

Es ist ein geschundenes Land.
Zerstörung, ...
... Armut, ...
... Unterdrückung und ...
... Tod.
Seit 30 Jahren herrscht in Afghanistan Bürgerkrieg.
Mit dem Einmarsch der internationalen Schutztruppen 2001 ist es in manchen Regionen zwar ruhiger geworden, ...
... aber der Widerstand der radikal-islamischen Taliban hat bis heute nicht nachgelassen.
Mit neuer Taktik und verbesserter Ausrüstung setzen sie die Truppen des Westens weiter unter Druck und verhindern wirklichen Frieden.
Fast 500 tote Soldaten muss die internationale Gemeinschaft allein bis Ende November 2009 beklagen - so viele wie in keinem Jahr zuvor.
Der Sieg von einst fühlt sich eher nach einer Niederlage an.
Auch acht Jahre nach der Vertreibung der Taliban herrscht in weiten Teilen des Landes Krieg.
Schon der Kalte Krieg hatte Afghanistan wie kaum ein anderes Land gnadenlos heimgesucht.
Die USA und die UdSSR fanden gleichermaßen immer wieder Unterstützer im Land am Hindukusch.
Diese opponierenden Lager lieferten sich immer neue Bruder-Kriege.
1978 übernehmen die Kommunisten die Macht in Afghanistan, mit Unterstützung der Sowjetunion. (Im Bild der von den Sowjets eingesetzte Präsident Babrak Karmal)
Sie versuchen, die Stammesgesellschaft Afghanistans binnen kurzer Zeit mit Gewalt in einen modernen zentralistischen Staat sozialistischer Prägung umzuwandeln.
Ein umfangreiches Wirtschafts- und Bildungsprogramm sowie eine Landreform sollen in Angriff genommen werden. Als die neuen Machthaber auch antireligiöse Tendenzen erkennen lassen, wächst der regionale Widerstand der Stämme und Dörfer zu einer Rebellion.
Die sowjetische Hilfe von außen reicht schon bald nicht mehr für den Machterhalt.
Im Dezember 1979 marschieren russische Truppen in Afghanistan ein.
Große Teile der bisherigen Armee schließen sich dem Widerstand an. Außerdem gründen sich zahlreiche Mudschaheddin-Gruppen.
Die Guerilla-Kämpfer sind untereinander zerstritten. Ihre Zusammenarbeit beschränkt sich allein auf die Bekämpfung der kommunistischen Herrschaft.
Der zehnjährige Krieg zieht das gesamte Land in Mitleidenschaft. Nur wenige Städte und Dörfer bleiben verschont. Der zerstörte Darulaman-Palast bei Kabul.
Amnesty international berichtet aus den Jahren der russischen Besatzung von einer großen Zahl schwerer Menschenrechtsverletzungen auf allen Seiten. Dazu gehören systematische Tötungen, Folter und Vertreibung.
Wie viele Menschen diesem Krieg zum Opfer gefallen sind, weiß keiner genau. Doch die Schätzung von einer halben bis zu einer Million dürfte realistisch sein.
Mehr als fünf Millionen Afghanen, fast ein Drittel der Bevölkerung, fliehen ins Ausland, vor allem nach Pakistan und Iran.
In den 80er-Jahren besiegen die von Pakistan aus operierenden und von den USA und Saudi-Arabien finanzierten Mudschaheddin das kommunistische Regime.
Auf einer Loja Dschirga (Ratsversammlung) bekommt die Republik Afghanistan 1987 eine neue Verfassung, nach Verhandlungen unter Vermittlung der UNO ziehen die sowjetischen Truppen ab 1988 ab. 1989 verlassen die letzten russischen Truppen das Land.
Nach dem sowjetischen Rückzug entbrennt ein blutiger Krieg um die Macht in Afghanistan, der von den verschiedenen Mudschaheddin-Führern mit äußerster Härte ausgetragen wird.
Die prominentesten dieser Warlords sind der Paschtune Gulbuddin Hekmatyar (rechts), ...
... der Tadschike Ahmed Schah Massud, er wird 2001 von als Journalisten getarnten Mördern getötet, ..
