Diskussion um EU-Vertrag Neue Grundlage gefordert
26.03.2007, 06:51 UhrDer luxemburgische Premierminister Jean-Claude Juncker hat nach dem Berliner EU-Gipfel die Notwendigkeit einer neuen vertraglichen Grundlage für die Europäische Union bekräftigt. "Wir brauchen einen neuen Grundvertrag, mit dem wir dann aktiv Politik gestalten können", sagte er in der ARD. Zugleich räumte Juncker ein, dass Europa "soziale Defizite" habe. So plädiere er etwa "seit einem halben Menschenleben für einen Mindestsockel an Arbeitnehmerrechten".
Der Staatsminister im Auswärtigen Amt, Günter Gloser (SPD) forderte bei n-tv, "dass die Europäische Union handlungsfähiger werden muss, transparenter werden muss, auch demokratischer. Alles das gehört zur Substanz dieses Verfassungsvertrages, den ja alle auch unterschrieben haben." Letztlich hätten die Mitgliedsstaaten in Rom dies ja auch unterzeichnet. Hieran müsse man die Skeptiker, die sich direkt nach der Berliner Erklärung getroffen hätten, erinnern.
Beim Jubiläums-Gipfel zum 50. Geburtstag der EU hatten sich die 27 Staats- und Regierungschefs am Sonntag in der "Berliner Erklärung" verpflichtet, bis 2009 einen neuen Vertrag über die politischen Spielregeln in Kraft zu setzen. "Ein Scheitern wäre ein historischen Versäumnis", sagte die amtierende EU-Ratspräsidentin Merkel. Mit der Erklärung vollzog die EU die Wende in der fast zweijährigen Verfassungskrise.
Der neue Vertrag soll - wie die in Frankreich und den Niederlanden gescheiterte ursprüngliche Verfassung -Europa sozial, demokratisch, global schlagkräftig und für die Bürger verständlich machen. Das Wort "Verfassung" fehlt allerdings in der Erklärung. Im ZDF warnte Merkel vor einem Scheitern. "Das wäre schon eine sehr ernste Situation." Die neue vertragliche Grundlage für die EU müsse noch "hart erarbeitet werden". Allein könne sie dies nicht schaffen. "Ich brauche den guten Willen aller." Der slowakische Regierungschef Robert Fico unterstützte Merkel. Es gebe "eine Menge Problem in der EU, die schnell gelöst werden müssen", sagte er der "Financial Times Deutschland".
Angesichts der Widerstände bei einigen EU-Mitgliedern riet der frühere Präsident des Europäischen Parlaments, Klaus Hänsch (SPD), diesen Staaten, die Europäische Union zu verlassen. Jene Staaten, die die EU nicht auf eine erneuerte Grundlage stellen und die Substanz der Verfassung nicht mittragen wollten, müssten sich überlegen, ob sie nicht austreten wollen, sagte er der "Berliner Zeitung". So müsste die britische Regierung vor einem Referendum den Bürgern klar machen, dass es dabei nicht nur um einen Vertragstext gehe, sondern um die Frage, ob Großbritannien "drinnen oder draußen" sei.
Bundeswirtschaftsminister Michael Glos (CSU) sprach sich in der Sendung "Sabine Christiansen" dafür aus, nach der Aufnahme Kroatiens die Erweiterung der Europäischen Union zunächst zu stoppen. Man müsse "mal aufhören, die EU immer größer machen zu wollen. Ich glaube, dass wir lange Zeit nicht in der Lage sind, weitere Länder aufzunehmen." Auch Juncker riet zu Zurückhaltung: "Ich bin der Meinung, dass man so nicht weiter wird machen können. Wir können nicht immer erweitern, erweitern, erweitern." Dagegen verlangte der Grünen-Fraktionschef im Europäischen Parlament, Daniel Cohn-Bendit, die Aufnahme der Türkei: "Die Menschen in der Türkei, die demokratisch und laizistisch sind, die wollen nach Europa." Die Frage einer Mitgliedschaft werde sich aber in den nächsten 15 Jahren nicht stellen.
Die Vizepräsidentin der EU-Kommission, Margot Wallström, sagte der Zeitung "Die Welt" mit Blick auf den neuen Vertrag: "Er muss einfacher, kürzer und lesbarer sein." Vor allen Dingen aber müsse der neue Vertrag gegenüber dem alten Verfassungstext "zusätzliche, innovative Elemente beinhalten". Sie schlug vor, Artikel zum Klimawandel und zur Energiesicherheit aufzunehmen.
Quelle: ntv.de