Israel bezeichnet Iran-Deal als "historischen Fehler" Obama will Netanjahu überzeugen
25.11.2013, 17:03 Uhr
Netanjahu kritisiert die Vereinbarung mit dem Iran - und schickt den nationalen Sicherheitsberater in die USA.
(Foto: REUTERS)
Die Einigung im Atomstreit mit dem Iran wird weltweit begrüßt. Auch die Wirtschaft ist begeistert, die Ölpreise fallen. Doch Israel bezeichnet den Deal als "historischen Fehler". US-Präsident Obama will Premier Netanjahu nun umstimmen.
Nach dem Durchbruch im Atomstreit mit dem Iran werben die USA bei ihrem Verbündeten Israel um Zustimmung. US-Präsident Barack Obama bemüht sich, Ministerpräsident Benjamin Netanjahu von der Vereinbarung zu überzeugen. Netanjahu hatte das am Wochenende nach jahrelangem Streit zwischen dem Iran und den Weltmächten erzielte Zwischenabkommen als "historischen Fehler" bezeichnet.
An den Börsen dagegen sorgte die Einigung für Auftrieb. Denn die Lockerung von Sanktionen im Gegenzug für eine teilweise Aussetzung des Atomprogramms öffnet Unternehmen eine Tür für neue Geschäfte. "Der Iran ist wirtschaftlich ein schlafender Riese", sagte Volker Treier vom DIHK. Der Ölpreis gab zudem deutlich nach, was die Aktienbörsen gleichfalls beflügelte.
Obama telefonierte am späten Sonntagabend mit Netanjahu, der nun rasch seinen nationalen Sicherheitsberater zu Gesprächen in die USA schicken will. Der US-Präsident räumte ein, Israel habe gute Gründe, skeptisch zu sein. Das Abkommen verringere aber die Bedrohung Israels durch den Iran. Obama und Netanjahu hätten zudem das gemeinsame Ziel betont, dem Iran von Atomwaffen fernzuhalten, teilte US-Präsidentensprecher Josh Earnest mit. Zugleich habe Obama seinem Gesprächspartner versichert, "dass die USA fest an der Seite Israels stehen". Die beiden Politiker vereinbarten den Angaben zufolge, wegen des Vorgehens gegenüber Teheran "in engen Kontakt" zu bleiben.
Anders als die westlichen Staaten glaubt Netanjahu nicht an eine Verringerung der iranischen Bedrohung. Netanjahu kündigte an, sein Sicherheitsberater Jossi Cohen werde mit der US-Regierung über das endgültige Abkommen mit dem Iran beraten. "Dieses Abkommen muss ein Ergebnis haben: das Ende der iranischen Fähigkeit zum Bau von Atomwaffen." Netanjahu verwies darauf, dass die iranischen Führer erst vergangene Woche ihren Willen bekräftigt hätten, "den Staat Israel zu zerstören". Irans geistliches Oberhaupt Ayatollah Ali Chamenei hatte gesagt, Israel sei "zum Verschwinden verurteilt".
Gegenwehr bekommt Obama aber auch aus dem Kongress. Mehrere einflussreiche Abgeordnete und Senatoren aus beiden Parteien brachten eine Verschärfungen der Iran-Sanktionen auf dem Gesetzeswege ins Spiel. Sie begründen die Überlegungen mit ihrem Misstrauen gegenüber Teheran und wollen nach eigener Aussage erreichen, dass das Land überhaupt kein Uran mehr anreichern darf. Andere Parlamentarier wollen mit härteren Strafmaßnahmen reagieren, sollte der Iran seinen Teil der Abmachung nicht einhalten.
"Jetzt beginnt der wirklich schwierige Teil"
Doch selbst Saudi-Arabien, der ärgste regionale Rivale des Iran, äußerte sich zuversichtlich, dass das vorläufige Abkommen ein Schritt hin zu einer umfassenden Lösung sein könne. Voraussetzung sei allerdings, dass der Iran guten Willens sei.
Irans Außenminister und Chefunterhändler Mohammed Dschawad Sarif kündigt an, sein Land werde in den kommenden Wochen damit beginnen, die Übereinkunft umzusetzen. Bis zum Jahresende werde die erste Phase des Programms angegangen, sagte Sarif am Sonntag im staatlichen Fernsehen. Der Iran sei zudem bereit, die Beratungen über ein endgültiges Abkommen aufzunehmen.
