Tote bei Hubschrauber-Angriff Pakistan stellt USA Ultimatum
27.11.2011, 17:40 UhrUS-Kampfhubschrauber töten 24 pakistanische Soldaten. Islamabad ist empört und will einen US-Fliegerhorst schließen. Der Hintergrund des Vorfalls ist unklar: Die NATO spricht von einem "tragischen, unbeabsichtigten Zwischenfall". In Sicherheitskreisen in Kabul heißt es, afghanische und NATO-Soldaten seien vor dem Luftangriff aus Pakistan beschossen worden.
Nach einem Angriff von NATO-Kampfhubschraubern auf einen pakistanischen Militärposten an der Grenze zu Afghanistan hat Islamabad die USA zur Räumung eines Luftwaffenstützpunkts aufgefordert. Die US-Streitkräfte sollten die Basis in Shamsi im Südwesten des Landes innerhalb von 15 Tagen räumen, bestätigte das pakistanische Außenministerium. Von dem Fliegerhorst starten auch US-Drohnen.
Bei dem US-Angriff waren nach offiziellen Angaben 24 pakistanische Soldaten getötet worden. Mindestens 13 Soldaten wurden verwundet. Als erste Reaktion sperrte Pakistan am Samstag die Grenze zu Afghanistan für den NATO-Nachschub. Die NATO transportiert etwa 40 Prozent ihres Nachschubs über Pakistan. Am Sonntag fand die Beisetzung der 24 Opfer in Peshawar, der Hauptstadt der Provinz Khyber-Pakhtunkwa, statt. Armeechef Ashfaq Parvez Kayani nahm an der Zeremonie teil.
Eiszeit im Verhältnis zu den USA
Außenministerin Hina Rabbani Khar habe ihrer US-Amtskollegin Hillary Clinton mitgeteilt, der Angriff habe die Fortschritte in der Verbesserung der Beziehungen zwischen Washington und Islamabad "zunichte gemacht", erklärte das pakistanische Außenministerium. Der Angriff habe Pakistans Souveränität verletzt und zeige eine "völlige Geringschätzung von Menschenleben und Völkerrecht", sagte die Ministerin. Pakistan sei nun gezwungen, die Bedingungen für die Zusammenarbeit mit den USA zu überdenken.
Bundesaußenminister Guido Westerwelle sprach Khar in einem Telefonat seine Bestürzung über den Vorfall aus. Westerwelle habe deutsche Unterstützung bei der Behandlung von Verletzten angeboten, teilte ein Außenamtssprecher mit. Die Bundesregierung gehe davon aus, dass Isaf und NATO alles tun würden, um den bestürzenden Vorfall lückenlos aufzuklären.
NATO-Soldaten gerieten ins Kreuzfeuer
NATO-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen bedauerte den Angriff als "tragischen, unbeabsichtigten Zwischenfall". Rasmussen versicherte, die Untersuchung des Falls zu unterstützen, und sprach den Familien der getöteten pakistanischen Soldaten sein "tiefstes Beileid" aus. Die Untersuchung des Falls werde zeigen, was passiert sei. "Wir werden daraus die richtigen Lehren ziehen." Rasmussen sicherte Pakistan zu, eine intensive Kooperation im Kampf gegen den Terrorismus fortzusetzen.
In Sicherheitskreisen in Kabul hieß es, afghanische und NATO-Soldaten seien vor dem Luftangriff aus Pakistan beschossen worden. "Sie gerieten ins Kreuzfeuer", sagte ein westlicher Vertreter. Ein afghanischer Kollege ergänzte, die Soldaten seien beim Verlassen ihres Hubschraubers beschossen worden. Die Besatzung des Helikopters habe das Feuer erwidert. Beide Informanten bestanden auf Anonymität.
Clinton spricht Beileid aus
In einer gemeinsamen Erklärung sprachen Clinton und US-Verteidigungsminister Leon Panetta angesichts der vielen Toten Pakistan ihr "tiefstes Beileid" aus. Gleichzeitig unterstützten sie die Absicht der NATO zur sofortigen und vollständigen Aufklärung des Zwischenfalls und sagten enge Zusammenarbeit mit den zuständigen pakistanischen Stellen zu. Panetta und Clinton unterstrichen zudem die Bedeutung der amerikanisch-pakistanischen Partnerschaft.
Das Verhältnis zwischen Islamabad und Washington ist seit längerer Zeit angespannt. US-Drohnenangriffe auf angebliche Taliban- Stützpunkte in Pakistan rufen in der Bevölkerung Wut hervor. Die Tötung des Al-Kaida-Chefs Osama bin Laden im Mai in der pakistanischen Stadt Abbottabad durch US-Einheiten verschlechterte das Verhältnis weiter.
Die Kampfhubschrauber hätten die Militärposten im Stammesgebiet Mohamad "ohne vorherige Provokation" angegriffen, sagte ein pakistanischer Armeesprecher. Der betroffene pakistanische Stützpunkt Salala liegt in einem abgelegenen Gebiet, das die radikal-islamischen Taliban als Rückzugsraum nutzen. Nach Angaben aus pakistanischen Sicherheitskreisen sollen Extremisten diese Route zur Infiltration nach Afghanistan nutzen.
Quelle: ntv.de, dpa/rts