Politik

"Der Funke ist übergesprungen" "Occupy"-Welle schwappt über

Proteste vor dem Bundestag in Berlin.

Proteste vor dem Bundestag in Berlin.

(Foto: dapd)

Auf der ganzen Welt demonstrieren Menschen nach dem Vorbild der "Occupy Wall Street"-Bewegung gegen die Macht der Finanzmärkte. In Berlin räumt die Polizei eine Sitzblockade vor dem Bundestag und stellt sich auf einen weiteren Tag des Protestes ein. In New York gibt es 70 Festnahmen sowie einige Verletzte.

Hunderttausende Menschen haben weltweit gegen die Auswüchse des Finanzmarktes demonstriert. In der deutschen Bankenmetropole Frankfurt am Main und in der Hauptstadt Berlin protestierten jeweils etwa 5000 Menschen gegen die Rettung maroder Banken und soziale Ungleichheiten. Vorbild für die Proteste waren die Dauerkundgebungen in New York und Madrid. Am Rande einer Massenkundgebung in Rom mit mehr als 100.000 Teilnehmern kam es zu Ausschreitungen. Bis zum Abend wurden mehr als 70 Menschen verletzt.

Insgesamt folgten in Deutschland nach Angaben der Mitorganisatoren von Attac mehr als 40.000 Kapitalismuskritiker in etwa 50 Städten dem Aufruf zum Protest. Max Bank vom Attac-Koordinierungskreis wertete den Protesttag als großen Erfolg. "Der Funke ist übergesprungen, die Bewegung ist da", sagte er. Die Globalisierungsgegner fordern unter anderem eine europäische Vermögensabgabe und Finanztransaktionssteuer.

Kein Ende der Proteste

Polizisten räumen den Platz vor dem Reichstagsgebäude.

Polizisten räumen den Platz vor dem Reichstagsgebäude.

(Foto: dapd)

Die Proteste in Deutschland blieben nach Polizeiangaben insgesamt friedlich. In Berlin kam es aber auf dem Weg durch das Regierungsviertel zum Kanzleramt kurz zu Tumulten, als rund 200 Protestler über die Wiese auf den Bundestag zustürmten. Dort bauten die Aktivisten die Absperrungen ab und riefen in Anspielung auf die New Yorker Proteste "Occupy Bundestag" ("Besetzt den Bundestag"). Die Polizei sicherte das Gelände, während einige hundert Menschen eine Sitzblockade vor dem Reichstag errichteten.

Die Berliner Polizei beendete die Proteste vor dem Bundestag. Zwei Hundertschaften waren im Einsatz, um die Demonstranten von dem Platz zu entfernen. Gegenüber n-tv.de erklärte ein Polizeisprecher, im Bannkreis um das Reichstagsgebäude könne eine Platzbesetzung nicht hingenommen werden. Die Einsatzkräfte trugen Demonstranten vom Platz und nahmen Personalien auf. Am Morgen seien nur noch Einsatzkräfte sowie Mitarbeiter der Berliner Stadtreinigung vor Ort gewesen.

Demonstrationen in ganz Deutschland

In Frankfurt am Main marschierten die Menschen zu einer Kundgebung an der Europäischen Zentralbank (EZB). Mit Genehmigung der Stadt Frankfurt stellten einige Demonstranten Zelte auf. Die Protestierer machten ihrem Unmut mit Plakat-Parolen wie "Ihr verzockt unsere Zukunft" und "Schranken für Banken" Luft. Einige riefen lautstark: "Brecht die Macht der Banken und Konzerne." In München zogen etwa 1000 Demonstranten durch die Innenstadt, in Köln waren es nach Polizeiangaben rund 1500. Auch in Stuttgart gingen etwa 1500 Menschen auf die Straße. Mit "Rettungsschirmen", Trillerpfeifen und Plakaten prangerten sie die Macht der Wirtschaft an.

SPD, Linke, Grüne und Gewerkschaften begrüßten die Proteste. "Zu Recht brandmarken sie das Auseinanderdriften von Arm und Reich", sagte der Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes, Michael Sommer. Der Protest der zumeist jungen Menschen sei ein Alarmsignal. SPD-Chef Gabriel forderte ein Umdenken im Bereich der Banken.

