Politik

Rüstungsstandort Deutschland Panzer schlagen Menschenrechte

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Von saudischem Interesse: Der Kampfpanzer Leopard 2.

(Foto: dpa)

Kein Wort verrät die Bundesregierung über den Panzer-Deal mit Saudi-Arabien. Das hat seinen Grund: Sonst müsste sie offenlegen, welche Interessen wirklich beim Geschäft mit Waffen dominieren. "Auch technologiepolitische Gründe", heißt es. Und Arbeitsplätze.

Im Krieg stirbt die Wahrheit zuerst, heißt es. Doch reicht schon das Geschäft mit Waffen aus, um sämtliche Vorgänge ins Dunkel zu tauchen: In eisernes Schweigen hüllt sich die Bundesregierung bei den Berichten über die Lieferung von 200 Leopard-Kampfpanzern nach Saudi-Arabien. Auch bei der aktuellen Stunde im Bundestag konnte die Opposition keine Details über den vermeintlichen Deal erfahren. Wirtschafts-Staatssekretär Hans-Joachim Otto, der für die Bundesregierung Rede und Antwort stehen musste, ließ sich keine Bestätigung des Geschäfts entlocken. Wie alle anderen Regierungsmitglieder verwies er auf den Bundessicherheitsrat, der über Rüstungsgeschäfte "seit jeher" geheim entscheide.

Während sich die Opposition im Parlament an Otto die Zähne ausbiss, plauderte ein anderes Mitglied der schwarz-gelben Koalition ziemlich offen über die Gründe für den Deal mit den Saudis. Neben politischen Gründen gehe es auch um Technologie, Arbeitsplätze, volkswirtschaftliche Interessen, sagte Joachim Pfeiffer dem WDR. Der wirtschaftspolitische Sprecher der Unionsfraktion warnte davor, Deutschlands "leistungsfähige Verteidigungsindustrie" zu gefährden. Wolle man die Technologie erhalten, "brauchen wir auf jeden Fall auch Exportmöglichkeiten". Sonst mache Deutschland sich in der Rüstung abhängig von anderen Ländern. "Das will ich nicht", fügte der CDU-Politiker hinzu.

"An der Seite der Despotie"

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Schweigepflicht? Staatssekretär Otto wollte im Bundestag nichts verraten.

(Foto: dpa)

Also ein Panzer-Verkauf für den Rüstungsstandort Deutschland? Auch die Opposition wittert ein lukratives Geschäft, das aber zu Lasten der Menschenrechte gehe. Die Bundesregierung unterstütze ein Land, das mit seinen Truppen die Demokratiebewegung im Nachbarland Bahrain "blutig unterdrückt" habe, sagte etwa Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin in der Bundestagsdebatte. "Schwarz-Gelb steht an der Seite der Despotie." Trittin wies das Argument zurück, Saudi-Arabien müsse gegen den Iran aufgerüstet werden. Vielmehr werde für den Iran eine neue Rechtfertigung geschaffen aufzurüsten. Linken-Fraktionschef Gregor Gysi sagte, aus der deutschen Geschichte müsse die Lehre gezogen werden, "dass wir nie wieder an Kriegen verdienen dürfen".

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Vor dem Bundestag machten Demonstranten ihrem Ärger über den Waffendeal Luft.

(Foto: dpa)

Von einem "Rechtsbruch" sprach gar SPD-Chef Sigmar Gabriel. Bundeskanzlerin Angela Merkel und Außenminister Guido Westerwelle müssten erklären, warum nach Jahrzehnten der Ablehnung Panzer nach Saudi-Arabien geliefert würden. "In Wahrheit ist das vermutlich der politische Preis, den die Bundesregierung bezahlen muss, weil sie sich komplett von unseren Bündnispartnern in der Debatte im UN-Sicherheitsrat zur Libyen-Entscheidung entfernt hat", sagte Gabriel. Die Bundesregierung scheine dazu bereit zu sein, dies auf dem Rücken der Demokratiebewegung zu tun.

Auch Pfeiffer äußerte sich im Parlament. "Ihre Moralkeule ist scheinheilig." Der deutsche Rüstungsexport orientiere sich "am Sicherheitsbedürfnis und an den außenpolitischen Interessen" der Bundesrepublik und verstoße nicht gegen die Rüstungsexportrichtlinien. Doch genau darum dreht sich der Streit.

