Wulff setzt auf Zeit Opposition plant schon weiter
08.01.2012, 07:14 Uhr
Tag für Tag wird deutlich: Wulff gelingt der Befreiungsschlag nicht. Selbst in den eigenen Reihen ist das Unbehagen groß. Die FDP nennt es irritierend, wie Wulff sich scheibchenweise der Wahrheit nähere, in der CSU spricht man von einem "nicht professionellen" Krisenmanagent. Die Opposition fordert unverhohlen den Rücktritt des Präsidenten und hat schon weitergehende Vorstellungen.
In der schwarz-gelben Koalition wächst die Kritik an Bundespräsident . Der FDP-Vizevorsitzende Holger Zastrow forderte in der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung" vom Staatsoberhaupt mehr Aufklärung in der Affäre um dessen Umgang mit einem Privatkredit und mit den darüber berichtenden Medien: "Die Vorwürfe müssen ausgeräumt werden, und das ist noch nicht gänzlich geschehen." Es sei irritierend, wie Wulff sich scheibchenweise der Wahrheit nähere, "wie er sich entschuldigt und noch mal entschuldigt", sagte der sächsische FDP-Vorsitzende, der 2010 für Wulffs Gegenkandidaten Joachim Gauck gestimmt hatte.
Auch der CDU-Bundestagsabgeordnete Marco Wanderwitz rügt Wulff. "Mit der scheibchenweisen Aufklärung des Sachverhalts hat sich Christian Wulff keinen Gefallen getan", sagte er dem "Spiegel". Der CSU-Abgeordnete Georg Nüßlein rügte: "Das ist nicht professionell und seine Kommunikation oft auch nicht."
Verständnisvoller zeigte sich CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe. Er sagte dem "Spiegel", Wulff verdiene trotz "Ungeschicklichkeiten und Fehlern" eine Chance, Vertrauen wieder aufzubauen. Und CSU-Chef Horst Seehofer erklärte: "Wir stellen uns hinter Menschen in Schwierigkeiten, es sei denn, die Schwierigkeiten sind so groß, dass man das nicht mehr verantworten kann. Das ist bei Christian Wulff nicht der Fall."
Roth fordert Konsens-Kandidaten
Die Opposition sieht das anders und fordert unverhohlen den Rücktritt des Bundespräsidenten. SPD-Fraktionsvize Ulrich Kelber sagte im "Spiegel": "Wulff hat das Amt des Bundespräsidenten so beschädigt, dass er darin nicht verbleiben kann." SPD-Fraktionsgeschäftsführer Thomas Oppermann sagte der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung", Wulff habe seine Glaubwürdigkeit verloren. "Ich frage mich, wie er in Zukunft sein Amt, das an dieser Glaubwürdigkeit hängt, noch ausüben will."
SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles forderte in der "Bild am Sonntag" Neuwahlen für den Fall eines Rücktritts Wulffs. "Die Affäre Wulff ist jetzt auch eine Affäre Merkel." Sie habe "erhebliche Zweifel", dass der Bundespräsident die Affäre überstehe.

Gauck war der Kandidat der Opposition und gilt vielen als "Präsident der Herzen".
(Foto: dapd)
Die Grünen reden bereits über einen Nachfolger Wulffs. Die Parteivorsitzende Claudia Roth sagte der "Welt am Sonntag" zwar, derzeit stelle sich die Frage nicht. Zugleich forderte sie Kanzlerin Angela Merkel (CDU) aber auf, im Falle eines Rücktritts eine Verständigung mit der Opposition zu suchen. Dann "erwarte ich, dass Angela Merkel auf die politischen Kräfte in diesem Land zugeht mit einem wirklichen Interesse an einem überzeugenden und glaubwürdigen gemeinsamen Kandidaten".
Der von SPD und Grünen nominierte Gauck wäre "ein idealer Bundespräsident gewesen", fügte Roth hinzu. "Aber die Kanzlerin hat leider machtstrategisch agiert, und ich kann sie nur warnen, dies wieder zu tun." Wulff hingegen habe "die politische und moralische Autorität verloren, ihm fehlen Würde und Glaubwürdigkeit", so Roth. Es könne nicht sein, dass sich Wulff "larmoyant als Opfer" inszeniere.
Kein Plan B in der Koalition?
Am Samstag hatten Vertreter der Regierungskoalition vehement , dass bereits Absprachen für den Fall eines Rücktritts von Wulff getroffen wurden. Zwei Zeitungen hatten gemeldet, die Koalition strebe im Fall von Wulffs Rücktritt einen Kandidatenvorschlag an, der auch für die SPD akzeptabel wäre.

Dieckmann und Döpfner in den Räumen der "Bild"-Zeitung.
(Foto: dpa)
Zudem waren am Samstag weitere Details der Affäre berichtet worden. So soll Wulff vor der ersten Berichterstattung der "Bild"-Zeitung über seinen Privatkredit nicht nur dem "Bild"-Chefredakteur Kai Diekmann gedroht haben, sondern auch in dem bereits bekannten Anruf beim Springer-Vorstandsvorsitzenden Mathias Döpfner. Wenn der Artikel erscheine, bedeute das Krieg zwischen dem Präsidialamt und Springer bis zum Ende seiner Amtszeit, so Wulff in einem Gespräch mit Döpfner.
Wulff hofft auf das Vergessen
Wulff scheint indes auf Zeit zu setzen. Wie die "Bild am Sonntag" berichtet, soll Wulff auf einem Neujahrsempfang für seine Mitarbeiter am Freitagnachmittag gesagt haben: "In einem Jahr ist das alles vergessen." Der Präsident habe versichert, er wolle bis 2015 einen guten Job machen und sei zuversichtlich, "dass dieses Stahlgewitter bald vorbei ist". Nach Informationen der Zeitung treibt Wulff mit seinem Staatssekretär Lothar Hagebölling die Planungen für das neue Jahr voran. Besonders im Fokus stehe dabei der Empfang für die Angehörigen der Opfer des am 23. Februar.
Quelle: ntv.de, ghö/dpa/AFP