Assange marschiert in London

In ganz Europa war das Echo auf den im Internet verbreiteten Aufruf groß. Vorbild der Demonstrationen sind die amerikanische Protestbewegung "Occupy Wall Street" ("Besetzt die Wall Street") und die jungen Demonstranten in Spanien, die sich gegen das Finanzsystem und große Teile der Bankenwelt wenden.

In Brüssel protestierten etwa 6000 Kapitalismuskritiker. Darunter waren auch Aktivisten der spanischen Bewegung der "Indignados" (Deutsch: Empörten), die zu Fuß von Madrid nach Brüssel gekommen waren. In der spanischen Hauptstadt setzten die "Empörten" genau fünf Monate nach ihrem Entstehen die Proteste fort. Zehntausende Menschen demonstrierten im Herzen der spanischen Hauptstadt gegen die Macht der Banken.

Mehr als tausend Finanzmarktkritiker gingen auch in London auf die Straße. Unter den an der Saint-Paul's-Kathedrale sowie der Londoner Börse versammelten Demonstranten war auch Gründer der Enthüllungsplattform Wikileaks, Julian Assange.

Wikileaks-Gründer Julian Assange sprach zu den Demonstranten vor der St. Paul's Cathedral in London.

Wikileaks-Gründer Julian Assange sprach zu den Demonstranten vor der St. Paul's Cathedral in London.

(Foto: AP)

In Frankreich verliefen die Proteste im überschaubaren Rahmen. Etwa 200 Menschen folgten in Paris dem Aufruf zum Protest der "Empörten", teilte die Polizei mit. Zeitgleich kamen in der Stadt die Finanzminister der G20-Länder zusammen. Auch in Slowenien, Bulgarien, Tschechien und weiteren EU-Staaten versammelten sich Globalisierungskritiker.

In Rom eskalierten die Proteste. Eine Gruppe Vermummter zündete auf der zentralen Via Cavour Autos an, deren Benzintanks explodierten. Mehrere Räume des Verteidigungsministeriums wurden durch Sprengsätze und Rauchbomben beschädigt, wie italienische Medien berichteten.

Festnahmen in New York

Der Times Square war völlig überfüllt.

Der Times Square war völlig überfüllt.

(Foto: AP)

In der Keimzelle der "Occupy"-Bewegung griff die Polizei hart durch. In New York nahmen Beamte mehr als 70 Menschen fest. Die meisten Festnahmen gab es nahe dem Times Square, als sich eine Gruppe von Demonstranten nach Angaben der Polizei ihrer Aufforderung widersetzte, eine Nebenstraße freizumachen. Die Beamten führten 42 Leute in Handschellen ab.

Bereits zuvor hatte es am Times Square vereinzelte Festnahmen gegeben, als Demonstranten die von der Polizei aufgestellten Absperrungen beiseite stießen. Beamte mit Helmen und Schlagstöcken und Polizisten zu Pferd drängten die Menschen zurück. Als sich die Panik geratene Menge in Bewegung setzte, fiel eine Frau zu Boden und wurde im Gesicht verletzt; sie wurde anschließend auf einer Trage weggebracht. Laut Augenzeugen gab es weitere Verletzte. Bis auf wenige Ausnahmen verlief die Demonstration auf New Yorks berühmter Vergnügungsmeile mit nach einer vorsichtigen Veranstalterschätzung bis zu 50.000 Teilnehmern aber friedlich.

Prominenter Unterstützer: Michael Moore gesellte sich zu den Demonstranten.

Prominenter Unterstützer: Michael Moore gesellte sich zu den Demonstranten.

(Foto: AP)

Die Polizei nahm 24 Wall-Street-Protestler in Gewahrsam, nachdem diese in eine Filiale der Citibank geströmt waren, um ihre Konten in einer gemeinsamen Aktion aufzulösen. Der Filialleiter forderte die Gruppe nach Angaben von US-Medien auf, die Bank zu verlassen. Die Demonstranten weigerten sich allerdings und wurden in der Geschäftsstelle festgesetzt. Die Bewegung "Occupy Wall Street" ("Besetzt die Wall Street") hält seit vier Wochen New York in Atem. In anderen Städten der USA gab es ebenfalls Proteste, wie auch in Hongkong und anderen asiatischen Städten.

Quelle: ntv.de, dpa/AFP

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