Politik

Plätze für NSU-Prozess verlost OLG findet nur zweitbeste Lösung

324 Medien waren am Ende im Lostopf.

324 Medien waren am Ende im Lostopf.

(Foto: REUTERS)

Wer bisher eine Akkreditierung für den NSU-Prozess hatte, kann sie wegschmeißen. Nach dem Windhund-Prinzip ist es jetzt das Losverfahren, das für ausreichend Öffentlichkeit sorgen soll. Das gelingt zwar, auch türkische und griechische Medien sind diesmal vertreten. Doch warum nicht einfach alle Journalisten den Prozess per Videoübertragung verfolgen können, diese Frage bleibt weiter unbeantwortet.

Diese Medien haben beim NSU-Prozess einen festen Sitzplatz

Nachrichtenagenturen
Radio Dienst, Rufa Rundfunk-Agenturdienst, IHA (Ihlas Haber Ajansi, Türkei), dpa, dpa English

Ausländische Medien

ERT (Radio + TV, griechisch), Al Jazeera (Büro Istanbul), Sabah, Hürriyet, Evrensel (Tageszeitung), Radio Lora München (polnischsprachig), Svenska Dagbladet, France 2 Berlin, NOS (Niederländischer Rundfunk), Neue Züricher Zeitung

Deutsche Medien

Fernsehen: ARD, WDR, Ebru TV, Kabel 1

Radio: Deutschlandfunk, BR, SWR, TOP FM, Charivari, Radio Lotte Weimar

Tageszeitungen: BILD, Allgäuer Zeitung, Passauer Neue Presse, Pforzheimer Zeitung, Sächsische Zeitung, Oberhessische Presse Marburg, Stuttgarter Zeitung, Lübecker Nachrichten

Wochenzeitungen und Wochenmagazine: Focus, Stuttgarter Nachrichten – Sonntag aktuell, Süddeutsches Magazin, Der Spiegel

Weitere deutsche Medien: Tom Sundermann (freier Journalist), Freie Presse, Straubinger Tagblatt/Landshuter Zeitung, Thüringer Tageszeitung "Freies Wort", Thüringer Landeszeitung, Viola Volland (freie Journalistin), RTL2, Offenbach Post, ZDF, Hallo-Muenchen.de, Hendrik Puls (freier Journalist), Junge Welt, Brigitte

Eine Woche vor Beginn des NSU-Verfahrens steht fest, welche Medien mit reservierten Plätzen von einem der wichtigsten Verfahren in der deutschen Rechtsgeschichte berichten können. Das ist eine gute Nachricht, zumal durch die Organisation verschiedener Lostöpfe nun auch griechische und türkische Medien angemessen berücksichtigt wurden. Im ersten Akkreditierungsverfahren waren alle türkischen und fast alle internationalen Medien bei der Vergabe der 50 Presseplätze leer ausgegangen.

Dem Oberlandesgericht München ging es auch im zweiten Anlauf darum, für ausreichende Informationsmöglichkeiten der Öffentlichkeit zu sorgen, um spätere Revisionsanträge möglichst von vornherein auszuschließen. Das ist sicher gelungen, ab dem 6. Mai wird eine bunte Mischung aus Journalisten von Nachrichtenagenturen, Fernsehsendern, Hörfunkstationen, Zeitungen und Zeitschriften im Gerichtssaal Platz nehmen und das Verfahren mit ihrer Berichterstattung begleiten.

Wer also etwas darüber erfahren möchte, was Zeugen und Angeklagte aussagen, was Nebenkläger denken und fordern, welche Anträge gestellt und welche Beweismittel vorgelegt werden, hat jede nur erdenkliche Möglichkeit dazu. Egal, ob er lieber Radio hört, fernsieht, eine Regionalzeitung oder Nachrichten im Internet liest.

Es bleiben Defizite

Doch es bleibt ein fader Nachgeschmack. So lobenswert es ist, dass die ausländischen Medien nun feste Plätze haben, so eigenartig kann es anmuten, wenn nun ausgerechnet der türkischen Zeitung "Sabah", die das Bundesverfassungsgericht angerufen hatte, diesmal das Losglück hold ist. Aus professionellen Erwägungen kann man sicher auch beklagen, dass außer der Deutschen Presseagentur, die erstaunlicherweise mit ihrem deutschen und zusätzlich noch einmal mit ihrem englischsprachigen Dienst vertreten ist, keine weitere Nachrichtenagentur ausgelost wurde. Weder Reuters, noch Agence France Press, noch Associated Press können also Journalisten entsenden. Dies wäre im Sinne einer größeren Vielfalt sicher wünschenswert gewesen.

Schwierig kann man es auch finden, dass viele der überregionalen Tageszeitungen beim Losverfahren leer ausgingen. Nicht die "Süddeutsche Zeitung", deren SZ-Magazin aber wohl, nicht die "Frankfurter Allgemeine Zeitung", nicht die "Welt" und auch nicht die "Tageszeitung" verfügen nun über den gesicherten Zugang zu dem wichtigen Prozess. Sicher sind die Ermittlungspannen im Lauf der Aufklärung der NSU-Morde und das nun stattfindende juristische Verfahren zwei verschiedene Paar Schuhe. Doch ohne die Recherchearbeit vieler Journalisten vor allem dieser Zeitungen läge vieles um die Taten des NSU noch immer im Dunkeln. Da sind Reporter am Werk, die kluge Fragen stellen und manches im Prozessverlauf besser einordnen können, als Kollegen, die sich nun möglicherweise zügig in ein neues Themengebiet einlesen müssen.

Das OLG hat mit seinem Losverfahren auch Glück gehabt. Die "Bild"-Zeitung hat ebenso das Los gezogen, wie ARD und ZDF, und auch die großen Privatsenderfamilien sind wie durch Zauberhand dann doch mit einem Mitglied irgendwie dabei, ebenso wie der "Spiegel" und "Focus". Keiner von denen wird nun gegen den Losentscheid vor Gericht ziehen.

Videoübertragung für Journalisten

Doch an einem zentralen Problem ändert sich nichts: Der Saal A101 ist zu klein für den großen Andrang in dem spektakulären Verfahren. Zwar können Medien auch nachträglich noch Berichterstattungs-Pools bilden, was die Überlassung von festen Presseplätzen an andere akkreditierte Kollegen ermöglicht. Doch die naheliegendste Idee kommt noch immer nicht zum Zug – die Videoübertragung in einen anderen Gerichtssaal.

Dabei hätte diese Variante mehrere Vorteile. Die Presseplätze im Gerichtssaal könnten Besuchern zur Verfügung gestellt werden, Angehörigen der Opfer, interessierten Bürgern oder Jurastudenten. Eine bessere Möglichkeit, die Überlegenheit eines rechtsstaatlichen Verfahrens zu beobachten, gibt es wohl kaum. Und jeder interessierte Journalist könnte jeden einzelnen Verhandlungstag in professionellem Umfeld verfolgen und anschließend seine Leser, Hörer oder Zuschauer informieren. Das wäre echte Transparenz und wirkliche Gerechtigkeit.  

Quelle: ntv.de

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