Streit um fette Diäten Opposition umwirbt Kollegen
09.05.2008, 16:40 UhrDie geplante Diätenerhöhung bringt die große Koalition ins Schwitzen. Ihre parlamentarischen Geschäftsführer Norbert Röttgen (CDU) und Thomas Oppermann (SPD) mussten sich im Bundestag schärfster Vorwürfe seitens der Opposition erwehren. Redner von FDP, Grünen und Linksfraktion appellierten an schwankende Abgeordnete aus den Reihen der Koalition, auf die zweite Erhöhung der Bezüge innerhalb von sechs Monaten zu verzichten. Zuvor hatten sich schon ein gutes Dutzend SPD-Abgeordnete und ein CDU-Mann von dem Plan distanziert. Die Grünen wollen beantragen, dass über die Diäten getrennt von der Beamtenbesoldung abgestimmt wird.
Das Gesetz zur Übertragung des Tarifabschlusses im öffentlichen Dienst, welches auch die Diätenregelung enthält, wurde am Freitag in den Bundestag eingebracht. Die erste Lesung war begleitet von einer kurzen aber heftigen Debatte. Der FDP-Abgeordnete Ernst Burgbacher nannte es einen "unglaublichen Vorgang", dass Union und SPD "durch die kalte Küche" neben dem Beamtensold nun auch die Diäten erhöhen wollten. "Folgen Sie Ihrem Gewissen, stimmen Sie mit Nein", rief Burgbacher den Koalitionsabgeordneten zu.
Die Linken-Politikerin Dagmar Enkelmann nannte die geplante Anhebung eine "glatte Unverschämtheit". "Was hier vorgeht, das ist mit uns nicht zu machen", sagte sie. Die Bürger seien zu recht wütend über das Vorhaben. "Ich hoffe sehr auf Ihre Vernunft", sagte die Linken-Politikerin an die Adresse von SPD und CDU/CSU. "Sie können diese Entwicklung noch stoppen".
Die Grünen-Politikerin Silke Stokar forderte, dass die Diätenfrage von der Beamtenbesoldung abgekoppelt und getrennt entschieden wird. Auf diese Weise werde den Abgeordneten der großen Koalition bei der Schlussabstimmung die Möglichkeit eröffnet, gegen die Diätenerhöhung zu stimmen, ohne damit gleichzeitig die Erhöhung des Soldes für Beamte, Soldaten und Richter zu sabotieren, erklärte Parlamentsgeschäftsführer Volker Beck von den Grünen.
16,4 Prozent in drei Jahren
Burgbacher warb dafür, dass eine neutrale Kommission über die Höhe der Diäten entscheidet: "Dann wäre der Vorwurf der Selbstbedienung ein für alle Mal erledigt." Röttgen wies dies als verfassungsrechtlich bedenklich zurück. "Wir haben nicht das Recht, uns wegzuducken", sagte er. Auch Oppermann bezeichnete den FDP-Vorschlag als "Scheinlösung".
Das Parlament hatte vergangenes Jahr beschlossen, sich bei der Steigerung der Abgeordneten-Entschädigungen an der Gehaltsentwicklung bei Bundesrichtern und Bürgermeistern zu orientieren. Allerdings wäre die nun diskutierte Erhöhung die zweite innerhalb von sechs Monaten. Kommt sie durch, dann wäre das ein Plus von insgesamt 16,4 Prozent innerhalb von drei Jahren.
Merkel verteidigt Diäten-Erhöhung
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) verteidigte den Plan. Eine unabhängige Kommission habe im Auftrag des früheren Bundespräsidenten Johannes Rau in den 1990er Jahren empfohlen, dass Bundestagsabgeordnete wie Bundesrichter bezahlt werden sollten, sagte sie der "Passauer Neuen Presse". Sie räumte aber ein, dass natürlich auch sie wisse, "dass Diätenerhöhungen nicht populär sind, wenn sich viele Menschen Sorgen zum Beispiel um hohe Preise machen".
Durch die Anhebung steigen auch die Abgeordneten-Pensionen. Zwar wurden die Ruhestandsbezüge mit dem Gesetz vom Dezember 2007 von 1682 Euro auf 1468 Euro pro Monat nach achtjähriger Parlamentszugehörigkeit gekürzt. Nun würde aber 2010 mit 1632 Euro fast wieder das alte Niveau erreicht. Damit steigen die Pensionen der Abgeordneten zehn Mal so schnell wie die Renten, wie das Nachrichtenmagazin "Focus" errechnete.
Der Bund der Steuerzahler sicherte allen Parlamentariern seine Unterstützung zu, die sich "dem Durchpeitschen der neuerlichen Diätenerhöhung" verweigern wollten. "Besonders erfreulich ist die wachsende Zahl von Abgeordneten innerhalb der Regierungskoalition, die sich offen gegen dieses Ansinnen ausgesprochen hat", erklärte eine Sprecherin der Organisation in Berlin.
Quelle: ntv.de