Politik

"Merkel hat die Nörgler bedient" Opposition zerpflückt Kompromiss

Seehofer, Merkel und Rösler haben Steuererleichterungen beschlossen - die Opposition würde lieber die Schulden senken.

Seehofer, Merkel und Rösler haben Steuererleichterungen beschlossen - die Opposition würde lieber die Schulden senken.

(Foto: dpa)

Die Berliner Koalitionspartner von Union und FDP haben ihren Steuerkompromiss gefunden und müssen heute den Rest des Landes von seiner Sinnhaftigkeit überzeugen. SPD, Grüne und Linke finden den Kompromiss alles andere als gelungen. Kritische Stimmen kommen auch aus der CDU. Auch viele Bürger waren zuletzt skeptisch und die Bundesländer kündigten Widerstand gegen die Steuersenkungen an.

Die Spitzengremien der Bundesparteien werden in ihren Sitzungen heute den Steuerkompromiss der Regierungskoalition unter die Lupe nehmen. CDU, CSU und FDP hatten gestern Abend nach zähem Ringen ein Gesamtpaket für mehr Wachstum und eine Steuerentlastung von sechs Milliarden Euro beschlossen. Sie sind bei der Umsetzung aber auf die Unterstützung der Länder angewiesen.

Künast: "Merkel hat die Jungs rechts und links von sich bedient."

Künast: "Merkel hat die Jungs rechts und links von sich bedient."

(Foto: dpa)

Die Fraktionschefin der Grünen, Renate Künast, sagte bei n-tv, dass von den Koalitionsbeschlüssen ein "katastrophales Signal ausgeht". Sie glaube nicht, dass die Koalition – wie sie selbst behauptet – sich hier am Riemen gerissen habe. "Frau Merkel hat für jeden ihrer Jungs – rechts und links – ein bisschen was dabei gehabt: für Seehofer, für Rösler." In Wirklichkeit gingen die Geschenke zu Lasten Dritter, "nämlich derer, die jetzt klein sind oder die noch gar nicht geboren sind".

Künast gab zu bedenken, dass auf die aktuelle Neuverschuldung von 25 Milliarden Euro jetzt noch weitere sechs Milliarden draufkämen. "Hinzukommen noch die Verpflichtungen, die Deutschland bei der Euro-Rettung eingehen musste. Nicht zu vergessen die steigenden Beamtenpensionen, und, und, und." Künast appellierte in dem Gespräch mit n-tv an die Bundesländer, das Vorhaben der Koalition im Bundesrat zu stoppen.

"Merkel bedient die Nörgler"

Auch die SPD geht davon aus, dass Merkel in "erster Linie die Nörgler von FDP und CSU ruhig gestellt" habe. Joachim Poß, Vizechef der SPD-Fraktion sagte bei n-tv: "Die Koalition hätte finanzpolitische Vernunft walten lassen und Prioritäten setzen müssen." Gerade in diesen Zeiten – nicht für alle Zeiten – hätte die Politik sich um die Rückführung von Schulden kümmern müssen und nicht neue machen. "Und so ging dann das jahrelange Gezerre um weitere Steuerschritte unrühmlich zu Ende."

Die Regierung müsse jetzt die Steuersenkungen in Höhe von sechs Milliarden Euro durch Sparen ausgleichen, kritisierte der rheinland-pfälzische Finanzminister Carsten Kühl (SPD) im Deutschlandradio Kultur. "In diesen Zeiten sind Steuersenkungen, wenn sie nicht gegenfinanziert sind, irre", sagte Kühl. Eine ähnliche Formulierung hatte zuvor die thüringische CDU-Ministerpräsidentin Christine Lieberknecht gewählt.

Auch Linkspartei-Chef Klaus Ernst bemängelte, im Paket der Koalition fehlten eine Vermögenssteuer und ein höherer Spitzensteuersatz. "Wer ohne Gegenfinanzierung Steuern senkt, betrügt Bürger und Staat", erklärte Ernst in Berlin.

Unionsfraktionschef Volker Kauder (CDU) geht jedoch davon aus, dass die Opposition den Steuerentlastungen im Bundesrat zustimmen wird. Mehrere CDU-Ministerpräsidenten hatten im Vorfeld Widerstand gegen Steuersenkungen angekündigt. Die SPD drohte mit einem Gang zum Verfassungsgericht. Die Schuldenbremse sehe vor, dass konjunkturell bedingte Steuermehreinnahmen zur Reduzierung des Staatsdefizits verwendet werden müssten, argumentierte Parteichef Sigmar Gabriel in der "Bild am Sonntag".

Entlastung vor allem unterer Stufen

Nach den Beschlüssen der schwarz-gelben Koalition sollen Steuerfreibeträge in zwei Stufen angehoben werden, um gezielt Arbeitnehmern mit geringem Einkommen finanziell mehr Luft zu verschaffen. Ab 2013 soll der steuerliche Grundfreibetrag (Existenzminimum) angehoben werden – das hätte die Regierung aber ohnehin bis 2014 tun müssen. Dies kostet Bund und Länder jeweils zwei Milliarden Euro.

Bei der Abmilderung der "kalten Progression" – Lohnerhöhungen werden bei starker Inflation vom Fiskus größtenteils wieder aufgefressen – will der Bund 2,2 Milliarden Euro alleine tragen. Hier ist offen, ob die Länder im Bundesrat mitziehen werden.

Pflegeversicherung wird teurer

Der Beitrag zur Pflegeversicherung soll 2013 um 0,1 Prozentpunkte angehoben werden. Dies bringt rund 1,1 Milliarden Euro mehr in die Kasse. Bislang liegt der Beitragssatz bei 1,95 Prozent, für Kinderlose sind es 2,2 Prozent. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) betonte, das Geld solle insbesondere für die Versorgung von Demenzkranken verwendet werden. Für die künftige Vorsorge im Pflegefall sollen die Versicherten freiwillig individuell nach dem Modell der Riester-Rente sparen. Die FDP-Forderung nach einer obligatorischen Zusatzversicherung ist damit vom Tisch.

Für jeden ein bisschen

Gegen den Willen der Liberalen drückte die CSU das im Koalitionsvertrag bereits vorgesehene Betreuungsgeld für Eltern durch, die für ihre Kleinkinder keine Krippe in Anspruch nehmen und sie selbst betreuen. Ab 2013 erhalten sie monatlich 100 Euro im zweiten Lebensjahr des Kindes. Ab 2014 gibt es 150 Euro für das zweite und dritte Lebensjahr des Kindes.

Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) erhält schon im nächsten Jahr eine Milliarde Euro mehr für die Verkehrsinfrastruktur. Bei der Zuwanderung wird die Einkommensgrenze von 66.000 auf 48.000 Euro gesenkt, um mehr ausländische Experten zur Bekämpfung des Fachkräftemangels ins Land zu holen.

Quelle: ntv.de, dpa

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