Spannung vor Obama-Rede Neue Pläne für Afghanistan
01.12.2009, 17:18 Uhr
Die Bundeskanzlerin und ihr neuer Außenminister wollen nicht unter Zeitdruck entscheiden.
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Die Bundesregierung will sich bei der Entscheidung über eine Truppenaufstockung in Afghanistan nicht von US-Präsident Barack Obama unter Zeitdruck setzen lassen. Deutschland werde erst nach der Afghanistan-Konferenz Ende Januar in London einen Beschluss fällen, ob und welche zusätzlichen Anstrengungen es am Hindukusch unternehme, sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel in Berlin. Auch bei der Truppensteller-Konferenz der NATO in einigen Tagen werde sich Deutschland noch nicht festlegen.
"Wir hören jetzt die Wünsche der Vereinigten Staaten von Amerika, wir werden uns aber in diesen Tagen nicht entscheiden, sondern wir werden das erst nach der Afghanistan-Konferenz tun", sagte Merkel.
Deutschland hat seine eigene Meinung
Außenminister Guido Westerwelle betonte: "Wir werden uns in Europa und auch in Deutschland unsere eigene Meinung bilden." Zuerst gehe es um die Strategie und das Festlegen der gemeinsamen Ziele. "Erst dann kann es um die Frage gehen, was dafür nötig ist." Das entscheidende Datum werde der 28. Januar sein, an dem die internationale Afghanistan-Konferenz stattfinde. Die Abstimmung mit den internationalen Partnern sei der Bundesregierung wichtig. "Aber wir werden auch unsere eigenen strategischen Überlegungen anstellen."
Merkel verwies darauf, dass Deutschland in Afghanistan bereits heute drittgrößter Truppensteller nach den USA und Großbritannien ist. Der von den Deutschen überwachte Norden habe an strategischer Bedeutung gewonnen habe, weil dort wichtige Transportrouten hindurchführten. Speziell in der Region Kundus sei die Sicherheitslage kompliziert.
SPD überlegt noch
In der SPD gibt es nach Angaben ihres Parteichefs Sigmar Gabriel noch keine festgelegte Position zur Frage einer Aufstockung des Bundeswehr-Kontingents in Afghanistan. Die SPD werde sich intensiv und öffentlich in den nächsten Monaten damit auseinandersetzen, sagte Gabriel. Die Befindlichkeit in seiner Partei entspreche der Stimmung in der Bevölkerung, die den Einsatz mit Skepsis sehe.
Spannung vor Obamas Rede

Der US-Präsident ...
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Obama hat offenbar die Absicht, den Militäreinsatz zunächst zu verstärken, um ihn dann kontrolliert beenden zu können. Damit soll zum einen den militärischen Erfolgen der radikalislamischen Taliban begegnet werden, zum anderen soll der US-Bevölkerung und den Soldaten die Gewissheit vermittelt werden, dass der Kriegseinsatz sich nicht endlos hinzieht. Die Entscheidung über das weitere Vorgehen in Afghanistan gilt als die schwerwiegendste seit Obamas Amtsantritt im Januar.

... wird eine massive Aufstockung der US-Truppen verkünden.
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Der US-Präsident will in seiner mit Spannung erwarteten Rede zur künftigen Strategie in Afghanistan nach Angaben eines US-Regierungsvertreters die Entsendung von 30.000 zusätzlichen US-Soldaten ankündigen. Die Truppenverstärkung für die derzeit stationierten 68.000 US-Soldaten solle innerhalb von sechs Monaten erfolgen, sie werde sich auf eine relativ kurze Zeitfrist beschränken, fügte der Regierungsvertreter hinzu, der sich wenige Stunden vor Obamas angekündigter Rede in der Militärakademie West Point (Mittwoch 02.00 Uhr MEZ) äußerte. Verbinden wird Obama seinen Beschluss wohl mit der Erwartung, dass die anderen NATO-Staaten ihr militärisches Engagement ebenfalls verstärken. Im Gespräch waren weitere 10.000 Soldaten.
Abzug noch vor 2013
Aus dem Weißen Haus verlautete, Obama werde einen Termin benennen, an dem der Abzug der Soldaten beginnen soll. Dieser Termin werde deutlich vor dem Ende seiner Amtszeit Anfang 2013 liegen.
1500 Soldaten aus Frankreich?
Von Frankreich verlangen die USA nach Informationen der Zeitung "Le Monde" die Entsendung von 1500 zusätzlichen Soldaten. US-Chefdiplomatin Hillary Clinton soll dies ihrem französischen Kollegen Bernard Kouchner telefonisch mitgeteilt haben. Ein französischer Regierungssprecher wollte sich zu dem Bericht nicht äußern. Das US-Außenamt bestätigte derweil, es habe ein Gespräch stattgefunden, Sprecher Ian Kelly wollte aber keine Einzelheiten nennen. Derzeit sind rund 3300 französische Soldaten in Afghanistan stationiert, eine Aufstockung hat Paris bislang abgelehnt.
"Le Monde" berichtete, die USA wollen von Deutschland 2000 zusätzliche Soldaten für Afghanistan. Die Bundeswehr hat derzeit 4500 Soldaten am Hindukusch stationiert
Großbritannien stockt auf
Der britische Premier Gordon Brown hatte zuvor angekündigt, dass London 500 weitere Soldaten an den Hindukusch schickt. Damit erhöhe sich die Zahl der Briten - inklusive Sondereinheiten - auf mehr als 10.000, sagte Brown vor dem Unterhaus in London. Die Soldaten sollten im Dezember zur Verfügung stehen, acht NATO-Staaten hätten bereits Zusagen über mehr Soldaten gemacht. Welche Staaten dies sind, sagte er nicht.
Australien sicherte derweil seine langfristige Unterstützung zu. "Australien nimmt seine Allianz mit den USA sehr ernst", sagte der australische Premierminister Kevin Rudd nach einem Treffen mit Obama und Außenministerin Clinton. Sein Land stehe seit langer Zeit an der Seite der USA in Afghanistan. "Deshalb werden wir auch langfristig mit Amerika dort sein", sagte Rudd. Australien hat mehr als 1300 Soldaten am Hindukusch stationiert.
Quelle: ntv.de, dpa/rts/AFP