Reaktionen auf Bericht zu MH17 "Offensichtlich eine Provokation der Ukraine"
09.09.2014, 15:34 Uhr
Separatisten präsentieren Habseligkeiten der Opfer. Sie behaupten, dass Kiew für den Absturz von MH17 verantwortlich zeichnet.
(Foto: REUTERS)
Der erste offizielle Bericht zum Absturz von MH17 lässt die entscheidende Frage offen: Wer ist schuld? Die prorussischen Separatisten versuchen diese Leerstelle nun mit ihrer Deutung zu füllen. Auch Moskau und Nato-Staaten reagieren auf den Report.
Es hat lange gedauert. Erst acht Wochen nach dem Absturz von Flug MH17 über der Ostukraine erscheint der erste Zwischenbericht. Er erhärtet den Verdacht, dass die Maschine mit 298 Menschen an Bord abgeschossen wurde. Keine Angaben gibt es dazu, wer der Schütze war. Die Konfliktparteien versuchen, diese Leerstelle nun mit ihren Deutungen zu füllen.
"Es ist offensichtlich, dass es eine Provokation der ukrainischen Armee war, um Russland und die Volkswehr zu diskreditieren", sagt Separatistenführer Miroslaw Rudenko der Agentur Interfax. "Es gibt eine hohe Zahl von Widersprüchen in der ukrainischen Version, und der Report bestätigt dies nur."
Der Bericht beschreibt in technisch-nüchterner Sprache, dass MH17 nicht wegen technischer Fehlfunktionen oder menschlichem Versagen abgestürzt ist. Das Dutch Safety Board, das die Untersuchungen geleitet hat, spricht zwar auch nicht von Raketenbeschuss, es beschreibt aber, dass die Maschine durch eine Vielzahl von Objekten in der Luft mit hoher Geschwindigkeit durchlöchert wurde. Dieses Schadensbild spricht zwar für die These Kiews, dass die Maschine von einer Luft-Boden-Rakete des Typs Buk von prorussischen Separatisten abgeschossen wurde. Deren Sprengköpfe explodieren kurz bevor sie ihr Ziel erreichen und übersäen es mit Splittern. Separatistenführer Alexander Sachartschenko wendet aber ein: "Wir verfügen nicht über die Technik, um ein solches Flugzeug abzuschießen." Die offizielle Sprachregelung der Separatisten ist damit offenbar weiterhin: Wir haben keine Buk-Raketen.
Die Glaubwürdigkeit dieser Darstellung leidet aber seit jeher darunter, dass Alexander Chodakowski, der damalige Kommandeur des Wostok-Bataillons der Separatisten, den Besitz von Buk-Systemen in einem Interview mit Reuters eingeräumt hat.
"Wenig Aussagekräftig"
Anders als die Separatisten hät Moskau sich mit Schuldzuweisungen nach der Veröffentlichung des Berichts auffällig stark zurück. Das russische Luftfahrtamt bezeichnet den Report nur als wenig aussagekräftig. "Leider ist viel Zeit verstrichen - es wird kompliziert sein, alle Ursachen zu ermitteln", sagt Experte Oleg Stortschewoj der Agentur Interfax. Die Leichen der Passagiere hätten lange ohne Untersuchung an der Absturzstelle gelegen, und die Wrackteile seien in der ukrainischen Kampfzone möglicherweise in Mitleidenschaft gezogen worden. "Der Bericht ist erst der Beginn einer langwierigen Arbeit. Die objektive Untersuchung muss fortgesetzt werden."
Dass bisher keine schrilleren Töne aus Moskau erklungen sind, könnte einen einfachen Grund haben. Der Bericht hat das Potenzial, eine beliebte These des Kreml zur Absturzursache zu widerlegen. Der Kreml hat behauptet, dass sich ein ukranisches Kampfflugzeug kurz vor dem Absturz in der Nähe von MH17 aufgehalten hat und so suggeriert, dass Kiew für den Absturz verantwortlich zeichnet. Der Bericht legt allerdings nahe, dass sich nur drei zivile Maschinen in unmittelbarer Nähe befunden haben.
Keine Daten zurückgehalten
Der niederländische Ministerpräsident Mark Rutte versucht dagegen, auf keinen Fall Zweifel an der Güte der Arbeit des DSB aukommen zu lassen. "Es ist gut, dass wir wissen, dass der Flug normal verlief und die Ursache von außen kam", sagt Rutte. Der Bericht des Sicherheitsrats sei ein hilfreicher Zwischenschritt.
Eike Stumpf vom Institut für Luft- und Raumfahrt in Aachen stützt Ruttes Lob für die Arbeit des DSB. Sie sagt "Zeit Online": "Der Bericht enthält die Standardinformationen, ich sehe keine Auffälligkeiten." Die Unterstellung, die niederländische Behörde könnte bestimmte Fakten aus politischen Gründen zurückhalten hält sie für nicht haltbar.
Allerdings räumt das DSB selbst ein, dass der Zwischenbericht womöglich eine kurze Halbwertszeit hat. Noch hat die Behörde, die den Zwischenfall untersucht, weil besonders viele Niederländer unter den Opfern waren, nicht alle verfügbaren Informationen ausgewertet. Ein abschließender Report soll voraussichtlich in einem Jahr erscheinen.
Quelle: ntv.de, ieh/dpa/AFP