Minister gegen Volksabstimmung Papandreou droht zu scheitern
03.11.2011, 10:59 Uhr
(Foto: AP)
Von der Schulden- in die Regierungskrise: Griechenlands Ministerpräsident Papandreou droht die Vertrauensfrage am Freitag im Parlament zu verlieren. Mehrere Minister und Abgeordnete seiner Regierungspartei wenden sich gegen Papandreous Pläne für eine Volksabstimmung. Die Beteiligung Griechenlands an der Eurozone "kann nicht von einem Referendum abhängig sein", wettert Finanzminister Venizelos. "Papandreou öffnet die Tore der Hölle", schreiben die Zeitungen und spekulieren bereits über Nachfolger. Die Märkte reagieren positiv auf das drohende Ende des Regierungschefs. Mit einer Krisensitzung versucht Papandreou sich aber noch zu retten.
Die Regierung unter Ministerpräsident Giorgos Papandreou könnte in den kommenden Stunden fallen. Grund ist die für Freitag geplante Vertrauensabstimmung im griechischen Parlament, bei der Papandreou möglicherweise keine Mehrheit mehr haben wird. Wie der griechische TV-Sender Net berichtete, kündigten bereits zwei Parlamentarierinnen der Sozialisten an, dem Regierungschef nicht das Vertrauen aussprechen zu wollen. Zahlreiche Minister und Abgeordnete der Sozialisten forderten zudem die Bildung einer Regierung der Nationalen Rettung. Die Abweichler protestieren gegen das geplante Referendum zur Eurokrise, das nach dem Willen Papandreous Anfang Dezember stattfinden soll.
Papandreou setzte für 11.00 Uhr ein Krisentreffen des Kabinetts an und berief zudem seine sozialistische Fraktion zu einer Sondersitzung ein. Er verfügt im Parlament derzeit nur noch über eine hauchdünne Mehrheit von 152 der 300 Abgeordneten, ohne die Parlamentarierinnen wären es 150. Je nachdem, wie viele Abgeordnete zu der Abstimmung erscheinen, könnte der Ministerpräsident das Votum am Freitag aber trotzdem überstehen. Denn es genügt die Zustimmung der absoluten Mehrheit der anwesenden Volksvertreter.
Medien suchen bereits Nachfolger
Die Medien in Athen spekulieren aber bereits über mögliche neue Regierungschefs. Darunter ist der frühere Vizepräsident der Europäischen Zentralbank, Lucas Papademos. Dies berichtete der Athener Nachrichtensender Vima 99,5. Auch der frühere griechische Ministerpräsident Kostas Simitis (1996-2004) ist nach Informationen des Chefs der kleinen ultrakonservativen Partei Völkische Orthodoxe Gesamtbewegung (LAOS), Giorgos Karatzaferis, aus Kreisen der EU vorgeschlagen worden, die griechische Regierung zu führen.
Der innenpolitische Konflikt in Griechenland ist nach der umstrittenen Ankündigung eines Volksentscheids und der massiven internationalen Kritik daran eskaliert. Streitpunkt ist, ob auch über den Verbleib des Landes in der Eurozone abgestimmt werden soll. Finanzminister Evangelos Venizelos distanzierte sich von Aussagen, die Ministerpräsident Papandreou kurz zuvor gemacht hatte. "Die Position des Landes ist im Euro(land). Es ist eine historische Errungenschaft des Landes und kann nicht infrage gestellt werden", betonte Venizelos in einer schriftlichen Erklärung. Die Beteiligung Griechenlands an der Eurozone "kann nicht von einem Referendum abhängig sein".
Das Hilfsprogramm müsse so schnell wie möglich in die Tat umgesetzt werden, sagte Venizelos. Beobachter werteten dies als eine klare Infragestellung der Macht Papandreous. In der regierenden Sozialistischen Bewegung (Pasok) "koche die Stimmung", berichteten übereinstimmend griechische Medien.
EU legt Hilfen auf Eis
Papandreou hatte in einer eigenen Erklärung angedeutet, die geplante Volksabstimmung mit einem Votum über den Verbleib Griechenlands in der Eurozone zu verknüpfen. "Ich glaube, das griechische Volk hat die Weisheit und das Wissen, die richtigen Entscheidungen zu treffen, die den Verbleib des Landes in der Eurozone garantieren werden", hieß es in der Erklärung des Regierungschefs. Es werde bei dem Referendum "in der Substanz nicht nur um ein (Hilfs-)Programm gehen". "Es geht darum, ob wir in der Eurozone bleiben wollen oder nicht", unterstrich Papandreou. Dabei habe das griechische Volk Rechte, aber auch Verpflichtungen.