US-Außenminister John Kerry warnte derweil vor einem Nachlassen in den Bemühungen um eine endgültige Lösung. "Jetzt beginnt der wirklich schwierige Teil", sagte er bei einem Zwischenstopp in London. Es gehe darum, einen endgültigen und umfassenden Vertrag über das iranische Atomprogramm zu schließen. Die Einigung mit Teheran sei "ein wichtiger erster Schritt", sagte der Berliner Regierungssprecher Steffen Seibert. Um die "bestehenden Zweifel auszuräumen", müsse weiter "Vertrauen aufgebaut" werden.
Die fünf UN-Vetostaaten USA, Russland, China, Großbritannien und Frankreich sowie Deutschland hatten sich in Genf mit der Islamischen Republik auf ein sechsmonatiges Übergangsabkommen verständigt. Darin erklärt sich der Iran bereit, Teile seines Atomprogramms auszusetzen und intensivere UN-Kontrollen zuzulassen. Die für den Bau von Atomwaffen kritische Uran-Anreicherung wird gestoppt - der Iran muss sie für die geplante zivile Nutzung bei fünf Prozent deckeln und höher angereicherten Nuklearbrennstoff vernichten. Außerdem dürften keine neuen Zentrifugen und Anreicherungsanlagen eingerichtet werden. Die Anlagen würden von Inspekteuren der Atombehörde IAEA überwacht.
Im Gegenzug werden einige Sanktionen gelockert, die das Land wirtschaftlich in die Knie gezwungen haben. Zu den seit 2007 verhängten EU-Sanktionen gehören Ein- und Ausfuhrverbote für Waffen, Technologie zum Bau von Atomwaffen oder Telekommunikationssysteme. Verboten sind auch Investitionen in die Öl- und Gasindustrie sowie Finanzhilfen. Der Westen verdächtigt Teheran, heimlich nach Atomwaffen zu streben. Dies weist die iranische Führung von sich, sie beharrt aber auf ihrem Recht der friedlichen Nutzung der Atomkraft.
EU will Sanktionen schnell abbauen
Zugesagt wurde dem Iran die schrittweise Freigabe von gesperrten Geldern aus Ölverkäufen. Dies dürfte dem wirtschaftlich angeschlagenen Land rund 4,2 Milliarden Dollar einbringen. Zudem wird der Handel unter anderem mit Erdölprodukten und Edelmetallen teilweise wieder ermöglicht. Insgesamt werde von den Verhandlungspartnern die Aussetzung der Sanktionen auf rund sieben Milliarden Dollar Gegenwert geschätzt, teilte das Auswärtige Amt in Berlin mit.
Die EU will die ersten Sanktionen gegen den Iran bereits noch vor Jahresende aufheben. Die Lockerung der Strafmaßnahmen werde "im Dezember beginnen", sagte der französische Außenminister Laurent Fabius dem Sender Europe 1. Die Lockerungen bei den Sanktionen würden "begrenzt, gezielt und umkehrbar" ausfallen, kündigte Fabius an. Fabius nannte als Beispiel für wahrscheinliche Lockerungen den Bereich der Autoindustrie. Die Kritik Israels, dem Iran das grundsätzliche Recht auf Urananreicherung einzuräumen, wies Fabius zurück. Das Abkommen stelle sicher, dass Teheran keinen "Unsinn" machen könne, es gebe "sehr exakte Begrenzungen".
Der Iran wird allerdings nach Einschätzung der Internationalen Energieagentur (IEA) seine Ölproduktion nicht rasch steigern können. Dennoch drückten die Aussichten, dass iranisches Erdöl langfristig wieder auf den Weltmarkt drängen könnte, auf den Ölpreis. Der Preis für das richtungsweisende Nordsee-Sorte Brent fiel zu Wochenbeginn um 2,7 Prozent auf 108,06 Dollar. Ein Barrel des US-Öl WTI kostete mit 93,29 Dollar 1,6 Prozent weniger als am Freitag.
Auch in der deutschen Wirtschaft nährt das Abkommen Hoffnungen auf eine neue Blütezeit der traditionell engen Wirtschaftsbeziehungen zwischen beiden Ländern. Der Außenwirtschaftschef des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK), Treier, sagte, der Iran mit seinen rund 80 Millionen Menschen sei vom Potenzial her zu vergleichen mit einem Land wie die Türkei. Sollte der Einigungsweg in eine umfassende Lösung münden, halte er schon in wenigen Jahren ein Handelsvolumen in zweistelliger Milliardenhöhe zwischen beiden Ländern für möglich. 2012 lag die Summe aus Aus- und Einfuhren wegen der einschneidenden Sanktionen gegen den Iran bei nur noch 2,8 Milliarden Euro.
Quelle: ntv.de, mli/rts/AFP