Politik

Westerwelle trifft Mursi in Kairo Parlament trotzt dem Militärrat

Das Parlament kam zu einer Kurzsitzung zusammen.

Das Parlament kam zu einer Kurzsitzung zusammen.

(Foto: AP)

Es ist nur eine Kurzsitzung, doch das Signal ist eindeutig: Das ägyptische Parlament kommt zusammen, obwohl es durch den Militärrat aufgelöst wurde. Wie die Armee reagiert, ist noch unklar. Außenminister Westerwelle trifft derweil auf den neuen Präsidenten Mursi und fordert Ägypten auf, den Demokratisierungsprozess fortzusetzen.

In Ägypten hat sich das Parlament offen gegen die Militärs gestellt und ist trotz der angeordneten Auflösung zu einer kurzen Sitzung zusammengekommen. Parlamentspräsident Saad al-Katatni versicherte in der vom Staatsfernsehen übertragenen Eröffnungsrede, die Zusammenkunft verletze nicht das Urteil des Obersten Verfassungsgerichts, das die Wahl zum Unterhaus im Juni für ungültig erklärt hatte. Der damals regierende Militärrat löste das Parlament daraufhin auf, doch Präsident Mohammed Mursi hob die Entscheidung wieder auf.

Westerwelle ist der erste westliche Minister, der seit der Präsidentschaftswahl auf Amtsinhaber Mursi trifft.

Westerwelle ist der erste westliche Minister, der seit der Präsidentschaftswahl auf Amtsinhaber Mursi trifft.

(Foto: AP)

Al-Katatni betonte, die Abgeordneten würden in der Sitzung lediglich über die Entscheidung des Verfassungsgerichts beraten. Danach forderte das Parlament das Revisionsgericht auf, über die Auflösung des Parlaments und mögliche Neuwahlen zu entscheiden. Al-Katatni hob daraufhin die Sitzung wieder auf, ohne einen Termin für die nächste Zusammenkunft festzulegen.

Offen blieb zunächst, wie das Militär auf dieses Vorgehen reagieren wird. Es hinderte die Abgeordneten nicht am Betreten des Parlamentsgebäudes. Die Volksvertretung ist von islamistischen Kräften dominiert. Wie Mursi gehört auch Al-Katatni zur einflussreichen Muslimbruderschaft. An der Sitzung nahmen nach Angaben der Parlamentsverwaltung rund 70 Abgeordneten teil, überwiegend aus dem islamistischen Lager. Vertreter liberaler Parteien boykottierten das Treffen.

Westerwelle trifft Mursi

Außenminister Guido Westerwelle rief die Ägypter derweil auf, den Demokratisierungsprozess fortzusetzen. "Noch gibt es keine Garantie dafür, dass der Weg in Richtung Demokratie gelingt", sagte Westerwelle nach einem Treffen mit dem neu gewählten ägyptischen Staatschef Mursi in Kairo. Deutschland wolle seinen "Beitrag" dazu leisten, dass dies gelinge. Mursi habe ihm versichert, dass es ihm nicht darum gehe, die Entscheidung des Verfassungsgerichtes infrage zu stellen. Die Frage sei demnach vielmehr, wie die Umsetzung des Gerichtsbeschlusses organisiert werden könne.

Mursi sei jemand, der auf Rechtsstaatlichkeit, Pluralität und auch auf religiöse Toleranz setze, sagte Westerwelle weiter. Der ägyptische Präsident habe ihm zudem zugesichert, dass Ägypten alle internationalen Verträge einhalten werde, sagte Westerwelle weiter. Dies gelte auch für diejenigen mit Bezug zum Nahen Osten - eine Anspielung auf den Friedensvertrag mit Israel im Jahr 1979.

Zeit für eine Besichtigung der Altstadt von Heliopolis war auch noch.

Zeit für eine Besichtigung der Altstadt von Heliopolis war auch noch.

(Foto: dapd)

Der deutsche Außenminister betonte, dass deutsche Unternehmen Interesse an Investitionen in Ägypten hätten. Gleichzeitig drang er darauf, dass dafür die Bedingungen geschaffen werden. Dazu zählte er den demokratischen Wandel. Der Außenminister sicherte Ägypten auch zu, bei der Rückführung von illegal ins Ausland geschafften Vermögen zu helfen. "Dieses Geld ist nötig für den Wiederaufbau Ägyptens."

US-Außenministerin Hillary Clinton mahnte einen Dialog und gemeinsame Anstrengungen an. Die entstandenen Probleme seien verständlich, müssten aber gelöst werden, um zu verhindern, dass der politische Übergang in Ägypten aus der Spur laufe. Clinton reist am Wochenende nach Kairo.

Beide Seiten werfen sich Staatsstreich vor

Der Machtkampf zwischen dem Militär und dem Lager der gemäßigten Islamisten hatte sich durch die Entscheidung Mursis zuletzt verschärft. Beide Seiten werfen sich vor, einen Staatsstreich vollzogen zu haben. Nach den Vorstellungen der Muslimbrüder sollen die Parlamentarier bis zur Verabschiedung einer neuen Verfassung und Neuwahlen ihr Mandat ausüben. Mursi griff mit seiner Entscheidung die Autorität des Militärs an, das nach dem Urteil des Verfassungsgerichts die Auflösung des Parlaments angeordnet und selbst die Gesetzgebung übernommen hatte. Das Gericht begründete sein Urteil damit, dass etliche Parteimitglieder sich um Direktmandate beworben hätten, die eigentlich für unabhängige Kandidaten vorgesehen waren.

Am Montag erklärte das Verfassungsgericht Mursis Dekret zur Wiedereinsetzung des Parlaments für ungültig und warnte den Präsidenten, dass niemand über der Verfassung stehe. Die Muslimbrüder erklärten, sie suchten eine Lösung, die die rechtliche Position des Gerichts berücksichtige, ohne das Parlament aufzulösen. Dagegen kritisierten liberale Parteien, Mursi habe sich gegen das Votum des Verfassungsgerichts gestellt.

Der ägyptische Friedensnobelpreisträger Mohammed al-Baradei rief die Militärs und die islamistischen Parteien auf, eine politische Lösung zu suchen. Der ägyptischen Tageszeitung "Al-Shorouk" zufolge erklärte er: "Das nationale Bewusstsein erfordert, dass sofort ein Treffen zwischen dem Staatspräsidenten, den Vertretern der Legislative und dem Militärrat einberufen wird, um eine politische und juristische Lösung zu finden, die dem Land eine Explosion erspart."

Quelle: ntv.de, rts/AFP/dpa

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