Spannungen mit den Nachbarn Peking steckt viele Milliarden in die Rüstung
05.03.2014, 09:46 Uhr
China liegt seit Jahren mit seinem Nachbarn Japan im Clinch um eine Inselgruppe im Ostchinesischen Meer. Beide Länder scheinen unversöhnlich. Jetzt stockt China seinen Wehretat erheblich auf, um seinen Machtanspruch zu untermauern.
China steigert seinen Militäretat in diesem Jahr überdurchschnittlich stark um 12,2 Prozent. Trotz d er konjunkturellen Abschwächung soll das Wachstum der zweitgrößten Volkswirtschaft in diesem Jahr wieder 7,5 Prozent erreichen, wie der neue Regierungschef Li Keqiang in seinem ersten Rechenschaftsbericht zum Auftakt der Jahrestagung des Volkskongresses in Peking sagte. "Reformen haben in diesem Jahr höchste Priorität", sagte Li Keqiang, der dem Markt eine entscheidende Rolle einräumen will. Angesichts des Smogs will der Premier der Umweltverschmutzung "den Krieg erklären".
Vor dem Hintergrund der Spannungen mit seinen Nachbarn und den USA, die ihre pazifische Präsenz ausbauen, steigert China seine Verteidigungsausgaben in diesem Jahr unerwartet stark auf 808 Milliarden Yuan (rund 95 Milliarden Euro), wie aus dem vorgelegten Entwurf des Haushalts hervorgeht. Die Militärausgaben zählen zu den Etatposten mit der höchsten Steigerungsrate.
In einem möglichen Hinweis auf Japan, mit dem China um historische Ansprüche auf eine Inselgruppe im Ostchinesischen Meer streitet, betonte Li Keqiang, China wolle den Sieg im Zweiten Weltkrieg und die internationale Nachkriegsordnung sichern: "Wir werden niemandem erlauben, den Kurs der Geschichte umzudrehen." Er versicherte zugleich, China wolle als "verantwortliche Macht" eine konstruktive Rolle in der Lösung globaler und regionaler Krisenherde spielen.
Chinas Streitkräfte sollen "unter Berücksichtigung der neuen Bedingungen" modernisiert und gestärkt werden, sagte der Premier in seinem rund 110-minütigen Rechenschaftsbericht. "Ihre Abschreckung und Kampffähigkeiten im Informationszeitalter werden weiter erhöht." China plane für die militärische Einsatzfähigkeit "unter allen Szenarien und in allen Gebieten". Die Küsten-, Luft- und Grenzstreitkräfte müssten ausgebaut werden. China wolle auch seine Vorbereitungen auf den Kriegsfall verbessern, sagte der Premier.
Peking setzt auf Wachstum
Marktwirtschaftliche Umstrukturierungen stehen im Mittelpunkt seiner Wirtschaftspolitik. "Chinas Reform steht am Scheideweg", sagte der Premier. "Wir müssen uns von gedanklichen Fesseln lösen und entschieden gegen feste Interessengefüge vorgehen." Entwicklung sei aber weiter der Schlüssel zur Lösung aller Probleme, deswegen müsse eine "angemessene Wachstumsrate" bewahrt werden.
Das Wachstumsziel von 7,5 Prozent war unverändert wie im Vorjahr, als im zweiten Jahr in Folge 7,7 Prozent erreicht worden waren - so wenig wie seit 1999 nicht mehr. Der Ausbau des heimischen Konsums müsse "der wichtigste Motor" für Wirtschaftswachstum werden, was auch strukturelle Veränderungen zur Folge haben werde, sagte der Premier.
"Krieg" gegen die Umweltverschmutzung
Offen beklagte der Premier den anhaltenden Smog in weiten Teilen des Landes und sagte der Umweltverschmutzung den Kampf an. Mit einem "Krieg gegen Verschmutzung" will Li Probleme wie die gesundheitsgefährdende Luftverschmutzung oder die Verunreinigungen von Lebensmitteln lösen. Die Natur sende angesichts von Ineffizienz und "blinder Entwicklung" Alarmsignale. China werde künftig mit derselben Entschlossenheit gegen Umweltverschmutzung vorgehen wie gegen die Armut im Land.
Li kündigte unter anderem an, dass in diesem Jahr rund sechs Millionen Autos von den Straßen verschwinden sollen, deren Abgasausstoß zu hoch sei. Außerdem würden 50.000 kleine kohlebefeuerte Ofenanlagen stillgelegt und größere Kohlekraftwerke saniert. Chinas Energieverbrauch solle gedeckelt werden, sagte Li. Zudem würden weitreichende Maßnahmen zum Schutz von Gewässern, Böden, Feuchtgebieten sowie Wäldern und Grünland ergriffen.
Chinas Umwelt leidet unter dem rasanten Wachstum des Landes. Die Ausmaße der Verschmutzung zeigen sich etwa alljährlich im Winter, wenn Peking und andere Städte im Norden über Wochen mit dichtem Smog zu kämpfen haben. Grund sind neben dem zunehmenden Verkehr vor allem Kohlekraftwerke und Fabriken, aber auch der Autoverkehr.
Schweigeminute für Terroropfer
Die knapp 3000 Delegierten hatten ihre neuntägige Sitzung in der Großen Halle des Volkes mit einer Schweigeminute für die Opfer des Terroranschlags im Bahnhof der Metropole Kunming in Südwestchina begonnen. Bei dem Gemetzel waren am Samstag 29 Reisende getötet und 140 verletzt worden. Die Behörden haben vier Angreifer erschossen und vier andere festgenommen, die als Separatisten aus der Unruheregion Xinjiang in Nordwestchina beschrieben wurden. Der Premier verurteilte den Terrorakt und sprach den Familien der Opfer sein Beileid aus.
Zum Auftakt des Volkskongresses kam es zu einem Zwischenfall auf dem Tiananmen-Platz in Peking, wo sich nach Augenzeugenberichten eine Frau angezündet haben soll. Sicherheitsleute seien sofort mit Feuerlöschern eingeschritten, berichtete die "South China Morning Post". "Ich hörte, es sei eine Frau um die 40 gewesen, die sich selbst angezündet habe", sagte eine Augenzeugin dem Blatt. "Sie lebte, als sie weggebracht wurde." Der Vorfall soll sich unmittelbar vor dem Porträt des Revolutionsführers Mao Tsetung am Eingang zum Kaiserpalast ereignet haben.
Quelle: ntv.de, ppo/dpa/AFP