In Israel wächst Widerstand Netanjahu droht Revolte aus eigener Partei
24.11.2019, 21:02 Uhr
Will Likud-Chef Benjamin Netanjahu stürzen: Gideon Sa'ar fordert Neuwahlen, um Israel aus dem Stillstand zu holen.
(Foto: REUTERS)
Bisher stand in Israel Netanjahus Likud-Partei trotz Korruptionsvorwürfen geschlossen hinter ihm. Doch nun wagt sich ein Rivale aus der Deckung und fordert "Bibi" offen heraus. Kann es dem Likud gelingen, seinen mächtigen Parteichef zu stürzen?
Nach der Korruptionsanklage gegen Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu bricht im Likud der Machtkampf aus. Der frühere Innenminister Gideon Sa'ar will Netanjahu stürzen. Am Sonntag beantragte er eine Neuwahl des Vorsitzenden. Den Chefposten will er selbst übernehmen und auch Ministerpräsident werden. "Gideon Sa'ar ist eine echte Herausforderung", sagt Steffen Hagemann, Büroleiter der Heinrich Böll Stiftung in Tel Aviv, im Gespräch mit n-tv.de. "Sa'ar bietet an: 'Lasst uns jetzt sofort eine Urwahl des Parteivorsitzenden machen! Denn dann kann der Likud an der Macht bleiben'."
Zurzeit steht die Politik in Israel still. Schon zweimal in diesem Jahr mussten die Israelis wählen, weil es beide Male nicht gelang, eine Regierungskoalition zu bilden. Das Bündnis "Blau-Weiß", stärkste Kraft im Land, verweigert sich einer großen Koalition, solange "Bibi" Netanjahu im Amt ist. Ein Premier, der unter Anklage steht, ist für "Blau-Weiß" nicht akzeptabel. Würde Netanjahu gestürzt, so stünde einem Regierungsbündnis nichts mehr im Wege.
Allerdings müsste sich der Likud beeilen: Nur noch drei Wochen läuft die Frist zur Regierungsbildung, bis zum 11. Dezember um Mitternacht. Wird die nicht genutzt, dann gibt es Neuwahlen im März. "Die will tatsächlich niemand", sagt Hagemann, "auch nicht im Likud". Denn viele dort argwöhnen, dass es Netanjahu auch im dritten Anlauf nicht gelingen würde, eine Mehrheit zu bekommen. "Und ob er rein rechtlich unter Anklage eine Regierung bilden dürfte, ist auch noch nicht geklärt."
Der Generalstaatsanwalt steht unter Polizeischutz

Kritiker sagen, er habe die Interessen Israels nicht mehr im Blick: Premierminister Benjamin Netanjahu.
(Foto: picture alliance / dpa)
Von Getreuen Netanjahus kam scharfe Kritik an Sa'ars Vorstoß. Auch unter drohender Anklage gelingt es dem Premier noch immer, seine enge Anhängerschaft bei sich zu halten. "Die Frage ist, ob es seinen Gegenspielern gelingt, einen Vorschlag zu machen, hinter dem sich alle versammeln können", sagt Hagemann. Gideon Sa'ar sei dafür nicht populär genug. Dem Parlamentssprecher Juli Edelstein räumt er bessere Chancen ein. "Der genießt über Parteigrenzen hinweg Respekt und Ansehen. Er wäre ein Kompromisskandidat für den Übergang."
Je länger und verzweifelter Netanjahu sich an der Macht fest tackert, desto mehr verschärft er die politische Stimmung im Land. Als Generalstaatsanwalt Avichai Mandelblit vergangene Woche die Anklage ankündigte, behauptete der angeschlagene Premier, das sei ein Putschversuch. Der Likud rief dazu auf, vor dem Haus von Mandelblit und anderen Anwälten zu demonstrieren. "Der Diskurs hier ist sehr polarisiert", sagt Hagemann, "sehr stark gegen Personen gerichtet. Und wenn man sagt, das sei ein Coup gegen den Ministerpräsidenten und die Strafverfolgungsbehörden selbst müssten eigentlich auf der Anklagebank sitzen, dann kann das auch Gewalt hervorbringen." Mandelblit und andere Ermittler stehen mittlerweile unter Polizeischutz. Neuesten Umfrage zufolge wünscht sich die Hälfte der israelischen Bevölkerung, dass Netanjahu nach zehn Jahren Amtszeit zurücktritt. Das jedoch hat er ausgeschlossen.
Quelle: ntv.de, mit dpa