Zuvor hatte er im französischen Cannes erklärt, das Referendum werde wahrscheinlich am 4. Dezember stattfinden. Die Spitzen der Eurozone, darunter Kanzlerin Angela Merkel, hatten sich vor dem G20-Gipfel in Cannes überrascht von der plötzlichen Ankündigung einer Volksabstimmung gezeigt und Papandreou bei einem Gespräch am Mittwochabend massiv unter Druck gesetzt, möglichst rasch für Klarheit zu sorgen. Die Auszahlung der nächsten Hilfszahlungen an das hoch verschuldete Land wurde gestoppt. "Papandreou öffnet die Tore der Hölle", titelte das konservative Boulevardblatt "Elefhteros Typos".
Juncker: Papandreou "illoyal"
Auch die bürgerliche Oppositionspartei Nea Dimokratia (ND) reagierte scharf auf die Aussagen des Regierungschefs: "Herr Papandreou ist gefährlich und muss gehen", hieß es in einer Erklärung der Nea Dimokratia. Es gebe kein Problem mit dem Verbleib Griechenlands in der Eurozone. "Das einzige Problem ist der Verbleib Papandreous im Amt des Ministerpräsidenten."
Eurogruppen-Chef Jean-Claude Juncker hat das Vorgehen Papandreous ebenfalls heftig kritisiert. "Wir haben ihn, ohne ihm einen wirklichen Vorwurf zu machen, darauf hingewiesen, dass sein Benehmen illoyal ist", sagte Juncker im ZDF. "Die Eurogruppe wäre gerne bereits beim vergangenen EU-Gipfel über das Referendum-Vorhaben informiert worden." Das habe zu erheblichen Verstimmungen an den Finanzmärkten und in europäischen Regierungskreisen geführt. Papandreou hatte wenige Tage nach dem Gipfel einen Volksentscheid über die Rettung seines Landes angekündigt.
Bei dem Treffen am Mittwochabend habe man Papandreou zudem erklärt, dass die substanzielle Frage der Verbleib Griechenlands in der Euro-Zone sei. "Er hat das akzeptiert", sagte Juncker. Wie auch immer die Volksabstimmung formuliert werde, Griechenland hätte sich am 4. Dezember mit der Frage "Ja oder Nein zur Euro-Zone" zu beschäftigen. "Wir hätten gerne, dass Griechenland Mitglied bleibt, aber nicht zu jedem Preis", betonte Juncker. Athen müsse sich auch an seine Verpflichtungen halten.
CSU für deutsche Abstimmung
Politiker der CSU haben angesichts der Pläne in Griechenland eine Volksabstimmung über den Euro-Kurs auch in Deutschland gefordert. Der CSU-Finanzexperte Thomas Silberhorn sagte der "Bild"-Zeitung, das geplante Referendum in Griechenland sei "ein demokratischer Prozess und deshalb richtig". Es sollte aber auch in Deutschland eine Volksabstimmung über die geplante Änderung der europäischen Verträge für einen dauerhaften Rettungsschirm geben. Solche weitreichenden Entscheidungen dürfen nicht ohne Einbeziehung der Bevölkerung getroffen werden. Ähnlich äußerte sich CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt: "Es kann nicht sein, dass die Griechen sich weigern zu sparen, aber die deutschen Steuerzahler für Griechenland sparen sollen. Wir in Deutschland sollten Konsequenzen aus dem Vorgehen Griechenlands ziehen, künftig sollten in Deutschland grundlegende Entscheidungen zur Zukunft Europas mit Volksabstimmungen verbunden werden."
G20-Gipfel beginnt
Im Zeichen der schweren Schuldenkrise Europas nehmen heute auch die führenden Industriestaaten der Welt auf dem G20-Gipfel in Cannes offiziell ihre Beratungen auf. Zu Beginn des zweitägigen Treffens geht es um einen Aktionsplan für Wachstum und Beschäftigung. Weiteres Thema am ersten Gipfeltag ist der Welthandel.
Schwerpunkte sind die Entwicklung der Weltwirtschaft, eine Reform des internationalen Währungssystems und eine weitere Regulierung der Finanzmärkte. Gastgeber ist Frankreichs Präsident Sarkozy. Weil die schweren Turbulenzen in der Euro-Zone praktisch alles andere überlagern, rücken bei dem Treffen der G20 wichtige sonstige Themen in den Hintergrund. Dazu gehören die Rohstoff- und Nahrungsmittelsicherheit, Fragen der Infrastruktur und des Handels oder die Doha-Runde. Nichtregierungsorganisationen kritisieren das scharf.
Vor dem offiziellen Auftakt trifft Bundeskanzlerin Angela Merkel am Vormittag mit US-Präsident Barack Obama zusammen. Obama hofft auf weitere Maßnahmen zur Ankurbelung der Weltwirtschaft, von der auch die lahmende US-Konjunktur profitieren könnte.
Ebenfalls vor dem eigentlichen Beginn wollen sich die politischen Spitzen Deutschlands, Frankreichs, Italiens und Spaniens abstimmen. Auch die EU-Institutionen sollen mit am Tisch sitzen, außerdem die EZB und der IWF - insgesamt eine Art Frankfurter Runde plus zwei.
Quelle: ntv.de, tis/dpa/rts/AFP