neuverschuldung müsse deshalb um "einen deutlichen zweistelligen Betrag" erhöht werden, schreibt die Zeitung unter Berufung auf Regierungskreise. Sie werde bei bis zu 35 statt bei 21,1 Mrd. Euro liegen.
Nach Information der "FTD" arbeitet Eichel derzeit an einem Nachtragshaushalt für dieses Jahr, der gleichzeitig mit dem Budgetentwurf für das kommende Jahr Mitte November im Bundestag debattiert werden soll.
Deutschland droht Verfahren
Gestern war bekannt geworden, dass die EU-Kommission ein Verfahren gegen Deutschland einleiten will, sollte das deutsche Haushaltsdefizit in diesem Jahr über drei Prozent liegen. Zuvor hatte Bundesfinanzminister Hans Eichel (SPD) in der n-tv Sendung "Maischberger" angekündigt, Deutschland werde die Defizitgrenze von drei Prozent wohl nicht einhalten können.
Wenige Tage nach der Bundestagswahl hatte Eichel bereits eine Erhöhung der Neuverschuldung von 2,5 auf 2,9 Prozent nach Brüssel gemeldet. Auch diese Zahl werde nicht zu halten sein, sagte er nun.
Als Grund für den Bruch der Defizitkriterien nannte Eichel die hinter den Erwartungen zurückgebliebenen Steuereinnahmen. Sicherheit darüber habe in seinem Ministerium erst geherrscht, nachdem die Zahlen der Steuereinnahmen im September bekannt geworden seien. "Der September ist noch schlechter gelaufen als der Vergleichsmonat 2001." Für das nächste Jahr rechnet Eichel nach eigenen Angaben allerdings mit einer Unterschreitung der Drei-Prozent-Grenze.
Kritik am starren Stabilitätspakt
Das Institut für Wirtschaftsforschung in Halle (IWH) erwartet nicht, dass Deutschland nach der angekündigten Verfehlung der EU-Defizitkriterien am Ende eine Geldstrafe zahlen muss. Das IWH warnte darüber hinaus vor Forderungen einzelner Staaten an die Europäische Zentralbank (EZB), die Zinsen zu senken.
Zwar stehe als mögliche Konsequenz eines EU-Verfahrens zur EU-Defizit-Verfehlung am Ende eine Strafzahlung, sagte IWH-Präsident Rüdiger Pohl im ZDF. "Das wird so weit aber gar nicht kommen. Denn ich denke, den Stabilitätspakt, den wir auf EU-Ebene haben, der ist praktisch tot."
EU-Kommissionspräsident Romano Prodi ging noch weiter. Er bezeichnete in der französischen Zeitung den Stabilitätspakt als "dumm". Er sagte: "Ich weiß sehr wohl, dass der Stabilitätspakt dumm ist, genauso wie alle Entscheidungen, die starr sind." Dem Pakt fehle es an Flexibilität.
Das Interview sorgte in Brüssel für Verwirrung. Ein Sprecher Prodis schwächte ab: Prodi halte nicht das Regelwerk ab sich für dumm, sondern kritisiere eine zu starre Anwendung.
Quelle: ntv.de