... und der Usbeke Abdul Raschid Dostum.
Zu dieser Zeit wird auch die Hauptstadt Kabul weitgehend zerstört. (Im Bild Kabul im Jahr 1969)
1992 erobern die Mudschaheddin Kabul und stürzen die Regierung unter Staatspräsident Mohammed Nadschibullah. Hier feiern die Mudschaheddin in Nadschibullahs Bett.
1994 tauchen die Taliban auf, eine Gruppe, die sich um Mullah Muhammad Omar zusammenschließt, um örtliche Kriegsherren in der Provinz Kandahar zu entwaffnen.
Weil der innere Kern der Gruppe größtenteils in von religiösen Parteien in Pakistan betriebenen Koranschulen erzogen worden war, nennen sie sich Taliban, "Schüler".
Zu dieser Gruppe gehören ehemalige Mitglieder verschiedener Splitterparteien, die desillusioniert sind von der unsicheren Lage im ganzen Land und dem Versagen der Mudschaheddin, die einen islamischen Staat errichten wollten.
Zu den zunächst überwiegend paschtunischen Taliban stoßen andere Kämpfer, u.a. auch ausländische aus Saudi-Arabien, Nordafrika und anderen Ländern. Auch viele ehemalige Kommunisten werden in die Taliban-Reihen aufgenommen.
Die USA unterstützten die Taliban auch mit ökonomischen Hintergedanken: 1995 schließt die US-Ölfirma Unocal mit den Taliban einen Vertrag über den Bau einer Erdgaspipeline von Turkmenistan über Afghanistan nach Pakistan.
Von ihrer südlichen Machtbasis aus übernehmen die Taliban 1994 bis 1996 die Kontrolle über weite Teile des Landes; 1996 erobern sie Kabul.
Im Oktober 2001 haben die Taliban über 90 Prozent Afghanistans unter ihre Kontrolle gebracht.
Die einzig verbleibende Opposition, die sogenannte Nordallianz, kann sich lediglich noch in einem kleinen Landstrich im Nordosten des Landes halten.
Die Taliban errichten eine Diktatur, die auf einer extremen Auslegung des islamischen Rechts, der Scharia, beruht.
Musik, Sport, Bilder und Fernsehen werden verboten, fast sämtliche Schulen und Universitäten geschlossen.
Männer sind gezwungen, Bärte zu tragen.
Nicht nur Verbrecher haben härteste Strafen wie Amputationen oder Hinrichtungen zu befürchten.
Alle Andersdenkenden, wie zum Beispiel die Schiiten, werden als "Ungläubige" verfolgt.
Gegen die Minderheit der Hazara kommt es mehrfach zu Aktionen, die von der Gesellschaft für bedrohte Völker als Völkermord eingeschätzt werden.
Frauen müssen die "Burka", den Ganzkörperschleier, anlegen und werden aus dem öffentlichen Leben ausgeschlossen.
Sie dürfen nicht arbeiten, sich nicht ohne einen männlichen Verwandten außerhalb des Hauses bewegen, medizinische Hilfe dürfen sie nur von Frauen erhalten, Ärztinnen dürfen aber nicht arbeiten. Mädchen wird die schulische Bildung verweigert.
Sowohl der Analphabetismus als auch die Kindersterblichkeit steigen enorm. Die Taliban verweigern internationalen Hilfsorganisationen die effektive Unterstützung der notleidenden Bevölkerung, z.B. während der Hungerkatastrophe 2001.
Viele Kulturgüter werden zerstört. (Im Bild ein Theater)
Als "dem Islam widersprechende Darstellung lebender Wesen" fallen Jahrtausende alte Kunstwerke aus den Museen des Landes genauso zum Opfer, wie historische Filmaufnahmen aus dem Afghanistan des frühen 20. Jahrhunderts.
Höhepunkt dieser Kulturrevolution ist die Sprengung der 1.500 Jahre alten Buddha-Statuen von Bamiyan, die zum UNESCO Weltkulturerbe zählten.
Nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 marschieren die Amerikaner am 7. Oktober 2001 in Afghanistan ein.
Ziel der Operation "Enduring Freedom" ist es Führungs- und Ausbildungseinrichtungen von Terroristen auszuschalten, Terroristen zu bekämpfen, gefangen zu nehmen und vor Gericht zu stellen.
Außerdem sollen Dritte dauerhaft von der Unterstützung terroristischer Aktivitäten abgehalten werden.
Auch der Sturz der Taliban ist ein Ziel, da man diesen vorwirft, Al Kaida zu unterstützen und zu schützen.
Die Operation soll zudem die humanitäre Situation in Afghanistan wesentlich verbessern und die Grundlagen für eine "Demokratisierung" schaffen.
Osama bin Laden ist jedoch bis heute nicht gefasst.
Es gelingt, die Taliban zu stürzen, hierbei stellt die Nordallianz den Großteil der Bodentruppen.
Im Dezember 2001 einigen sich die Führer der ehemaligen Mudschaheddin sowie afghanischer Exilgruppen auf der Petersberger Konferenz in Bonn auf einen Stufenplan zur Demokratisierung des Landes.
Eine provisorische Regierung mit dem paschtunischen Stammesführer Hamid Karsai an der Spitze wird gebildet.
Ende 2003 wird eine verfassungsgebende Loya Dschirga einberufen, die die neue afghanische Verfassung im Januar 2004 ratifiziert. Afghanistan ist nun eine islamische Republik mit einem präsidialen Regierungsystem.
2004 finden im Land Präsidentschaftswahlen statt, seitdem ist Karsai als nunmehr demokratisch legitimierter Präsident im Amt. Die Wiederwahl 2009 wird von Manipulationsvorwürfen überschattet.
Kritiker werfen ihm zudem vor, einflussreiche regionale Machthaber in Führungspositionen gebracht zu haben. Und mit ihnen Korruption und Ineffizienz.
Nach den Parlamentswahlen im September 2005 konstituiert sich das erste frei gewählte afghanische Parlament seit 1973.
Doch über 20 Jahre Bürgerkrieg haben tiefe Spuren hinterlassen.
Trotz der ungeheuren Aufbauarbeit, die vor den Afghanen liegt, gibt es für viele keine Arbeit, mit der sie das Überleben ihrer Familien sichern könnten.
Die Lebenssituation von Frauen und Mädchen ist noch immer katastrophal. Misshandlungen und Vergewaltigungen sind an der Tagesordnung.
Alleinstehende Frauen sind laut einer Caritas-Studie gar völlig an den Rand der Gesellschaft gedrängt.
In dem vom Krieg gezeichneten Land gibt es Tausende Witwen, die nach wie vor kaum in der Lage sind, ihren Lebensunterhalt zu sichern.
Sie und ihre Kinder werden noch auf Jahre hin auf die Unterstützung durch Hilfsorganisationen angewiesen sein.
In einer weitgehend aufgelösten Gesellschaft versuchen inzwischen zahlreiche Nichtregierungsorganisationen in unzähligen Projekten ...
... gegen Unterernährung, Armut und Zukunftslosigkeit anzugehen.
Nicht jedes Projekt wird am Ende Erfolg haben.
In ihrem Afghanistan-Konzept weist die Bundesregierung darauf hin, dass seit 2001 in Afghanistan 3.500 Schulen gebaut wurden, ein Drittel der sechs Millionen Schüler sind Mädchen.
Es gibt wieder zehn Universitäten, in der extrem jungen afghanischen Gesellschaft ist das Erlangen von Bildung jedoch nach wie vor schwierig und zum Teil auch gefährlich.
Rund drei Viertel der Bevölkerung hat inzwischen Zugang zu medizinischer Betreuung.
Die Frauen- und Kindersterblichkeit ist nach wie vor hoch.
In großen Impfaktionen wird gegen Krankheiten wie Kinderlähmung vorgegangen.
Für viele Kinder kommt die Impfung jedoch zu spät.
Afghanistan gehört zu den am stärksten verminten Ländern der Welt.