Panzer in Bahrain

Schwarz-Gelb ist beileibe nicht die erste Bundesregierung, die Waffengeschäfte mit den Saudis billigt. 2009 wurden aus Deutschland Rüstungsgüter im Wert von 168 Millionen Euro zu ihnen exportiert. Staatsekretär Otto verwies im Bundestag wiederholt darauf hin, dass auch unter Rot-Grün Waffen für 260 Millionen Euro nach Saudi-Arabien geliefert wurden. Allerdings hatten frühere Regierungen den Wunsch aus Riad, schwere Leopard-Panzer zu bekommen, bislang abgelehnt. Meist mit dem Verweis auf die Sicherheitsinteressen Israels, das den jetzigen Deal aber abgesegnet haben soll.

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Verkaufsschlager der Rüstungsindustrie: Merkel beim Besuch eines U-Boots der Marine.

(Foto: picture-alliance/ dpa)

Doch um Israels Interessen allein geht es nicht mehr. Es hat sich einiges getan in der Region, der arabische Frühling brach aus, der in Bahrain aber mit Hilfe saudischer Panzer niedergeschlagen wurde. Zudem gilt Saudi-Arabien nicht gerade als Hort von Demokratie und Menschenrechten. "Die Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit sind stark eingeschränkt. Parteien sind verboten. Politische Aktivisten und Menschenrechtler werden drangsaliert, inhaftiert oder gehen ins Ausland", heißt es sogar auf der Seite des Auswärtigen Amtes.

Verstoß gegen Grundsätze?

Und hier wird es für die Regierung heikel. Denn bei aller Geheimhaltung muss sich Deutschland beim Export von Waffen an Vorgaben halten, die im Kriegswaffenkontrollgesetz und politischen Grundsätzen für den Rüstungsexport vorgegeben sind. Diese sprechen eine deutliche Sprache: "Die Beachtung der Menschenrechte ist für jede Exportentscheidung von hervorgehobener Bedeutung, unabhängig davon, um welches mögliche Empfängerland es sich handelt", heißt im aktuellen Rüstungsexportbericht für 2009. Und in den politischen Grundlagen steht, dass der Export in Länder nicht genehmigt werde, wenn diese "in bewaffnete Auseinandersetzungen verwickelt sind oder wo eine solche droht". Überhaupt erlauben diese Grundlagen eine Waffenlieferung an Länder außerhalb von EU und NATO nur, wenn "besondere außen- oder sicherheitspolitische Interessen" bestehen. "Beschäftigungspolitische Gründe dürfen keine ausschlaggebende Rolle spielen."

Verstößt die Bundesregierung also gegen ihre eigenen Grundsätze? Staatssekretär Otto wies diese Vorwürfe zurück. Gesichtspunkte wie die saudische Intervention in Bahrain seien berücksichtigt worden. Aber in der Abwägung hätten die anderen Interessen überwogen. "Nachrangig können auch beschäftigungspolitische Gründe eine Rolle spielen", räumte er ein. Aber die politischen Grundsätze seien auch nur Leitlinien, keine Verbote. Die Entscheidung in jedem Einzelfall liege letztlich bei der Bundesregierung.

80.000 Arbeitsplätze

Ebenso wie die deutsche schweigt auch die israelische Regierung zu dem Geschäft. Nur Saudi-Arabien bezieht Stellung. "Saudi-Arabien muss sich bewaffnen, so wie jedes andere Land auch", heißt es in Riad. Und wenn die Deutschen die bestellten 200 Panzer nicht liefern wollten, dann werde man eben auf Panzer aus russischer Produktion zurückgreifen.

Womit wieder die Bedeutung der Rüstungsindustrie für den Wirtschaftsstandort Deutschland im Spiel ist. Rüstungsgüter im Wert von 1,3 Milliarden Euro lieferte die Bundesrepublik 2009 in alle Welt. Formal genehmigt wurden im selben Jahr sogar Waffenexporte im Wert von über 5 Milliarden Euro. Nach einer Studie des Stockholmer Friedensforschungsinstituts SIPRI ist Deutschland in den vergangenen Jahren mit elf Prozent zum drittgrößten Kriegswaffenexporteur aufgestiegen. Rund 80.000 Menschen arbeiten in der Rüstungsindustrie. Experten schätzen den Wert des Panzerverkaufs an die Saudis auf mindestens 1,7 Milliarden Euro. Geld, das nach dem Willen der Bundesregierung offenbar trotz mancher Bedenken in die deutsche Wirtschaft fließen soll.

Quelle: ntv.de, mit dpa/AFP/rts

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