Verdacht einer Braune Armee Fraktion Neonazis mordeten landesweit
11.11.2011, 18:53 Uhr
Der Polizistenmord von Heilbronn war wohl keine Einzelaktion. Die Bundesanwaltschaft zieht den Fall an sich: Sie sieht Verbindungen zur sogenannten Döner-Mordserie an türkischen und griechischen Ladenbesitzern. Damit gibt es Hinweise auf rechten Terrorismus in Deutschland. Operierte von Sachsen aus eine Braune Armee Fraktion?
Hinter dem Polizistenmord von Heilbronn und der sogenannten Döner-Mordserie stehen nach Auffassung der Bundesanwaltschaft wohl die gleichen rechtsextremen Täter. Die Behörde übernahm deshalb die Ermittlungen. "Es liegen zureichende Anhaltspunkte dafür vor, dass die Mordtaten einer rechtsextremistischen Gruppierung zuzurechnen sind", teilte die Bundesanwaltschaft mit.
Entscheidende Puzzleteile hatten jahrelang gefehlt. Nun, innerhalb weniger Tage, tragen Ermittler in Sachsen, aber auch in Thüringen plötzlich Spuren zusammen, die einige der spektakulärsten Verbrechen des vergangenen Jahrzehnts aufklären könnten. Alle enden bei Beate Z. in Zwickau. Nur sie blieb übrig, nachdem sich ihre beiden Mitbewohner nach einem Banküberfall in Eisenach am vergangenen Freitag erschossen haben sollen. Bomben, Banküberfälle, der Polizistenmord von Heilbronn – und nun noch die sogenannten Döner-Morde, eine bislang ungeklärte Serie von Anschlägen auf neun türkisch- und griechischstämmige Imbissbetreiber überall in Deutschland.
Der Polizistenmord von Heilbronn und die Döner-Morde zwischen 2000 und 2006 folgten demnach stets dem gleichen Muster: Der oder die Mörder kamen am helllichten Tag, schossen ihren Opfern – acht türkischen und einem griechischen Kleinunternehmer – aus nächster Nähe in den Kopf und verschwanden, ohne große Spuren zu hinterlassen. Ganz ähnlich war es am 25. April 2007 in Heilbronn, wo die 22-jährige Polizistin Michele K. mitten am Tag auf einer Festwiese mit einem Kopfschuss getötet wurde. Ihr damals 24 Jahre alter Streifen-Kollege wurde schwer verletzt und lag mehrere Wochen im Koma.
Polizei findet Propaganda-Filme
Die Dienstwaffen der wurden vor einer Woche in einem Wohnmobil bei Eisenach in Thüringen sichergestellt. Dort fanden sich auch weitere Gegenstände der Beamten. In der Wohnung der mutmaßlichen Täter in Zwickau wurde zudem die Pistole gefunden, mit der die Döner-Morde verübt worden waren. Die beiden Männer, denen auch mehrere Banküberfälle angelastet werden, begingen nach Polizeiangaben in dem Wohnmobil Selbstmord.
Nach den bisherigen Erkenntnissen hatten die Männer und Beate Z. bereits Ende der 1990er Jahre Verbindungen zu rechtsextremistischen Kreisen. In der Zwickauer Wohnung wurden außerdem Beweise sichergestellt, die auf ein rechtsextremes Motiv für die Morde hindeuten. Darunter Propaganda-Videos, die sich auf eine Gruppierung mit dem Namen "Nationalsozialistischer Untergrund" beziehen und Hinweise zu den Döner-Morden enthalten. Nach Angaben aus Ermittlerkreisen waren die DVDs zum Teil noch verpackt.
Die Bundesanwaltschaft geht davon aus, dass die Frau Mitglied einer terroristischen Vereinigung war. "Es liegen zureichende Anhaltspunkte dafür vor, dass die Mordtaten einer rechtsextremistischen Gruppierung zuzurechnen sind." Deutschlands ranghöchste Ermittler werfen ihr Mord, versuchten Mord sowie schwere Brandstiftung vor. Auch weitere Verdächtige aus rechtsextremistischen Kreisen sollen in die Taten verstrickt sein.
Zwischen September 2000 und April 2006 waren acht türkische und ein griechischer Unternehmer erschossen worden. Die blutige Spur zog sich quer durch Deutschland: Drei Morde ereigneten sich in Nürnberg, zwei weitere in München, jeweils ein Mord geschah in Hamburg, Rostock, Dortmund und Kassel. Benutzt wurde immer die selbe Waffe, eine tschechische Pistole der Marke Ceska, Kaliber 7,65.
Selbstmord war das passende Puzzle
Im Heilbronner Polizistenmord tappten die Ermittler rund viereinhalb Jahre lang im Dunkeln. Monatelang suchten sie nach einem Phantom. Im März 2009 stellte sich heraus, dass eine vermutete heiße DNA-Spur von verunreinigten Wattestäbchen stammte. Erst mit dem Selbstmord der 34 und 38 Jahre alten Männer in Eisenach gelang den Beamten der erste Ermittlungserfolg.
Nach Informationen des SWR geht die Polizei inzwischen davon aus, dass einer der beiden mutmaßlichen Bankräuber seinen Komplizen erschossen und sich dann selbst getötet hat – weil Polizisten im Anmarsch waren. Beate Z. habe unmittelbar nach dem Tod der beiden Männer deren Familie telefonisch informiert.

Das Bild einer Überwachungskamera zeigt die Täter bei einem Bankraub am 07.09.2011 in Arnstadt.
(Foto: dpa)
Dieser mutmaßliche Ablauf der Vorgänge wirft für Karlsruher Bundesanwälte und die Ermittler neue Fragen auf: Warum etwa bringen sich zwei offensichtlich eiskalte Killer nach einem – dazu noch geglückten – Banküberfall einfach selbst um? Was hat ihre wahrscheinlich nicht minder abgebrühte Komplizin Beate Z. dazu getrieben, sich zu stellen? Und vor allem: Handelte das Trio allein?
Beate Z. sitzt derzeit in Untersuchungshaft. Bislang schweigt sie zu den Vorwürfen. Sie wohnte zusammen mit den mutmaßlichen Bankräubern. Die Polizei vermutet, dass sie die gemeinsame Wohnung in Brand gesteckt hat, um Beweise zu vernichten.
Keine V-Leute
Sie und ihre mittlerweile toten Kumpanen hatten Kontakte in die Neonazi-Szene. In den 1990er Jahren sollen sie beim rechtsextremen "Thüringer Heimatschutz" aktiv gewesen sein - danach jedoch nicht mehr. Nach dem thüringischen Verfassungsschutz erklärte auch das sächsische Landesamt, dass die drei keine V-Leute gewesen seien. Zu ihren Aufenthaltsorten seit ihrem Abtauchen 1998 habe man keine Kenntnis gehabt.
Polizei und Staatsanwaltschaft in Zwickau hatten bereits am Mittwoch gesagt, ihnen sei das Trio, das unter verschiedenen Namen auftrat, bis zum vergangenen Freitag gar nicht bekanntgewesen. Auch das sächsische Landeskriminalamt hat bislang noch nie etwas mit dem Trio zu tun gehabt.
Drei Tage vor ihrem letzten Bankraub und dem anschließenden Tod der beiden Männer wurde im nahe gelegenen Döbeln der 41 Jahre alte Besitzer des Döner-Imbisses "Aladin" von einem maskierten Mann erschossen. Ob diese Tat im Zusammenhang mit den Döner-Morden steht, ist bislang unklar. Es könnte der letzte Mord der Bande gewesen sein.
Quelle: ntv.de, dpa