Für die Räumung der wichtigsten von Minen und Blindgängern betroffenen Flächen in Afghanistan rechnet das UN Mine Action Center mit einem Zeitaufwand von zehn bis zwanzig Jahren.
Hunderttausende Afghanen, insbesondere Frauen und Kinder, wurden bislang durch Minen getötet.
Unzählige Menschen sind durch Minen und andere Blindgänger verkrüppelt. Viele dieser Opfer müssen ihr Dasein als bettelnde Krüppel fristen.
Auch die Seelen der Menschen sind von den Jahren des Krieges gezeichnet. Viele sind über die erlebten und zum Teil selbst begangenen Grausamkeiten seelisch krank geworden. Noch gibt es nur wenig Hilfe für psychisch Kranke.
Afghanistan gehört immer noch und wieder zu den größten Opiumlieferanten der Welt.
Viele Bauern sind noch immer angewiesen auf das Geld aus dem Mohnanbau, um ihre Familien ernähren zu können.
Die aufständischen Taliban finanzieren sich über den florierenden Drogenhandel ebenso wie einzelne Provinzfürsten.
Bisher produzierte Afghanistan die Drogen zwar, konsumierte sie aber kaum. Nun lindert das Rauschgift Schmerzen und Hunger und schafft neue Probleme, Süchtige, für deren Behandlung es kaum Hilfe gibt.
Mit der neuen Öffnung kommen weitere Probleme, die einst leeren Straßen sind nun voller Autos. In der Hauptstadt Kabul herrscht ständiges Verkehrschaos, die Stadt liegt unter einer Abgaswolke.
Inzwischen verstärken sich auch die Umweltprobleme.
Die in den 1950-er Jahren auch von der deutschen Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit angepflanzten Wälder sind schon wieder weitgehend abgeholzt.
Denn die Winter sind kalt und es mangelt an Heizmaterial. Die Abholzung hat jedoch verheerende Folgen.
In Dürrejahren, von denen Afghanistan regelmäßig heimgesucht wird, ist die Bodenerosion enorm.
Und wenn es dann regnet, kann der Boden das Wasser nicht mehr aufnehmen, 2007 sterben viele Afghanen während einer Hochwasserkatastrophe.
In den großen Städten gibt es auch positive Zeichen. Gerade in Kabul florieren bereits Kleingeschäfte.
Mit Mikrokrediten können sich auch Frauen wieder eine Existenz aufbauen.
Der afghanische Nationalsport Buzkashi wird wieder gespielt.
Die Musik ist nach Afghanistan zurückgekehrt.
Ohne den langfristigen zivilen Aufbau des Landes befürchten Experten jedoch, werden die positiven Entwicklungen erneut zum Stillstand kommen.
Deutschland hat einschließlich humanitärer Hilfe, Not- und Übergangshilfe bereits mehr als 1,1 Milliarden Euro für Afghanistan bereitgestellt.
In einen internationalen Fonds fließen in den nächsten fünf Jahren weitere 50 Millionen Euro.
Ziel ist es noch immer, dass Afghanistan irgendwann wieder von Afghanen regiert wird.
Über 37.000 einheimische Sicherheitskräfte wurden bereits ausgebildet. Wegen Desertionen, Ausbildungs- und Ausstattungsmängeln dürfte die tatsächliche Einsatzbereitschaft allerding nur bei 16.000 Soldaten liegen.
Bald soll die Afghanische Nationale Armee 70.000 Mann stark sein.
Doch das Land wird wahrscheinlich noch lange auf ausländische Militärs im Land angewiesen sein.
Bei der Polizei ist die Lage noch schwieriger, viele der dramatisch angestiegenen Selbstmordanschläge richten sich gegen die neuen Polizeikräfte.
So leiden die Afghanen noch immer daran, dass militante Kräfte, Islamisten oder Warlords vor allem an der Erhaltung ihrer persönlichen Macht und der damit verbundenen Pfründe interessiert sind.
Es wird noch viele Konferenzen brauchen und viele Jahre Aufbauarbeit, bis Afghanistan wieder ein blühendes Land ist.